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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörterseuche.

hier nicht weiter eingehe", da sie gelehrter Art sind und die Kraft eines offne"
Aufrufes, der recht aus dem Herzen käme, nicht besitzen. Auch ist wohl allgemein
bekannt, was dieselben und was namentlich Campe gutes gewirkt habe".

So hat das ganze siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert durch gewichtige
Stimmen Verwahrung eingelegt gegen den Mißbrauch einer übermäßigen, un¬
nötigen und läppischen Anwendung von Fremdwörtern, Einen besondern Auf¬
schwung aber erhielten diese Bestrebungen in den unglücklichen Jahren der Fremd¬
herrschaft, wo jeder uur eiuigermnßen vaterländisch gesinnte Mann sich anklammerte
an deutsche Art und Sprache, fremde Art und Sprache vou sich stieß und sich
schämte, durch Einmischung fremder Wörter, die überwiegend der Sprache feiner
Unterjocher angehörten, seine herrliche deutsche Muttersprache zu besudeln.

Fichtes "Reden um die deutsche Nation" hallen auf jedem Blatte von jenem
starken, edeln, erhebenden Nationalgefühle wieder, welches das ganze deutsche
Leben durchtränken und erneuen wollte, und welches ganz von selbst auch der deut¬
schen Sprache ihren natürlichen Adel, ihre alte Würde, Reinheit und Schön¬
heit sichern mußte. Mit welchem Erfolge dies Fichte selbst that, das lehrt die
Sprache dieser Reden, die auch hinsichtlich ihrer Reinheit von fremden Flecken
und ausländischem Flickwerk mustergiltig ist.

Arndt erhob seine männliche Stimme, um die Deutschen zum Selbstbewußt-
sein und Selbstgefühl zu erheben, auch hinsichtlich der Sprache. In seiner 1813
Heransgegebenen Schrift "Über den Gebrauch eiuer fremden Sprache" sagt er:
"Wenn unsere höhere Welt deutsch spricht, greift sie uicht jeden Augenblick nach
einem französischen Wort und eiuer französischen Wendung? wenn wir über
Staatskunst, Kriegswesen, ja nur vou einem Gefecht sprechen und es beschreiben,
gebehrden wir uns nicht als hätten wir gar keine Sprache, als sahen wir ganz
ohne Geist, ohne Begriffe und ohne Zeichen für Geist und Begriffe? als sahen
wir in den Anfängen unserer Bildung und müssen alles von Fremden holen?
wir Reichen, die wir vergessen haben, wie reich wir sind!" Er schilt es als
die "Schimpflichste Faulheit," daß wir "vou den Franzosen Benennungen borge",
welche sie von den Toten, von den Lateinern und Griechen, geliehen und nach
ihrer Weise aufgestutzt haben und welche die Geläufigkeit ihrer Zungen in die
eigene und in fremde Sprachen einführt." Er hätte noch hinzufügen können,
daß wir sogar solche Wörter, die die Franzosen von uns selbst entliehen und
aufgestutzt haben, von ihnen wieder angenommen haben: Boulevard, Boutique,
Planchette, Quai, Pedell, Bivouac, Vlokade, Bresche, Eseadrvu, Etappe, Waggon
und vieles andre. Das ist doch wohl der höchste Grad schimpflicher Faulheit
und nationaler Stumpfheit in sprachlicher Hinsicht. "Sollen wir nicht -- fragt
Arndt solchen Zustünde" gegenüber -- endlich wenigstens lächerlich nennen, was
jedes andre Volk schlecht nennen würde?" Freilich, das Jahr 1813 war keine
Zeit zum Lachen. Doch konnte der Spott dieser Frage vielleicht damals manch
ernstes Gemüt rühren und zu einem heilsamen Entschlüsse erheben.


Gr^uzboK'et IV. 1882. 62
Die Fremdwörterseuche.

hier nicht weiter eingehe», da sie gelehrter Art sind und die Kraft eines offne»
Aufrufes, der recht aus dem Herzen käme, nicht besitzen. Auch ist wohl allgemein
bekannt, was dieselben und was namentlich Campe gutes gewirkt habe«.

So hat das ganze siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert durch gewichtige
Stimmen Verwahrung eingelegt gegen den Mißbrauch einer übermäßigen, un¬
nötigen und läppischen Anwendung von Fremdwörtern, Einen besondern Auf¬
schwung aber erhielten diese Bestrebungen in den unglücklichen Jahren der Fremd¬
herrschaft, wo jeder uur eiuigermnßen vaterländisch gesinnte Mann sich anklammerte
an deutsche Art und Sprache, fremde Art und Sprache vou sich stieß und sich
schämte, durch Einmischung fremder Wörter, die überwiegend der Sprache feiner
Unterjocher angehörten, seine herrliche deutsche Muttersprache zu besudeln.

Fichtes „Reden um die deutsche Nation" hallen auf jedem Blatte von jenem
starken, edeln, erhebenden Nationalgefühle wieder, welches das ganze deutsche
Leben durchtränken und erneuen wollte, und welches ganz von selbst auch der deut¬
schen Sprache ihren natürlichen Adel, ihre alte Würde, Reinheit und Schön¬
heit sichern mußte. Mit welchem Erfolge dies Fichte selbst that, das lehrt die
Sprache dieser Reden, die auch hinsichtlich ihrer Reinheit von fremden Flecken
und ausländischem Flickwerk mustergiltig ist.

Arndt erhob seine männliche Stimme, um die Deutschen zum Selbstbewußt-
sein und Selbstgefühl zu erheben, auch hinsichtlich der Sprache. In seiner 1813
Heransgegebenen Schrift „Über den Gebrauch eiuer fremden Sprache" sagt er:
„Wenn unsere höhere Welt deutsch spricht, greift sie uicht jeden Augenblick nach
einem französischen Wort und eiuer französischen Wendung? wenn wir über
Staatskunst, Kriegswesen, ja nur vou einem Gefecht sprechen und es beschreiben,
gebehrden wir uns nicht als hätten wir gar keine Sprache, als sahen wir ganz
ohne Geist, ohne Begriffe und ohne Zeichen für Geist und Begriffe? als sahen
wir in den Anfängen unserer Bildung und müssen alles von Fremden holen?
wir Reichen, die wir vergessen haben, wie reich wir sind!" Er schilt es als
die „Schimpflichste Faulheit," daß wir „vou den Franzosen Benennungen borge»,
welche sie von den Toten, von den Lateinern und Griechen, geliehen und nach
ihrer Weise aufgestutzt haben und welche die Geläufigkeit ihrer Zungen in die
eigene und in fremde Sprachen einführt." Er hätte noch hinzufügen können,
daß wir sogar solche Wörter, die die Franzosen von uns selbst entliehen und
aufgestutzt haben, von ihnen wieder angenommen haben: Boulevard, Boutique,
Planchette, Quai, Pedell, Bivouac, Vlokade, Bresche, Eseadrvu, Etappe, Waggon
und vieles andre. Das ist doch wohl der höchste Grad schimpflicher Faulheit
und nationaler Stumpfheit in sprachlicher Hinsicht. „Sollen wir nicht — fragt
Arndt solchen Zustünde» gegenüber — endlich wenigstens lächerlich nennen, was
jedes andre Volk schlecht nennen würde?" Freilich, das Jahr 1813 war keine
Zeit zum Lachen. Doch konnte der Spott dieser Frage vielleicht damals manch
ernstes Gemüt rühren und zu einem heilsamen Entschlüsse erheben.


Gr^uzboK'et IV. 1882. 62
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[0493] Die Fremdwörterseuche. hier nicht weiter eingehe», da sie gelehrter Art sind und die Kraft eines offne» Aufrufes, der recht aus dem Herzen käme, nicht besitzen. Auch ist wohl allgemein bekannt, was dieselben und was namentlich Campe gutes gewirkt habe«. So hat das ganze siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert durch gewichtige Stimmen Verwahrung eingelegt gegen den Mißbrauch einer übermäßigen, un¬ nötigen und läppischen Anwendung von Fremdwörtern, Einen besondern Auf¬ schwung aber erhielten diese Bestrebungen in den unglücklichen Jahren der Fremd¬ herrschaft, wo jeder uur eiuigermnßen vaterländisch gesinnte Mann sich anklammerte an deutsche Art und Sprache, fremde Art und Sprache vou sich stieß und sich schämte, durch Einmischung fremder Wörter, die überwiegend der Sprache feiner Unterjocher angehörten, seine herrliche deutsche Muttersprache zu besudeln. Fichtes „Reden um die deutsche Nation" hallen auf jedem Blatte von jenem starken, edeln, erhebenden Nationalgefühle wieder, welches das ganze deutsche Leben durchtränken und erneuen wollte, und welches ganz von selbst auch der deut¬ schen Sprache ihren natürlichen Adel, ihre alte Würde, Reinheit und Schön¬ heit sichern mußte. Mit welchem Erfolge dies Fichte selbst that, das lehrt die Sprache dieser Reden, die auch hinsichtlich ihrer Reinheit von fremden Flecken und ausländischem Flickwerk mustergiltig ist. Arndt erhob seine männliche Stimme, um die Deutschen zum Selbstbewußt- sein und Selbstgefühl zu erheben, auch hinsichtlich der Sprache. In seiner 1813 Heransgegebenen Schrift „Über den Gebrauch eiuer fremden Sprache" sagt er: „Wenn unsere höhere Welt deutsch spricht, greift sie uicht jeden Augenblick nach einem französischen Wort und eiuer französischen Wendung? wenn wir über Staatskunst, Kriegswesen, ja nur vou einem Gefecht sprechen und es beschreiben, gebehrden wir uns nicht als hätten wir gar keine Sprache, als sahen wir ganz ohne Geist, ohne Begriffe und ohne Zeichen für Geist und Begriffe? als sahen wir in den Anfängen unserer Bildung und müssen alles von Fremden holen? wir Reichen, die wir vergessen haben, wie reich wir sind!" Er schilt es als die „Schimpflichste Faulheit," daß wir „vou den Franzosen Benennungen borge», welche sie von den Toten, von den Lateinern und Griechen, geliehen und nach ihrer Weise aufgestutzt haben und welche die Geläufigkeit ihrer Zungen in die eigene und in fremde Sprachen einführt." Er hätte noch hinzufügen können, daß wir sogar solche Wörter, die die Franzosen von uns selbst entliehen und aufgestutzt haben, von ihnen wieder angenommen haben: Boulevard, Boutique, Planchette, Quai, Pedell, Bivouac, Vlokade, Bresche, Eseadrvu, Etappe, Waggon und vieles andre. Das ist doch wohl der höchste Grad schimpflicher Faulheit und nationaler Stumpfheit in sprachlicher Hinsicht. „Sollen wir nicht — fragt Arndt solchen Zustünde» gegenüber — endlich wenigstens lächerlich nennen, was jedes andre Volk schlecht nennen würde?" Freilich, das Jahr 1813 war keine Zeit zum Lachen. Doch konnte der Spott dieser Frage vielleicht damals manch ernstes Gemüt rühren und zu einem heilsamen Entschlüsse erheben. Gr^uzboK'et IV. 1882. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/493>, abgerufen am 17.06.2024.