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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Politische Briefe.

Kapitalsinarkt die klassische Stätte für ein solches Treiben. Als Zwischenhändler
des KapitnlsmnrkteS erscheint der vielberufene Spekulant, der auf die Schwan¬
kungen der Preise ein in raschem Tempo betriebenes, oft nur scheinbares Ein¬
kaufs- und Verknufsgeschäft aufbaut, das alsbald zum verwegenen Spiel ent¬
artet. So hat die Börse nunmehr ihre Feinde, von denen die einen sie aus
der Welt schaffen möchten, die andern oft recht ungeschickte Mittel ersinnen, ihre
Ausartungen zu hemmen.

Es sind aber keineswegs bloß die unmittelbaren Ausartungen der Börse,
welche dem beweglichen Kapital Feinde schaffen. Das Bedürfnis der Börse,
hohe Preise für verkäufliche Werte zu erzielen, überträgt sich naturgemäß von
den Werttiteln, die man hoch im Preise zu treiben sucht, ans die Wertkräfte.
Es kommt alles darauf an, daß ein Unternehmen, ein Besitztum rasch hohen
Gewinn abwirft. Dies führt zur Schaffung und Ausnutzung günstiger Kon-
junkturen ohne Rücksicht auf Dauer, und dies führt weiter zu einer rücksichtslosen
Anziehung menschlicher Arbeitskraft, die zur Waare degradirt wird, zu einer
Verschlechterung des immer mehr nnr auf kurze Erfolge berechneten Betriebes,
von der auch der solide Betrieb einen Teil auf sich nehmen muß, um sich über¬
haupt halten zu können. So erweckt sich das bewegliche Kapital eine neue Zahl
von Feinden, die zahlreicher sind als der kleinere Kreis, der die Schädigungen
des Börsentreibens zu fühlen bekommt.

In der Natur des beweglichen Kapitals und in der rücksichtslose" Ver¬
wendung desselben liegt nun aber auch, daß es den Kreis seiner Operationen
immer weiter ausdehnt. Immer zahlreicher werde" die Objekte, deuen es seine
heilbringende Kraft, aber auch die zerstörende Kraft seiner entarteten Benutzung
zuzuwenden geneigt und befähigt ist. Es zieht endlich anch den landwirtschaft¬
lichen Betrieb in seine Kreise, und nun sieht sich der Stand der Grundbesitzer
vou ihm bedroht, und zwar nicht bloß in der Erhaltung des Besitzes bei einzelnen
Familien, die sich darin Generationen hindurch behauptet hatten, sondern in der
ganzen heilbringenden Möglichkeit eines durch Generationsfolgen hindurch er¬
haltenen Bandes zwischen dem allernährenden Boden und einem Kreis mit deu
ehrwürdigsten Traditionen des Vaterlandes verwachsener Familien.

So entsteht ein sozialer Gegensatz, ein Klassenkampf, wenn mau will, zwei¬
facher Art gegen das bewegliche Kapital und die mit seiner Produktion und
Ausbeutung im guten nud im schlimmen beschäftigte Klasse von Unternehmern
und Zlvischenhändleru.

Zugleich entstehen über das Wesen des Kapitals vielfach irrige Bvrsiellnngen.
Die Menge der Schnldtitcl und Eigentnmstitel, in denen sich das bewegliche
Kapital präsentirt, erzengen die Vorstellung, daß das Kapital seinein Wesen
nach ein fertiges, teilbares Objekt sei, und daß es Inhaber solcher Objekte in
Masse gebe, und daß das die Kapitalisten seien. In der That trägt, wie wir
gesehen haben, die Transformation so vielfacher Elemente des lebendigen Kapitals


Politische Briefe.

Kapitalsinarkt die klassische Stätte für ein solches Treiben. Als Zwischenhändler
des KapitnlsmnrkteS erscheint der vielberufene Spekulant, der auf die Schwan¬
kungen der Preise ein in raschem Tempo betriebenes, oft nur scheinbares Ein¬
kaufs- und Verknufsgeschäft aufbaut, das alsbald zum verwegenen Spiel ent¬
artet. So hat die Börse nunmehr ihre Feinde, von denen die einen sie aus
der Welt schaffen möchten, die andern oft recht ungeschickte Mittel ersinnen, ihre
Ausartungen zu hemmen.

Es sind aber keineswegs bloß die unmittelbaren Ausartungen der Börse,
welche dem beweglichen Kapital Feinde schaffen. Das Bedürfnis der Börse,
hohe Preise für verkäufliche Werte zu erzielen, überträgt sich naturgemäß von
den Werttiteln, die man hoch im Preise zu treiben sucht, ans die Wertkräfte.
Es kommt alles darauf an, daß ein Unternehmen, ein Besitztum rasch hohen
Gewinn abwirft. Dies führt zur Schaffung und Ausnutzung günstiger Kon-
junkturen ohne Rücksicht auf Dauer, und dies führt weiter zu einer rücksichtslosen
Anziehung menschlicher Arbeitskraft, die zur Waare degradirt wird, zu einer
Verschlechterung des immer mehr nnr auf kurze Erfolge berechneten Betriebes,
von der auch der solide Betrieb einen Teil auf sich nehmen muß, um sich über¬
haupt halten zu können. So erweckt sich das bewegliche Kapital eine neue Zahl
von Feinden, die zahlreicher sind als der kleinere Kreis, der die Schädigungen
des Börsentreibens zu fühlen bekommt.

In der Natur des beweglichen Kapitals und in der rücksichtslose« Ver¬
wendung desselben liegt nun aber auch, daß es den Kreis seiner Operationen
immer weiter ausdehnt. Immer zahlreicher werde» die Objekte, deuen es seine
heilbringende Kraft, aber auch die zerstörende Kraft seiner entarteten Benutzung
zuzuwenden geneigt und befähigt ist. Es zieht endlich anch den landwirtschaft¬
lichen Betrieb in seine Kreise, und nun sieht sich der Stand der Grundbesitzer
vou ihm bedroht, und zwar nicht bloß in der Erhaltung des Besitzes bei einzelnen
Familien, die sich darin Generationen hindurch behauptet hatten, sondern in der
ganzen heilbringenden Möglichkeit eines durch Generationsfolgen hindurch er¬
haltenen Bandes zwischen dem allernährenden Boden und einem Kreis mit deu
ehrwürdigsten Traditionen des Vaterlandes verwachsener Familien.

So entsteht ein sozialer Gegensatz, ein Klassenkampf, wenn mau will, zwei¬
facher Art gegen das bewegliche Kapital und die mit seiner Produktion und
Ausbeutung im guten nud im schlimmen beschäftigte Klasse von Unternehmern
und Zlvischenhändleru.

Zugleich entstehen über das Wesen des Kapitals vielfach irrige Bvrsiellnngen.
Die Menge der Schnldtitcl und Eigentnmstitel, in denen sich das bewegliche
Kapital präsentirt, erzengen die Vorstellung, daß das Kapital seinein Wesen
nach ein fertiges, teilbares Objekt sei, und daß es Inhaber solcher Objekte in
Masse gebe, und daß das die Kapitalisten seien. In der That trägt, wie wir
gesehen haben, die Transformation so vielfacher Elemente des lebendigen Kapitals


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[0008] Politische Briefe. Kapitalsinarkt die klassische Stätte für ein solches Treiben. Als Zwischenhändler des KapitnlsmnrkteS erscheint der vielberufene Spekulant, der auf die Schwan¬ kungen der Preise ein in raschem Tempo betriebenes, oft nur scheinbares Ein¬ kaufs- und Verknufsgeschäft aufbaut, das alsbald zum verwegenen Spiel ent¬ artet. So hat die Börse nunmehr ihre Feinde, von denen die einen sie aus der Welt schaffen möchten, die andern oft recht ungeschickte Mittel ersinnen, ihre Ausartungen zu hemmen. Es sind aber keineswegs bloß die unmittelbaren Ausartungen der Börse, welche dem beweglichen Kapital Feinde schaffen. Das Bedürfnis der Börse, hohe Preise für verkäufliche Werte zu erzielen, überträgt sich naturgemäß von den Werttiteln, die man hoch im Preise zu treiben sucht, ans die Wertkräfte. Es kommt alles darauf an, daß ein Unternehmen, ein Besitztum rasch hohen Gewinn abwirft. Dies führt zur Schaffung und Ausnutzung günstiger Kon- junkturen ohne Rücksicht auf Dauer, und dies führt weiter zu einer rücksichtslosen Anziehung menschlicher Arbeitskraft, die zur Waare degradirt wird, zu einer Verschlechterung des immer mehr nnr auf kurze Erfolge berechneten Betriebes, von der auch der solide Betrieb einen Teil auf sich nehmen muß, um sich über¬ haupt halten zu können. So erweckt sich das bewegliche Kapital eine neue Zahl von Feinden, die zahlreicher sind als der kleinere Kreis, der die Schädigungen des Börsentreibens zu fühlen bekommt. In der Natur des beweglichen Kapitals und in der rücksichtslose« Ver¬ wendung desselben liegt nun aber auch, daß es den Kreis seiner Operationen immer weiter ausdehnt. Immer zahlreicher werde» die Objekte, deuen es seine heilbringende Kraft, aber auch die zerstörende Kraft seiner entarteten Benutzung zuzuwenden geneigt und befähigt ist. Es zieht endlich anch den landwirtschaft¬ lichen Betrieb in seine Kreise, und nun sieht sich der Stand der Grundbesitzer vou ihm bedroht, und zwar nicht bloß in der Erhaltung des Besitzes bei einzelnen Familien, die sich darin Generationen hindurch behauptet hatten, sondern in der ganzen heilbringenden Möglichkeit eines durch Generationsfolgen hindurch er¬ haltenen Bandes zwischen dem allernährenden Boden und einem Kreis mit deu ehrwürdigsten Traditionen des Vaterlandes verwachsener Familien. So entsteht ein sozialer Gegensatz, ein Klassenkampf, wenn mau will, zwei¬ facher Art gegen das bewegliche Kapital und die mit seiner Produktion und Ausbeutung im guten nud im schlimmen beschäftigte Klasse von Unternehmern und Zlvischenhändleru. Zugleich entstehen über das Wesen des Kapitals vielfach irrige Bvrsiellnngen. Die Menge der Schnldtitcl und Eigentnmstitel, in denen sich das bewegliche Kapital präsentirt, erzengen die Vorstellung, daß das Kapital seinein Wesen nach ein fertiges, teilbares Objekt sei, und daß es Inhaber solcher Objekte in Masse gebe, und daß das die Kapitalisten seien. In der That trägt, wie wir gesehen haben, die Transformation so vielfacher Elemente des lebendigen Kapitals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/8>, abgerufen am 26.05.2024.