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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

den Herrschaften hundert Dollars wetten wollte, so möge er herankommen.
Wer nicht hundert Dollars verlieren könnte, thäte besser, still zu bleiben.

Smith that jetzt einen großen Sprung. Er wolle fünfzig wetten, erklärte
er. Aber Parkins wollte nichts von fünfzig hören. Er hätte gesagt, meinte er,
daß er um nicht weniger als hundert wetten wollte, und das wäre auch jetzt
noch sein Vorsatz. Er holte jetzt Handvoll auf Handvoll von Gold heraus und
schichtete die Doppeleagles wie eine Verschanzung vor sich auf, während die um¬
stehende Menge ihn vor Aufregung wie eine Brandung umwogte.

Endlich entschloß sich Herr Smith, der kurzsichtige Gentleman mit der Brille,
der Gentleman, der schwarzen Krepp um seinen weißen Hut trug, um hundert
Dollars zu wette". Er nahm sein kleines Portemonnaie heraus und zog daraus
einen Hundert-Dollar-Schein.

Nun denn, sagte er ärgerlich, ich wette um hundert mit Ihnen. Und er
legte die Note hin. Parkins häufte fünf Zwanzig-Dollar-Stücke darauf. Jeder
vou den Umstehenden fühlte, daß er augenblicklich das Aß nufdeckeu könnte.
Die Karte, die rechts vom Kartengebeudeu lag, war unzweifelhaft das Aß-
Norman war davon fest überzeugt. Er wünschte, daß er an der Stelle Smiths
gewettet hätte. Aber Parkins hielt Smith einen Augenblick zurück.

Hören Sie 'mal, junger Mann, sagte er, wenn Sie nicht vollkommen gut
in der Lage sind, diese hundert Dollars zu verlieren, so thun Sie besser, die
Note wieder an sich zu nehmen.

Ich bin ganz ebenso gut in der Lage, sie zu verlieren, wie Sie es sind,
erwiederte Smith Patzig, und zu jedermanns Enttäuschung deckte er nicht die
Karte ans, auf die jedermann sein Augenmerk gerichtet, sondern die mittelste,
und verlor auf diese Weise sein Geld.

Warum nahmen Sie nnr nicht die andre? sagte normal, dickthuerisch. Ich
wußte, daß diese das Aß war.

Ja warum wetteten Sie denn nicht? entgegnete Smith ein wenig spöttisch
lächelnd. Normnn wünschte, er Hütte es gethan. Aber er hatte keine hundert
Dollars eignes Geld bei sich, und er empfand Gewisseusbedenkeu -- schwache,
aber immerhin Bedenken oder vielmehr Furcht vor den Folgen -- bei dem Ge¬
danken, das Geld seines Prinzipals zu einer Wette zu verwenden. Während
er Motiv gegen Motiv abwog, wettete Smith nochmals, und zwar wählte er
zu Normans Verdruß wieder eine Karte, die so offenkundig die unrechte war,
daß Norman es für eine rechte Dummheit hielt, daß ein so kurzsichtiger Muu"
durchaus wetten müsse. Wollte doch Gott, daß ich hundert Dollars eignes Geld
hier hätte und -- siehe da, Smith wettete von neuem. Diesmal aber befragte
er sich bei Norman, bevor er seine Wahl traf, und natürlich deckte er die rechte
Karte auf, wobei er die Bemerkung machte, daß er wollte, seine Augen wären
auch so scharf. Wenn er so gute Augen besäße, getraute er sich vor Schlafen¬
gehen seine baaren tausend Dollars zu gewinnen. Denn schlug er vor, Norman


Der jüngste Tag.

den Herrschaften hundert Dollars wetten wollte, so möge er herankommen.
Wer nicht hundert Dollars verlieren könnte, thäte besser, still zu bleiben.

Smith that jetzt einen großen Sprung. Er wolle fünfzig wetten, erklärte
er. Aber Parkins wollte nichts von fünfzig hören. Er hätte gesagt, meinte er,
daß er um nicht weniger als hundert wetten wollte, und das wäre auch jetzt
noch sein Vorsatz. Er holte jetzt Handvoll auf Handvoll von Gold heraus und
schichtete die Doppeleagles wie eine Verschanzung vor sich auf, während die um¬
stehende Menge ihn vor Aufregung wie eine Brandung umwogte.

Endlich entschloß sich Herr Smith, der kurzsichtige Gentleman mit der Brille,
der Gentleman, der schwarzen Krepp um seinen weißen Hut trug, um hundert
Dollars zu wette». Er nahm sein kleines Portemonnaie heraus und zog daraus
einen Hundert-Dollar-Schein.

Nun denn, sagte er ärgerlich, ich wette um hundert mit Ihnen. Und er
legte die Note hin. Parkins häufte fünf Zwanzig-Dollar-Stücke darauf. Jeder
vou den Umstehenden fühlte, daß er augenblicklich das Aß nufdeckeu könnte.
Die Karte, die rechts vom Kartengebeudeu lag, war unzweifelhaft das Aß-
Norman war davon fest überzeugt. Er wünschte, daß er an der Stelle Smiths
gewettet hätte. Aber Parkins hielt Smith einen Augenblick zurück.

Hören Sie 'mal, junger Mann, sagte er, wenn Sie nicht vollkommen gut
in der Lage sind, diese hundert Dollars zu verlieren, so thun Sie besser, die
Note wieder an sich zu nehmen.

Ich bin ganz ebenso gut in der Lage, sie zu verlieren, wie Sie es sind,
erwiederte Smith Patzig, und zu jedermanns Enttäuschung deckte er nicht die
Karte ans, auf die jedermann sein Augenmerk gerichtet, sondern die mittelste,
und verlor auf diese Weise sein Geld.

Warum nahmen Sie nnr nicht die andre? sagte normal, dickthuerisch. Ich
wußte, daß diese das Aß war.

Ja warum wetteten Sie denn nicht? entgegnete Smith ein wenig spöttisch
lächelnd. Normnn wünschte, er Hütte es gethan. Aber er hatte keine hundert
Dollars eignes Geld bei sich, und er empfand Gewisseusbedenkeu — schwache,
aber immerhin Bedenken oder vielmehr Furcht vor den Folgen — bei dem Ge¬
danken, das Geld seines Prinzipals zu einer Wette zu verwenden. Während
er Motiv gegen Motiv abwog, wettete Smith nochmals, und zwar wählte er
zu Normans Verdruß wieder eine Karte, die so offenkundig die unrechte war,
daß Norman es für eine rechte Dummheit hielt, daß ein so kurzsichtiger Muu»
durchaus wetten müsse. Wollte doch Gott, daß ich hundert Dollars eignes Geld
hier hätte und — siehe da, Smith wettete von neuem. Diesmal aber befragte
er sich bei Norman, bevor er seine Wahl traf, und natürlich deckte er die rechte
Karte auf, wobei er die Bemerkung machte, daß er wollte, seine Augen wären
auch so scharf. Wenn er so gute Augen besäße, getraute er sich vor Schlafen¬
gehen seine baaren tausend Dollars zu gewinnen. Denn schlug er vor, Norman


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/54>, abgerufen am 09.06.2024.