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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Vie ^remdwörterseuche.

Friedrich Schlegel, der zuerst selbst ungeheuerlich gesündigt hatte, wie man
z. B. an Stellen seines ersten Werkes "Die Griechen und Römer" (Hamburg,
1797) sehen kann, bekehrte sich später und schalt über die bei uns herrschende
"furchtbare Sprachverwilderung."*) Er sagte: "Das Ding oder Wesen, wie
man es sonst nennen will, was viele unsrer Schriftsteller schreiben, ich meine
auch solche, die ich selbst an Geist und Gehalt zu deu bessern und beste" zähle,
kaun ich wenigstens für Deutsch garnicht anerkennen. Ein unnatürliches Zwitter¬
wesen ist es, ein widerwärtiger Mischling, aus dem Abfall aller andern Sprachen,
besonders der französischen, durch einander gerührt."

Doch genng der strafenden und warnenden Stimmen aus frühern Tagen.
Nur noch einen führe ich an, den großen Meister unsern Sprache: Jakob Grimm.
Er sagt: Xuurn ein anderes nökervs revue After inaA es als das, Krake- welelres
wir Oentselre sind, als die uns angserbte svravlre, in deren volle Aewälrr
und rsiouvn 8vnmu.oK >vir erst vinAssötat werden, "odald wir sie erldrsolien,
reinlialten und ausbilden. ?ur selnnäbli<zben lessel ^ereiobt es ihr, wenn sie
ihre eigensten und tosten Wörter innren set^t uncl nicht wieder ab^ustreilen
sucht, was ihr vendantisobe barbarei antbürdete; man lclagt Uber die Irernden
ausdrücke, deren eiurnengon unserer spraobs senändet; dann werden sie wie
novlcen Zerstieben, wann Oentsobland Sion selbst erkennend, stoln alles grossen
dens bewust sein wird, das ihm an8 seiner Sprache hervor^öde. Ähnlich
spricht er sich auch im Vorwort zum "Deutschen Wörterbuch" aus; hier giebt
er seiner Hoffnung auf Besserung in folgenden Worten Ausdruck: 'Wie der
stets ant' unsre eiZne svraobe, der oll noch soblninrnert, einmal doller wacht
und die belcanntselialt init allen mitteln wächst, welche sie selbst uns dar-
reiobt, nnr noch boseiebnendere und uns anZeinessenere ausdrüelie su ^e-
winnen, wird an ob die anweudun^ der t'reinden weioben und besebränlct
werden.

Das ist allerdings richtig. Wenn der Stolz auf unsre Sprache in der
Gesamtheit der Nation wüchse und kräftig würde, daun würde auch der Unfug
mit deu unnötigen und affigen Fremdwörtern beschränkt werden. Aber leider
merkt mau noch blutwenig von diesem Stolze, und inzwischen leidet die Sprache
unersetzlichen Schaden. Konnte man doch die Sprachfälscher mit Geldbußen,
Gefängnis und Vernichtung ihres Machwerkes bestrnfeu wie die Fälscher von
Nahrungsmitteln und Getränken! Verdient hätten sie es reichlich. Deun ihr
Verbrechen an dem nationalen Gute des deutscheu Volkes ist wahrlich viel
größer und folgenschwerer als das der Butter- und Bierfälscher an der Ge¬
sundheit einiger Bevölkerungskreise. Mau freut sich jedesmal von Herzen, wenn




") Im "Deutschen Museum" von 1812, Septemberheft.
In der schon erwähnten Abhandlung: Übor us,s psu^niiscillo in teor <tout.Lob<in
Kpr^Luc!.
Vie ^remdwörterseuche.

Friedrich Schlegel, der zuerst selbst ungeheuerlich gesündigt hatte, wie man
z. B. an Stellen seines ersten Werkes „Die Griechen und Römer" (Hamburg,
1797) sehen kann, bekehrte sich später und schalt über die bei uns herrschende
„furchtbare Sprachverwilderung."*) Er sagte: „Das Ding oder Wesen, wie
man es sonst nennen will, was viele unsrer Schriftsteller schreiben, ich meine
auch solche, die ich selbst an Geist und Gehalt zu deu bessern und beste» zähle,
kaun ich wenigstens für Deutsch garnicht anerkennen. Ein unnatürliches Zwitter¬
wesen ist es, ein widerwärtiger Mischling, aus dem Abfall aller andern Sprachen,
besonders der französischen, durch einander gerührt."

Doch genng der strafenden und warnenden Stimmen aus frühern Tagen.
Nur noch einen führe ich an, den großen Meister unsern Sprache: Jakob Grimm.
Er sagt: Xuurn ein anderes nökervs revue After inaA es als das, Krake- welelres
wir Oentselre sind, als die uns angserbte svravlre, in deren volle Aewälrr
und rsiouvn 8vnmu.oK >vir erst vinAssötat werden, «odald wir sie erldrsolien,
reinlialten und ausbilden. ?ur selnnäbli<zben lessel ^ereiobt es ihr, wenn sie
ihre eigensten und tosten Wörter innren set^t uncl nicht wieder ab^ustreilen
sucht, was ihr vendantisobe barbarei antbürdete; man lclagt Uber die Irernden
ausdrücke, deren eiurnengon unserer spraobs senändet; dann werden sie wie
novlcen Zerstieben, wann Oentsobland Sion selbst erkennend, stoln alles grossen
dens bewust sein wird, das ihm an8 seiner Sprache hervor^öde. Ähnlich
spricht er sich auch im Vorwort zum „Deutschen Wörterbuch" aus; hier giebt
er seiner Hoffnung auf Besserung in folgenden Worten Ausdruck: 'Wie der
stets ant' unsre eiZne svraobe, der oll noch soblninrnert, einmal doller wacht
und die belcanntselialt init allen mitteln wächst, welche sie selbst uns dar-
reiobt, nnr noch boseiebnendere und uns anZeinessenere ausdrüelie su ^e-
winnen, wird an ob die anweudun^ der t'reinden weioben und besebränlct
werden.

Das ist allerdings richtig. Wenn der Stolz auf unsre Sprache in der
Gesamtheit der Nation wüchse und kräftig würde, daun würde auch der Unfug
mit deu unnötigen und affigen Fremdwörtern beschränkt werden. Aber leider
merkt mau noch blutwenig von diesem Stolze, und inzwischen leidet die Sprache
unersetzlichen Schaden. Konnte man doch die Sprachfälscher mit Geldbußen,
Gefängnis und Vernichtung ihres Machwerkes bestrnfeu wie die Fälscher von
Nahrungsmitteln und Getränken! Verdient hätten sie es reichlich. Deun ihr
Verbrechen an dem nationalen Gute des deutscheu Volkes ist wahrlich viel
größer und folgenschwerer als das der Butter- und Bierfälscher an der Ge¬
sundheit einiger Bevölkerungskreise. Mau freut sich jedesmal von Herzen, wenn




") Im „Deutschen Museum" von 1812, Septemberheft.
In der schon erwähnten Abhandlung: Übor us,s psu^niiscillo in teor <tout.Lob<in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/494>, abgerufen am 26.05.2024.