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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Politische Briefe.

einheitlich gelenkt werden soll. Nur auf Kohle" ihres Reichtums, ihrer Beweg¬
lichkeit konnte die menschliche Produktion einheitlich gelenkt, das heißt auf den
Umfang einiger Köpfe reduzirt werden. Man braucht im Anblick dieser Wahr¬
heit keineswegs in den kosmopolitischen Atomismns der Freihaudelsschule zu
verfallen. Große Thätigkeitsgebiete der Menschheit, ohne welche die individuelle
Freiheit wieder in ihr Gegenteil versinkt, bedürfen des einheitlichen Impulses;
selbst gewisse Gebiete der materiellen Produktion und der mit ihr zusammen¬
hängenden Leistungen müssen als einheitliches Ganze organisirt werden. Aber
die Gesammtheit der Produktion kam? nie zur unmittelbaren Funktion eines wie
immer gedachten Ganzen erhoben werden. So bleibt es dabei, daß die indi¬
viduelle Kapitalproduktion innerhalb wechselnd gezogener Schranken eine Grund¬
bedingung der menschlichen Kultur bildet.

In dieser Wahrheit sind die politischen Parteien mit Ausnahme der So-
zialdemokraten einig. Aber sie sind uneinig in der Behandlung der einzelnen
Gestalten des individuellen Kapitalbesitzer Bei einem tiefgreifenden Gegensatz
gegenüber den Kapitalsformen sind sie gleichwohl augenblicklich einig, oder scheinen
es zu sein, in der Behandlung einer bestimmte,? Kapitnlsform.

Im Wesen des Kapitals, als des ersten wirtschaftlichen Prvduktiousmittels,
gleichsam des Urelementes der Produktion, liegt es, zu wachsen, indem jeder
zur Steigerung der Produktion verwendete Kraftüberschuß nicht blos auf die Er¬
weiterung der verbrauchenden Kraft, sondern auch der produzirenden gerichtet
wird. Es wächst also mit der Mnnnichfnltigkeit der Produktion die Mnnnich-
saltigkeit der Werte, sowohl der Gebrauchswerte als der wertbildenden Kräfte.
h- der Kapitalien. Damit wächst auch das Bedürfnis des bequemen und
Mischen Austausches der Werte unter einander, und dieses Bedürfnis führt zur
Erweiterung des Geldes und Kredites. Damit treten wieder neue Knpitalsformen
ans, es erscheint in großer Fülle und Mannichfaltigkeit das sogenannte beweg¬
liche Kapital. Der immer lebhaftere Austausch der Kapitalsformen ruft endlich
den regelmäßigen Kapitalsmarkt, die Börse, hervor. Der entwickelte Kredit, vor
allem der Staatskredit, aber auch der private, bringt eine Mannichfaltigkeit von
Titeln verzinslicher Schulden hervor und bringt sie auf den KVipitalsmarkt. Es
entsteht eine Form des geteilten Eigentums an gewinnbringenden Unternehmungen,
""d diese Eigentumstitel-Aktien finden sich ebenfalls auf dem Kapitalsmarkt ein.
dieser letztere erweist sich als ein gewaltiges Anregungsmittel der Produktion,
denn er gewährt die Möglichkeit dem Unternehmungsgeist, wie dem bloßen Spnr-
tneb, jeden erlangten und zuwachsenden Wert in die dem individuellen Bedürfnis
zusagendste Form umzutauschen. Hier treten aber nun auch die von jedem um¬
fangreichen sozialen Beruf unzertrennlichen Ausartungen auf. Wie auf jeden
Markt für irgend ein Gebiet von Waaren anch schlechte Waaren gebracht werden,
auch ans den Geld- und Kapitalsmarkt. Wie auf jedem Markt die Versuche
auftreten, die Preise zu drücken oder emporzuschnellen, so wird der Geld- und


Politische Briefe.

einheitlich gelenkt werden soll. Nur auf Kohle» ihres Reichtums, ihrer Beweg¬
lichkeit konnte die menschliche Produktion einheitlich gelenkt, das heißt auf den
Umfang einiger Köpfe reduzirt werden. Man braucht im Anblick dieser Wahr¬
heit keineswegs in den kosmopolitischen Atomismns der Freihaudelsschule zu
verfallen. Große Thätigkeitsgebiete der Menschheit, ohne welche die individuelle
Freiheit wieder in ihr Gegenteil versinkt, bedürfen des einheitlichen Impulses;
selbst gewisse Gebiete der materiellen Produktion und der mit ihr zusammen¬
hängenden Leistungen müssen als einheitliches Ganze organisirt werden. Aber
die Gesammtheit der Produktion kam? nie zur unmittelbaren Funktion eines wie
immer gedachten Ganzen erhoben werden. So bleibt es dabei, daß die indi¬
viduelle Kapitalproduktion innerhalb wechselnd gezogener Schranken eine Grund¬
bedingung der menschlichen Kultur bildet.

In dieser Wahrheit sind die politischen Parteien mit Ausnahme der So-
zialdemokraten einig. Aber sie sind uneinig in der Behandlung der einzelnen
Gestalten des individuellen Kapitalbesitzer Bei einem tiefgreifenden Gegensatz
gegenüber den Kapitalsformen sind sie gleichwohl augenblicklich einig, oder scheinen
es zu sein, in der Behandlung einer bestimmte,? Kapitnlsform.

Im Wesen des Kapitals, als des ersten wirtschaftlichen Prvduktiousmittels,
gleichsam des Urelementes der Produktion, liegt es, zu wachsen, indem jeder
zur Steigerung der Produktion verwendete Kraftüberschuß nicht blos auf die Er¬
weiterung der verbrauchenden Kraft, sondern auch der produzirenden gerichtet
wird. Es wächst also mit der Mnnnichfnltigkeit der Produktion die Mnnnich-
saltigkeit der Werte, sowohl der Gebrauchswerte als der wertbildenden Kräfte.
h- der Kapitalien. Damit wächst auch das Bedürfnis des bequemen und
Mischen Austausches der Werte unter einander, und dieses Bedürfnis führt zur
Erweiterung des Geldes und Kredites. Damit treten wieder neue Knpitalsformen
ans, es erscheint in großer Fülle und Mannichfaltigkeit das sogenannte beweg¬
liche Kapital. Der immer lebhaftere Austausch der Kapitalsformen ruft endlich
den regelmäßigen Kapitalsmarkt, die Börse, hervor. Der entwickelte Kredit, vor
allem der Staatskredit, aber auch der private, bringt eine Mannichfaltigkeit von
Titeln verzinslicher Schulden hervor und bringt sie auf den KVipitalsmarkt. Es
entsteht eine Form des geteilten Eigentums an gewinnbringenden Unternehmungen,
""d diese Eigentumstitel-Aktien finden sich ebenfalls auf dem Kapitalsmarkt ein.
dieser letztere erweist sich als ein gewaltiges Anregungsmittel der Produktion,
denn er gewährt die Möglichkeit dem Unternehmungsgeist, wie dem bloßen Spnr-
tneb, jeden erlangten und zuwachsenden Wert in die dem individuellen Bedürfnis
zusagendste Form umzutauschen. Hier treten aber nun auch die von jedem um¬
fangreichen sozialen Beruf unzertrennlichen Ausartungen auf. Wie auf jeden
Markt für irgend ein Gebiet von Waaren anch schlechte Waaren gebracht werden,
auch ans den Geld- und Kapitalsmarkt. Wie auf jedem Markt die Versuche
auftreten, die Preise zu drücken oder emporzuschnellen, so wird der Geld- und


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[0007] Politische Briefe. einheitlich gelenkt werden soll. Nur auf Kohle» ihres Reichtums, ihrer Beweg¬ lichkeit konnte die menschliche Produktion einheitlich gelenkt, das heißt auf den Umfang einiger Köpfe reduzirt werden. Man braucht im Anblick dieser Wahr¬ heit keineswegs in den kosmopolitischen Atomismns der Freihaudelsschule zu verfallen. Große Thätigkeitsgebiete der Menschheit, ohne welche die individuelle Freiheit wieder in ihr Gegenteil versinkt, bedürfen des einheitlichen Impulses; selbst gewisse Gebiete der materiellen Produktion und der mit ihr zusammen¬ hängenden Leistungen müssen als einheitliches Ganze organisirt werden. Aber die Gesammtheit der Produktion kam? nie zur unmittelbaren Funktion eines wie immer gedachten Ganzen erhoben werden. So bleibt es dabei, daß die indi¬ viduelle Kapitalproduktion innerhalb wechselnd gezogener Schranken eine Grund¬ bedingung der menschlichen Kultur bildet. In dieser Wahrheit sind die politischen Parteien mit Ausnahme der So- zialdemokraten einig. Aber sie sind uneinig in der Behandlung der einzelnen Gestalten des individuellen Kapitalbesitzer Bei einem tiefgreifenden Gegensatz gegenüber den Kapitalsformen sind sie gleichwohl augenblicklich einig, oder scheinen es zu sein, in der Behandlung einer bestimmte,? Kapitnlsform. Im Wesen des Kapitals, als des ersten wirtschaftlichen Prvduktiousmittels, gleichsam des Urelementes der Produktion, liegt es, zu wachsen, indem jeder zur Steigerung der Produktion verwendete Kraftüberschuß nicht blos auf die Er¬ weiterung der verbrauchenden Kraft, sondern auch der produzirenden gerichtet wird. Es wächst also mit der Mnnnichfnltigkeit der Produktion die Mnnnich- saltigkeit der Werte, sowohl der Gebrauchswerte als der wertbildenden Kräfte. h- der Kapitalien. Damit wächst auch das Bedürfnis des bequemen und Mischen Austausches der Werte unter einander, und dieses Bedürfnis führt zur Erweiterung des Geldes und Kredites. Damit treten wieder neue Knpitalsformen ans, es erscheint in großer Fülle und Mannichfaltigkeit das sogenannte beweg¬ liche Kapital. Der immer lebhaftere Austausch der Kapitalsformen ruft endlich den regelmäßigen Kapitalsmarkt, die Börse, hervor. Der entwickelte Kredit, vor allem der Staatskredit, aber auch der private, bringt eine Mannichfaltigkeit von Titeln verzinslicher Schulden hervor und bringt sie auf den KVipitalsmarkt. Es entsteht eine Form des geteilten Eigentums an gewinnbringenden Unternehmungen, ""d diese Eigentumstitel-Aktien finden sich ebenfalls auf dem Kapitalsmarkt ein. dieser letztere erweist sich als ein gewaltiges Anregungsmittel der Produktion, denn er gewährt die Möglichkeit dem Unternehmungsgeist, wie dem bloßen Spnr- tneb, jeden erlangten und zuwachsenden Wert in die dem individuellen Bedürfnis zusagendste Form umzutauschen. Hier treten aber nun auch die von jedem um¬ fangreichen sozialen Beruf unzertrennlichen Ausartungen auf. Wie auf jeden Markt für irgend ein Gebiet von Waaren anch schlechte Waaren gebracht werden, auch ans den Geld- und Kapitalsmarkt. Wie auf jedem Markt die Versuche auftreten, die Preise zu drücken oder emporzuschnellen, so wird der Geld- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/7>, abgerufen am 26.05.2024.