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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

lange Schnurrbart und der Backenbart zu beiden Seiten desselben in merkwürdig
kurzer Zeit gewachsen waren. War es denn möglich, das; es zwei Menschen
gab, die über die liniere Hälfte ihres Gesichts in solcher automatenhafter Weise
ein Lächeln breiten konnten, während die Spinnenaugen nicht das geringste
davon fühlten? Wahrhaftig, dieser Mensch mit dem schwarzen Schnurr- und
Backenbart sah zwar uicht ganz wie der Gesanglehrer im Schulhause zu Sngnr
Grove aus, der das "rotspitzige Heu auf der Oberlippe hatte," und doch --
und doch --

Meine Herrschnfteu, sagte Parkins -- bei Dickens würde er Smirkins
heißen --, ich hätte Lust ein Spielchen zu macheu, just weil's ein so spaßiges
Ding ist. Es ist ein Kunststück mit drei Karten. Ich lege drei Karten hin, auf¬
gedeckt. Hier ist die Careau-Sechs, die Pique-Acht und Coeur-Aß. Nun werde
ich sie so schnell umwenden, daß mir keiner von Ihnen soll sagen können, welches
Blatt das Aß ist. Sehen Sie wohl, so! Nun möchte ich den Wein für die
Gesellschaft wetten, daß keiner von den Herren hier das Aß aufdecken kann-
Alles, was ich will, ist ein bischen Spaß. Etwas, um den Abend zu verbringen
und der Gesellschaft Vergnügen zu machen. Wer will den Wein wetten? Die
Schrift sagt, die Hand ist schneller als das Auge, und ich warne Sie, wenn
Sie wetten, werden Sie wahrscheinlich verlieren. Hiermit deckte er die Karten
auf, sodaß man ihre Bilder sah, und siehe da, die> Karte, von der jedermann
überzeugt war, sie müsse das Aß sein, war wirklich diese Karte. Die meisten
der Zuschauer bedauerten, uicht gewettet zu haben; denn sie sahen, daß sie ge¬
wiß gewonnen hätten. Wieder wurden die Karten mit der Bildseite nach unten
hingelegt, und wieder wurde die Gesellschaft verlockt, um den Wein zu wetten-
Niemand wollte wetten.

Nach vielen gewandten Rede" und viel fingerfertigem Hcmtiereu mit den
Karten, bei dem es allen mit rechten Dingen zuzugehen schien, und bei dem es
so zuging, daß jedermann leicht die Stelle erriet, wo das Aß lag, erbot sich
der kurzsichtige Herr, der mit Normen, getrunken hatte, fünf Dollars zu
wetten.

Fünf Dollars! erwiederte Parkins mit spöttischem Lachen. Fünf Dollars!
Denken Sie denn, ich bin ein Spielgauuer? Ich brauche das Geld der Herren
nicht. Ich habe fo viel Geld, wie ich brauche. Wenn sie indeß um deu Wein
mit mir wetten wollen, so bin ich dabei.

Der kurzsichtige Herr weigerte sich, um etwas anderes zu wetten als um
die fünf Dollars, und Parkins wies seineu Vorschlag mit dein Hohn eines
Herrn zurück, der auf keinen Fall einen Cent Geld verwelken mag. Aber er
wurde jetzt lebhaft und haranguirte die gesammte Gesellschaft. War den" kein
Gentleman in dieser Gesellschaft, der um deu Wein für die Gesellschaft wetten
wollte, wo es sich um el" so interessantes Knnststmkcheu handelte? Es kam ihm
sonderbar vor, daß kein Gentleman den Mut haben sollte, auf die Wette ein-


Der jüngste Tag.

lange Schnurrbart und der Backenbart zu beiden Seiten desselben in merkwürdig
kurzer Zeit gewachsen waren. War es denn möglich, das; es zwei Menschen
gab, die über die liniere Hälfte ihres Gesichts in solcher automatenhafter Weise
ein Lächeln breiten konnten, während die Spinnenaugen nicht das geringste
davon fühlten? Wahrhaftig, dieser Mensch mit dem schwarzen Schnurr- und
Backenbart sah zwar uicht ganz wie der Gesanglehrer im Schulhause zu Sngnr
Grove aus, der das „rotspitzige Heu auf der Oberlippe hatte," und doch —
und doch —

Meine Herrschnfteu, sagte Parkins — bei Dickens würde er Smirkins
heißen —, ich hätte Lust ein Spielchen zu macheu, just weil's ein so spaßiges
Ding ist. Es ist ein Kunststück mit drei Karten. Ich lege drei Karten hin, auf¬
gedeckt. Hier ist die Careau-Sechs, die Pique-Acht und Coeur-Aß. Nun werde
ich sie so schnell umwenden, daß mir keiner von Ihnen soll sagen können, welches
Blatt das Aß ist. Sehen Sie wohl, so! Nun möchte ich den Wein für die
Gesellschaft wetten, daß keiner von den Herren hier das Aß aufdecken kann-
Alles, was ich will, ist ein bischen Spaß. Etwas, um den Abend zu verbringen
und der Gesellschaft Vergnügen zu machen. Wer will den Wein wetten? Die
Schrift sagt, die Hand ist schneller als das Auge, und ich warne Sie, wenn
Sie wetten, werden Sie wahrscheinlich verlieren. Hiermit deckte er die Karten
auf, sodaß man ihre Bilder sah, und siehe da, die> Karte, von der jedermann
überzeugt war, sie müsse das Aß sein, war wirklich diese Karte. Die meisten
der Zuschauer bedauerten, uicht gewettet zu haben; denn sie sahen, daß sie ge¬
wiß gewonnen hätten. Wieder wurden die Karten mit der Bildseite nach unten
hingelegt, und wieder wurde die Gesellschaft verlockt, um den Wein zu wetten-
Niemand wollte wetten.

Nach vielen gewandten Rede» und viel fingerfertigem Hcmtiereu mit den
Karten, bei dem es allen mit rechten Dingen zuzugehen schien, und bei dem es
so zuging, daß jedermann leicht die Stelle erriet, wo das Aß lag, erbot sich
der kurzsichtige Herr, der mit Normen, getrunken hatte, fünf Dollars zu
wetten.

Fünf Dollars! erwiederte Parkins mit spöttischem Lachen. Fünf Dollars!
Denken Sie denn, ich bin ein Spielgauuer? Ich brauche das Geld der Herren
nicht. Ich habe fo viel Geld, wie ich brauche. Wenn sie indeß um deu Wein
mit mir wetten wollen, so bin ich dabei.

Der kurzsichtige Herr weigerte sich, um etwas anderes zu wetten als um
die fünf Dollars, und Parkins wies seineu Vorschlag mit dein Hohn eines
Herrn zurück, der auf keinen Fall einen Cent Geld verwelken mag. Aber er
wurde jetzt lebhaft und haranguirte die gesammte Gesellschaft. War den» kein
Gentleman in dieser Gesellschaft, der um deu Wein für die Gesellschaft wetten
wollte, wo es sich um el» so interessantes Knnststmkcheu handelte? Es kam ihm
sonderbar vor, daß kein Gentleman den Mut haben sollte, auf die Wette ein-


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[0052] Der jüngste Tag. lange Schnurrbart und der Backenbart zu beiden Seiten desselben in merkwürdig kurzer Zeit gewachsen waren. War es denn möglich, das; es zwei Menschen gab, die über die liniere Hälfte ihres Gesichts in solcher automatenhafter Weise ein Lächeln breiten konnten, während die Spinnenaugen nicht das geringste davon fühlten? Wahrhaftig, dieser Mensch mit dem schwarzen Schnurr- und Backenbart sah zwar uicht ganz wie der Gesanglehrer im Schulhause zu Sngnr Grove aus, der das „rotspitzige Heu auf der Oberlippe hatte," und doch — und doch — Meine Herrschnfteu, sagte Parkins — bei Dickens würde er Smirkins heißen —, ich hätte Lust ein Spielchen zu macheu, just weil's ein so spaßiges Ding ist. Es ist ein Kunststück mit drei Karten. Ich lege drei Karten hin, auf¬ gedeckt. Hier ist die Careau-Sechs, die Pique-Acht und Coeur-Aß. Nun werde ich sie so schnell umwenden, daß mir keiner von Ihnen soll sagen können, welches Blatt das Aß ist. Sehen Sie wohl, so! Nun möchte ich den Wein für die Gesellschaft wetten, daß keiner von den Herren hier das Aß aufdecken kann- Alles, was ich will, ist ein bischen Spaß. Etwas, um den Abend zu verbringen und der Gesellschaft Vergnügen zu machen. Wer will den Wein wetten? Die Schrift sagt, die Hand ist schneller als das Auge, und ich warne Sie, wenn Sie wetten, werden Sie wahrscheinlich verlieren. Hiermit deckte er die Karten auf, sodaß man ihre Bilder sah, und siehe da, die> Karte, von der jedermann überzeugt war, sie müsse das Aß sein, war wirklich diese Karte. Die meisten der Zuschauer bedauerten, uicht gewettet zu haben; denn sie sahen, daß sie ge¬ wiß gewonnen hätten. Wieder wurden die Karten mit der Bildseite nach unten hingelegt, und wieder wurde die Gesellschaft verlockt, um den Wein zu wetten- Niemand wollte wetten. Nach vielen gewandten Rede» und viel fingerfertigem Hcmtiereu mit den Karten, bei dem es allen mit rechten Dingen zuzugehen schien, und bei dem es so zuging, daß jedermann leicht die Stelle erriet, wo das Aß lag, erbot sich der kurzsichtige Herr, der mit Normen, getrunken hatte, fünf Dollars zu wetten. Fünf Dollars! erwiederte Parkins mit spöttischem Lachen. Fünf Dollars! Denken Sie denn, ich bin ein Spielgauuer? Ich brauche das Geld der Herren nicht. Ich habe fo viel Geld, wie ich brauche. Wenn sie indeß um deu Wein mit mir wetten wollen, so bin ich dabei. Der kurzsichtige Herr weigerte sich, um etwas anderes zu wetten als um die fünf Dollars, und Parkins wies seineu Vorschlag mit dein Hohn eines Herrn zurück, der auf keinen Fall einen Cent Geld verwelken mag. Aber er wurde jetzt lebhaft und haranguirte die gesammte Gesellschaft. War den» kein Gentleman in dieser Gesellschaft, der um deu Wein für die Gesellschaft wetten wollte, wo es sich um el» so interessantes Knnststmkcheu handelte? Es kam ihm sonderbar vor, daß kein Gentleman den Mut haben sollte, auf die Wette ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/52>, abgerufen am 10.06.2024.