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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Bataillon des fünften Pariser Arrondissements schon am 13. Juni dieses Jahres
völlig formirt, eingekleidet und bewaffnet erschienen zu sein, um bei Gelegenheit der
Einweihung des Ilütvl av vitio vor dem Kriegsminister in höchsteigener Person zu
defiliren. Das wiirde dem Anfange einer regelmäßigen Durchführung der oben
skizzirten Anordnung gleichkommen, da dieses Bataillon in der Stärke von 640
Knaben in 4 Kompanien gewissermaßen als Lehrbataillon für die nach und nach
zu errichtenden übrigen Abteilungen zuerst aufgestellt werden sollte. Am 7. Juli
hat dann im ^vo.rim1 oküoiel ein Dekret des Präsidenten der Republik mit den
gemeinschaftlichen Ansführnngsbestimmungen der Minister des Unterrichts, des
Krieges und des Innern diese Verhältnisse festgestellt und geregelt. Darnach
kann jede Elemeutar- oder Mittelschule, welche 200--600 Schüler im Alter vou
mindestens zwölf Jahren zählt, anf Grund der Ermächtigung des Präfekten ein
Schnlbntaillon bilden, welches aus vier Kompcmien zu mindestens 60 Knaben
zu bestehen hat. Von der Regierung ernannte Ober- und Hilfsinstruktvren leiten
die Übungen des Bataillons, denen mindestens ein Lehrer der Anstalt beizu¬
wohnen hat. Knaben, welche vom Arzt für nicht tauglich erklärt werden, dürfen
zum Eintritt in das Knabeubataillon nicht zugelassen werden. Die Anfertigung
des vom Kriegsminister vorgeschriebenen Gewehrs, welches sich in seiner Kon¬
struktion wesentlich dem bisher bereits in den höhern Schulen von Paris und
auf dem Prhtaueum von La Flüche gebräuchlichen anschließt, ist der Privat¬
industrie überlassen. Es soll nicht zu schwer sein, muß den Mechanismus des
in der Armee eingeführten Kriegsgewehres enthalten und zur Anschauung bringen,
darf aber nicht Feuer geben können. Die Gewehre werden in der Anstalt ver¬
wahrt, und uur Zöglinge über vierzehn Jahre können Unterricht im Schießen
nach der Scheibe erhalten.

Während somit in Frankreich die Weiterentwicklung des Systems der Knnben-
bataillvue uur Sache der Zeit ist, scheint man sich auch in Pest mit der Idee
ihrer Einführung an den Mittelschulen zu tragen. Die Tagesblütter berichte",
daß noch in diesem Herbst ein darauf bezüglicher Antrag im Reichstage einge¬
bracht werden solle, und wie mau von dieser Maßregel die Wiedererweckung
des kriegerischen Geistes der Nation erhofft, so soll dieselbe auch partikularistisch-
magyarischen Tendenzen dienen. Manche der während der Schulzeit zu Sol¬
daten vorgebildeten jungen Männer -- so wird argumentire -- würden nach
Absolvirung der Offiziersprüfung sich ganz dem Militärstande widmen, und dies
erscheine umso wünschenswerter, als Ungarn wohl 400 000 Soldaten, aber
kein nationales Offizierkorps habe. Da die Errichtung der Schulbataillaue keine
gemeinsame Angelegenheit sei, so habe Ungarn in dieser Beziehung freie Hand
und branche keine Einsprache Österreichs zu besorgen, wie etwa bei der Frage
einer ungarischen Militärakademie. Es ist leicht zu erkennen, daß derartige Vor¬
schläge und Wünsche sich abermals, wie fast alle Handlungen der ungarischen
Regierung und der magyarischen sogenannten Patrioten, bewußt oder unbewußt


Bataillon des fünften Pariser Arrondissements schon am 13. Juni dieses Jahres
völlig formirt, eingekleidet und bewaffnet erschienen zu sein, um bei Gelegenheit der
Einweihung des Ilütvl av vitio vor dem Kriegsminister in höchsteigener Person zu
defiliren. Das wiirde dem Anfange einer regelmäßigen Durchführung der oben
skizzirten Anordnung gleichkommen, da dieses Bataillon in der Stärke von 640
Knaben in 4 Kompanien gewissermaßen als Lehrbataillon für die nach und nach
zu errichtenden übrigen Abteilungen zuerst aufgestellt werden sollte. Am 7. Juli
hat dann im ^vo.rim1 oküoiel ein Dekret des Präsidenten der Republik mit den
gemeinschaftlichen Ansführnngsbestimmungen der Minister des Unterrichts, des
Krieges und des Innern diese Verhältnisse festgestellt und geregelt. Darnach
kann jede Elemeutar- oder Mittelschule, welche 200—600 Schüler im Alter vou
mindestens zwölf Jahren zählt, anf Grund der Ermächtigung des Präfekten ein
Schnlbntaillon bilden, welches aus vier Kompcmien zu mindestens 60 Knaben
zu bestehen hat. Von der Regierung ernannte Ober- und Hilfsinstruktvren leiten
die Übungen des Bataillons, denen mindestens ein Lehrer der Anstalt beizu¬
wohnen hat. Knaben, welche vom Arzt für nicht tauglich erklärt werden, dürfen
zum Eintritt in das Knabeubataillon nicht zugelassen werden. Die Anfertigung
des vom Kriegsminister vorgeschriebenen Gewehrs, welches sich in seiner Kon¬
struktion wesentlich dem bisher bereits in den höhern Schulen von Paris und
auf dem Prhtaueum von La Flüche gebräuchlichen anschließt, ist der Privat¬
industrie überlassen. Es soll nicht zu schwer sein, muß den Mechanismus des
in der Armee eingeführten Kriegsgewehres enthalten und zur Anschauung bringen,
darf aber nicht Feuer geben können. Die Gewehre werden in der Anstalt ver¬
wahrt, und uur Zöglinge über vierzehn Jahre können Unterricht im Schießen
nach der Scheibe erhalten.

Während somit in Frankreich die Weiterentwicklung des Systems der Knnben-
bataillvue uur Sache der Zeit ist, scheint man sich auch in Pest mit der Idee
ihrer Einführung an den Mittelschulen zu tragen. Die Tagesblütter berichte«,
daß noch in diesem Herbst ein darauf bezüglicher Antrag im Reichstage einge¬
bracht werden solle, und wie mau von dieser Maßregel die Wiedererweckung
des kriegerischen Geistes der Nation erhofft, so soll dieselbe auch partikularistisch-
magyarischen Tendenzen dienen. Manche der während der Schulzeit zu Sol¬
daten vorgebildeten jungen Männer — so wird argumentire — würden nach
Absolvirung der Offiziersprüfung sich ganz dem Militärstande widmen, und dies
erscheine umso wünschenswerter, als Ungarn wohl 400 000 Soldaten, aber
kein nationales Offizierkorps habe. Da die Errichtung der Schulbataillaue keine
gemeinsame Angelegenheit sei, so habe Ungarn in dieser Beziehung freie Hand
und branche keine Einsprache Österreichs zu besorgen, wie etwa bei der Frage
einer ungarischen Militärakademie. Es ist leicht zu erkennen, daß derartige Vor¬
schläge und Wünsche sich abermals, wie fast alle Handlungen der ungarischen
Regierung und der magyarischen sogenannten Patrioten, bewußt oder unbewußt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/70>, abgerufen am 10.06.2024.