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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Erziehung der deutschen Jugend zur tVehrhaftigkeit.

tärischer Übungen in den Schulen, bis im Jahre 1879 General Trochu in
seinem Buche über die französische Armee mit bestimmten Forderungen in dieser
Richtung hervortrat und später Oberst Desprels in einem "Lehren des Krieges"
betitelten Werke sich ihm anschloß. Darauf forderte der Kriegsminister. General
Favre, in den letzten Monaten des Jahres 1830 die Offiziere der Armee in
Anlehnung an die Trochu'schen Vorschläge zum Entwurf eines Handbuches für
den Unterricht der Jugend nach den von ihm selbst gegebenen leitenden Gesichts¬
punkten auf. Die Behandlung sollte sich auf die rein militärischen Dinge, aber
auch ans die Lehre von der Vaterlandsliebe, den Soldatentugenden, den Soldaten-
Pflichten und selbst den Pflichten des Staatsbärgers erstrecken. Nach dem Rück¬
tritt des Generals Favre nahm der Unterrichtsminister Berl des Ministeriums
Gambetta die Leitung dieser Pläne energisch in die Hand. Nach seinen Ver¬
fügungen soll in allen staatlichen Schulen und den in Frankreich üblichen
Pensionaten und Internaten der militärische Unterricht eingeführt werden, derart,
daß die höheren Schulen aus ihren Zöglingen Bataillone, welche ihren Namen
nach militärischen Berühmtheiten führen, die kleineren Kompanien, Pelotons
oder Sektionen bilden. Die Kompanie stellt gewissermaßen die Grundeinheit
dar und wird nach denselben Grundsätzen wie eine Kompanie der Armee or-
ganisirt. Die sämmtlichen so gebildeten Körper werden militärisch gekleidet, ein¬
geteilt und ausgebildet, zu welchem Zwecke pensionirte Offiziere oder Unteroffiziere
der Armee oder der Territorialarmee den Unterricht im Reiten, Fechten, Turnen,
Exerzieren, der Handhabung des Gewehrs und in einfachen Gefechtsübungen
übernehmen, während die Kenntnis der militärischen Einrichtungen des Heimat¬
landes, der Reglements und sonstigen Vorschriften dem Knaben die Erlernung
des praktischen Dienstes als Soldat erleichtern und die ganze Erziehung den
Mut, die Vaterlandsliebe und alle guten moralischen Eigenschaften wecken und
kräftigen soll. Besonders vom Unterrichtsminister ernannte Kommisstonen haben
Vorschriften über die Ausdehnung der so geforderten Unterrichtsfächer und ihre
Einfügung in den allgemeinen Lehrplan entworfen, und bereits vor zwei Jahren
hat Kapitän Solard in seinem Lehrbuche 1/een.lisr fötale, die Anleitung für
den eigentlich militärischen Unterricht gegeben. Erscheinen schon alle die ge¬
nannten Anordnungen mehr oder weniger stark politisch angehaucht, so tritt der
tendenziöse Charakter des erwähnten Buches noch weniger verschleiert zu Tage
insbesondre in einem Titelgedichte, dessen Verfasser Paul Deroulöde jüngst
wieder in der Angelegenheit der deutscheu Turner in Paris viel von sich reden
gemacht hat.

Es entzieht sich im Augenblicke unsrer eingehenden Kenntnis, wie weit die
Organisation bereits als durchgeführt zu betrachten ist. Die Zeitungen berichten
nur hie und da über Schülerparaden, welche dieser oder jener Minister mit
dem unvermeidlichen Hinweis ans die Gloire und dem Ausdruck der Bewun¬
derung für die vortreffliche Haltung abgenommen hat, und jedenfalls scheint das


Grenzboten IV. 1882. i)
Die Erziehung der deutschen Jugend zur tVehrhaftigkeit.

tärischer Übungen in den Schulen, bis im Jahre 1879 General Trochu in
seinem Buche über die französische Armee mit bestimmten Forderungen in dieser
Richtung hervortrat und später Oberst Desprels in einem „Lehren des Krieges"
betitelten Werke sich ihm anschloß. Darauf forderte der Kriegsminister. General
Favre, in den letzten Monaten des Jahres 1830 die Offiziere der Armee in
Anlehnung an die Trochu'schen Vorschläge zum Entwurf eines Handbuches für
den Unterricht der Jugend nach den von ihm selbst gegebenen leitenden Gesichts¬
punkten auf. Die Behandlung sollte sich auf die rein militärischen Dinge, aber
auch ans die Lehre von der Vaterlandsliebe, den Soldatentugenden, den Soldaten-
Pflichten und selbst den Pflichten des Staatsbärgers erstrecken. Nach dem Rück¬
tritt des Generals Favre nahm der Unterrichtsminister Berl des Ministeriums
Gambetta die Leitung dieser Pläne energisch in die Hand. Nach seinen Ver¬
fügungen soll in allen staatlichen Schulen und den in Frankreich üblichen
Pensionaten und Internaten der militärische Unterricht eingeführt werden, derart,
daß die höheren Schulen aus ihren Zöglingen Bataillone, welche ihren Namen
nach militärischen Berühmtheiten führen, die kleineren Kompanien, Pelotons
oder Sektionen bilden. Die Kompanie stellt gewissermaßen die Grundeinheit
dar und wird nach denselben Grundsätzen wie eine Kompanie der Armee or-
ganisirt. Die sämmtlichen so gebildeten Körper werden militärisch gekleidet, ein¬
geteilt und ausgebildet, zu welchem Zwecke pensionirte Offiziere oder Unteroffiziere
der Armee oder der Territorialarmee den Unterricht im Reiten, Fechten, Turnen,
Exerzieren, der Handhabung des Gewehrs und in einfachen Gefechtsübungen
übernehmen, während die Kenntnis der militärischen Einrichtungen des Heimat¬
landes, der Reglements und sonstigen Vorschriften dem Knaben die Erlernung
des praktischen Dienstes als Soldat erleichtern und die ganze Erziehung den
Mut, die Vaterlandsliebe und alle guten moralischen Eigenschaften wecken und
kräftigen soll. Besonders vom Unterrichtsminister ernannte Kommisstonen haben
Vorschriften über die Ausdehnung der so geforderten Unterrichtsfächer und ihre
Einfügung in den allgemeinen Lehrplan entworfen, und bereits vor zwei Jahren
hat Kapitän Solard in seinem Lehrbuche 1/een.lisr fötale, die Anleitung für
den eigentlich militärischen Unterricht gegeben. Erscheinen schon alle die ge¬
nannten Anordnungen mehr oder weniger stark politisch angehaucht, so tritt der
tendenziöse Charakter des erwähnten Buches noch weniger verschleiert zu Tage
insbesondre in einem Titelgedichte, dessen Verfasser Paul Deroulöde jüngst
wieder in der Angelegenheit der deutscheu Turner in Paris viel von sich reden
gemacht hat.

Es entzieht sich im Augenblicke unsrer eingehenden Kenntnis, wie weit die
Organisation bereits als durchgeführt zu betrachten ist. Die Zeitungen berichten
nur hie und da über Schülerparaden, welche dieser oder jener Minister mit
dem unvermeidlichen Hinweis ans die Gloire und dem Ausdruck der Bewun¬
derung für die vortreffliche Haltung abgenommen hat, und jedenfalls scheint das


Grenzboten IV. 1882. i)
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[0069] Die Erziehung der deutschen Jugend zur tVehrhaftigkeit. tärischer Übungen in den Schulen, bis im Jahre 1879 General Trochu in seinem Buche über die französische Armee mit bestimmten Forderungen in dieser Richtung hervortrat und später Oberst Desprels in einem „Lehren des Krieges" betitelten Werke sich ihm anschloß. Darauf forderte der Kriegsminister. General Favre, in den letzten Monaten des Jahres 1830 die Offiziere der Armee in Anlehnung an die Trochu'schen Vorschläge zum Entwurf eines Handbuches für den Unterricht der Jugend nach den von ihm selbst gegebenen leitenden Gesichts¬ punkten auf. Die Behandlung sollte sich auf die rein militärischen Dinge, aber auch ans die Lehre von der Vaterlandsliebe, den Soldatentugenden, den Soldaten- Pflichten und selbst den Pflichten des Staatsbärgers erstrecken. Nach dem Rück¬ tritt des Generals Favre nahm der Unterrichtsminister Berl des Ministeriums Gambetta die Leitung dieser Pläne energisch in die Hand. Nach seinen Ver¬ fügungen soll in allen staatlichen Schulen und den in Frankreich üblichen Pensionaten und Internaten der militärische Unterricht eingeführt werden, derart, daß die höheren Schulen aus ihren Zöglingen Bataillone, welche ihren Namen nach militärischen Berühmtheiten führen, die kleineren Kompanien, Pelotons oder Sektionen bilden. Die Kompanie stellt gewissermaßen die Grundeinheit dar und wird nach denselben Grundsätzen wie eine Kompanie der Armee or- ganisirt. Die sämmtlichen so gebildeten Körper werden militärisch gekleidet, ein¬ geteilt und ausgebildet, zu welchem Zwecke pensionirte Offiziere oder Unteroffiziere der Armee oder der Territorialarmee den Unterricht im Reiten, Fechten, Turnen, Exerzieren, der Handhabung des Gewehrs und in einfachen Gefechtsübungen übernehmen, während die Kenntnis der militärischen Einrichtungen des Heimat¬ landes, der Reglements und sonstigen Vorschriften dem Knaben die Erlernung des praktischen Dienstes als Soldat erleichtern und die ganze Erziehung den Mut, die Vaterlandsliebe und alle guten moralischen Eigenschaften wecken und kräftigen soll. Besonders vom Unterrichtsminister ernannte Kommisstonen haben Vorschriften über die Ausdehnung der so geforderten Unterrichtsfächer und ihre Einfügung in den allgemeinen Lehrplan entworfen, und bereits vor zwei Jahren hat Kapitän Solard in seinem Lehrbuche 1/een.lisr fötale, die Anleitung für den eigentlich militärischen Unterricht gegeben. Erscheinen schon alle die ge¬ nannten Anordnungen mehr oder weniger stark politisch angehaucht, so tritt der tendenziöse Charakter des erwähnten Buches noch weniger verschleiert zu Tage insbesondre in einem Titelgedichte, dessen Verfasser Paul Deroulöde jüngst wieder in der Angelegenheit der deutscheu Turner in Paris viel von sich reden gemacht hat. Es entzieht sich im Augenblicke unsrer eingehenden Kenntnis, wie weit die Organisation bereits als durchgeführt zu betrachten ist. Die Zeitungen berichten nur hie und da über Schülerparaden, welche dieser oder jener Minister mit dem unvermeidlichen Hinweis ans die Gloire und dem Ausdruck der Bewun¬ derung für die vortreffliche Haltung abgenommen hat, und jedenfalls scheint das Grenzboten IV. 1882. i)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/69>, abgerufen am 10.06.2024.