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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Geweih von unsern Töchtern.

der Erkenntnis und des Willens auf Ganzes ist der echte Geburtsschein der
Neigung des Weibes zur Symbolik und Romantik, der "mystischen Achtung" der
Frau vor dem "vollen Dutzend" lind ihres Anfluges von Geiz, ihrer Neigung
zum Wittern eines Planes im Kleinsten, ihrer Abneigung gegen Gründe und
logische Zergliederung, gegen wissenschaftliche Genauigkeit, ihrer Neigung, sich um¬
ständlich, aber nicht deutlich auszusprechen, vor allem ihrer Neigung zum Scheine,
der alles Unebene glätten, alles Eckige abrunden und eben ein Ganzes herstellen
soll, ihrer Vorliebe für Surrogate im Großen und Kleinen, in Bildung und
Küche, in Moral und Kleidung und ihrer bekannten Unjuristik, vom neidischen
Blick auf der Freundin Kleider bis zur rachsüchtigen Intrigue und den Kriminal-
Verbrechen der Urkundenfälscherin, Hochstaplerin und Staatsaufwieglerin oder
der Anstiftung zu solchen Freveln. Jene Richtung auf Ganzes erklärt aber anch
des Weibes Ausdauer, Aufopferungsfähigkeit, Liebeskraft und Liebesverlangen,
warme Thatkraft, Friedensliebe, Klugheit und praktische Vernunft, "welcher das
Gute so nahe liegt," und vor allem die Religiosität und den künstlerischen, an¬
schauenden Gang der Gedanken der Frau, ihre Anmut und ihr lebendiges Takt¬
gefühl. Die sprachliche Bezeichnung der in diesem Register aufgezählten Be¬
griffe lehrt, wie sehr das Gefühlsinteresfe den intellektuellen Fähigkeiten den Weg
weist. In der That ist die weibliche Verstandeskraft an und für sich nicht ge¬
ringer als die männliche, aber infolge des größern Gebundenseins des schwächern
weiblichen Körpers fehlt eben der Frau das Interesse für manches, worauf das
des Mannes gerichtet ist. Und die bekannte Anekdote von der Schülerin, welche
aus der Huschkeschen Entdeckung der geringern Menge des großen Gehirns beim
weiblichen Geschlechte nur den Schluß zog, daß es auf die Qualität des Hirns
ankomme, wird in das Gebiet des Ernstes gerückt, wenn man sie mit den Be¬
richten zusammenstellt, welche Sir John Lubbock über das Leben der Ameisen
gegeben hat. Diese Tierchen, welche nur ein sandkvrngroßes Gehirn haben,
stehen nach Ansicht des genannten Forschers dem Menschen in Bezug auf Ver¬
stand am allernächsten.

Der Beruf der Frau ist durch ihre körperliche und geistige Natur gegeben:
sie soll Gattin, Mutter und Hausfrau sein und dein schönen kleinen Ganzen
der Familie, welche den Grundstock des größern des Staates bildet, erfreuend,
erziehend und leitend mit voller Wärme angehören. Als Gattin soll sie nicht
Dienerin des Mannes, sondern seine Freundin sein und anch an seinem Geistes¬
leben teilnehmen, wie schon die im römischen Rechte gegebene Begriffsbestimmung
der Ehe (ooni'unetio inäivicirmni vitg-o oonsuötuclinern vcmtincms) andeutet. Über
den Beruf und den schwerwiegenden sittlichen Einfluß der Mutter, dieser "wich¬
tigsten Person im Staate," ziehen wir es hier vor lieber zu schweigen, als nur
weniges zu sagen. Die Hausfrau endlich soll praktischen Sinn, Fleiß, Ordnung
und Sparsamkeit mit Geschmack für behagliches Heim und mit praktischen Fertig¬
keiten verbinden.


Geweih von unsern Töchtern.

der Erkenntnis und des Willens auf Ganzes ist der echte Geburtsschein der
Neigung des Weibes zur Symbolik und Romantik, der „mystischen Achtung" der
Frau vor dem „vollen Dutzend" lind ihres Anfluges von Geiz, ihrer Neigung
zum Wittern eines Planes im Kleinsten, ihrer Abneigung gegen Gründe und
logische Zergliederung, gegen wissenschaftliche Genauigkeit, ihrer Neigung, sich um¬
ständlich, aber nicht deutlich auszusprechen, vor allem ihrer Neigung zum Scheine,
der alles Unebene glätten, alles Eckige abrunden und eben ein Ganzes herstellen
soll, ihrer Vorliebe für Surrogate im Großen und Kleinen, in Bildung und
Küche, in Moral und Kleidung und ihrer bekannten Unjuristik, vom neidischen
Blick auf der Freundin Kleider bis zur rachsüchtigen Intrigue und den Kriminal-
Verbrechen der Urkundenfälscherin, Hochstaplerin und Staatsaufwieglerin oder
der Anstiftung zu solchen Freveln. Jene Richtung auf Ganzes erklärt aber anch
des Weibes Ausdauer, Aufopferungsfähigkeit, Liebeskraft und Liebesverlangen,
warme Thatkraft, Friedensliebe, Klugheit und praktische Vernunft, „welcher das
Gute so nahe liegt," und vor allem die Religiosität und den künstlerischen, an¬
schauenden Gang der Gedanken der Frau, ihre Anmut und ihr lebendiges Takt¬
gefühl. Die sprachliche Bezeichnung der in diesem Register aufgezählten Be¬
griffe lehrt, wie sehr das Gefühlsinteresfe den intellektuellen Fähigkeiten den Weg
weist. In der That ist die weibliche Verstandeskraft an und für sich nicht ge¬
ringer als die männliche, aber infolge des größern Gebundenseins des schwächern
weiblichen Körpers fehlt eben der Frau das Interesse für manches, worauf das
des Mannes gerichtet ist. Und die bekannte Anekdote von der Schülerin, welche
aus der Huschkeschen Entdeckung der geringern Menge des großen Gehirns beim
weiblichen Geschlechte nur den Schluß zog, daß es auf die Qualität des Hirns
ankomme, wird in das Gebiet des Ernstes gerückt, wenn man sie mit den Be¬
richten zusammenstellt, welche Sir John Lubbock über das Leben der Ameisen
gegeben hat. Diese Tierchen, welche nur ein sandkvrngroßes Gehirn haben,
stehen nach Ansicht des genannten Forschers dem Menschen in Bezug auf Ver¬
stand am allernächsten.

Der Beruf der Frau ist durch ihre körperliche und geistige Natur gegeben:
sie soll Gattin, Mutter und Hausfrau sein und dein schönen kleinen Ganzen
der Familie, welche den Grundstock des größern des Staates bildet, erfreuend,
erziehend und leitend mit voller Wärme angehören. Als Gattin soll sie nicht
Dienerin des Mannes, sondern seine Freundin sein und anch an seinem Geistes¬
leben teilnehmen, wie schon die im römischen Rechte gegebene Begriffsbestimmung
der Ehe (ooni'unetio inäivicirmni vitg-o oonsuötuclinern vcmtincms) andeutet. Über
den Beruf und den schwerwiegenden sittlichen Einfluß der Mutter, dieser „wich¬
tigsten Person im Staate," ziehen wir es hier vor lieber zu schweigen, als nur
weniges zu sagen. Die Hausfrau endlich soll praktischen Sinn, Fleiß, Ordnung
und Sparsamkeit mit Geschmack für behagliches Heim und mit praktischen Fertig¬
keiten verbinden.


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[0394] Geweih von unsern Töchtern. der Erkenntnis und des Willens auf Ganzes ist der echte Geburtsschein der Neigung des Weibes zur Symbolik und Romantik, der „mystischen Achtung" der Frau vor dem „vollen Dutzend" lind ihres Anfluges von Geiz, ihrer Neigung zum Wittern eines Planes im Kleinsten, ihrer Abneigung gegen Gründe und logische Zergliederung, gegen wissenschaftliche Genauigkeit, ihrer Neigung, sich um¬ ständlich, aber nicht deutlich auszusprechen, vor allem ihrer Neigung zum Scheine, der alles Unebene glätten, alles Eckige abrunden und eben ein Ganzes herstellen soll, ihrer Vorliebe für Surrogate im Großen und Kleinen, in Bildung und Küche, in Moral und Kleidung und ihrer bekannten Unjuristik, vom neidischen Blick auf der Freundin Kleider bis zur rachsüchtigen Intrigue und den Kriminal- Verbrechen der Urkundenfälscherin, Hochstaplerin und Staatsaufwieglerin oder der Anstiftung zu solchen Freveln. Jene Richtung auf Ganzes erklärt aber anch des Weibes Ausdauer, Aufopferungsfähigkeit, Liebeskraft und Liebesverlangen, warme Thatkraft, Friedensliebe, Klugheit und praktische Vernunft, „welcher das Gute so nahe liegt," und vor allem die Religiosität und den künstlerischen, an¬ schauenden Gang der Gedanken der Frau, ihre Anmut und ihr lebendiges Takt¬ gefühl. Die sprachliche Bezeichnung der in diesem Register aufgezählten Be¬ griffe lehrt, wie sehr das Gefühlsinteresfe den intellektuellen Fähigkeiten den Weg weist. In der That ist die weibliche Verstandeskraft an und für sich nicht ge¬ ringer als die männliche, aber infolge des größern Gebundenseins des schwächern weiblichen Körpers fehlt eben der Frau das Interesse für manches, worauf das des Mannes gerichtet ist. Und die bekannte Anekdote von der Schülerin, welche aus der Huschkeschen Entdeckung der geringern Menge des großen Gehirns beim weiblichen Geschlechte nur den Schluß zog, daß es auf die Qualität des Hirns ankomme, wird in das Gebiet des Ernstes gerückt, wenn man sie mit den Be¬ richten zusammenstellt, welche Sir John Lubbock über das Leben der Ameisen gegeben hat. Diese Tierchen, welche nur ein sandkvrngroßes Gehirn haben, stehen nach Ansicht des genannten Forschers dem Menschen in Bezug auf Ver¬ stand am allernächsten. Der Beruf der Frau ist durch ihre körperliche und geistige Natur gegeben: sie soll Gattin, Mutter und Hausfrau sein und dein schönen kleinen Ganzen der Familie, welche den Grundstock des größern des Staates bildet, erfreuend, erziehend und leitend mit voller Wärme angehören. Als Gattin soll sie nicht Dienerin des Mannes, sondern seine Freundin sein und anch an seinem Geistes¬ leben teilnehmen, wie schon die im römischen Rechte gegebene Begriffsbestimmung der Ehe (ooni'unetio inäivicirmni vitg-o oonsuötuclinern vcmtincms) andeutet. Über den Beruf und den schwerwiegenden sittlichen Einfluß der Mutter, dieser „wich¬ tigsten Person im Staate," ziehen wir es hier vor lieber zu schweigen, als nur weniges zu sagen. Die Hausfrau endlich soll praktischen Sinn, Fleiß, Ordnung und Sparsamkeit mit Geschmack für behagliches Heim und mit praktischen Fertig¬ keiten verbinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/394>, abgerufen am 17.06.2024.