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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die österreichischen Uiipouprocesse,

Die Lemberg-Czernowitzer Obligationen haben den Wortlaut: Schuld¬
verschreibung über 300 Gulden ö, W, Silber, oder 30 Pfund Sterling, oder
750 Fmnes, oder 200 Thaler, oder 330 Gulden stett. Wahr., oder 353 Gulden
holländisch. Auf den Kupons steht: Interessen-Kupon über si. 7,50 ö. W.
Silber, oder 15 englische Schilling, oder 18 Frnnes 75 Ces., oder 5 Thaler
Vereinsmnnzc, oder si. 6,45 kr. fübt. Währung, oder si. 8,82^ Ces. holländisch,
zahlbar.....in Wien, Lemberg, London, Paris, Berlin, Frankfurt a. M.,
Amsterdam, Bukarest. Auch die österreichischen Gerichte müßten hier also die
Summe von 30 Pfund, bez. 15 Schilling als Zusage auffassen, weil das Wort
"oder" gebraucht ist, nicht das Wort "gleich". Die Lemberg-Czernowitzer Eisen¬
bahngesellschaft aber muß sich bei allem vielleicht vorhandenen guten Willen
dagegen spreizen, die Beträge in London unverkürzt auszuzahlen, weil sonst die
ganze Masse der Obligationen sehr bald nach London wandern würde, um dort
Zinsen und Kapital besser zu realisiren, als dies an einem andern Platze möglich
sein würde. Teils würden die Obligationen an englische Kapitalisten verkauft,
teils würden sie nur dorthin zur Erhebung gebracht werden; beides würde einer
starken Belastung der Gesellschaft gleichkommen. Wirtschaftliche Gründe fehle"
gewiß nicht für das jetzige Vorgehen der Bahn, gänzlich unbekümmert um
ihre eigene Goldzusage auch in London nur das jeweilige Äquivalent ihrer
Silberzusagen zur Auszahlung gelangen zu lassen. Dennoch enthalten sie die
gröblichste Beeinträchtigung der wahren und wirklichen englischen Gläubiger, die
mit vollem Rechte fordern dürfen, von den Konsequenzen der Änderung des
deutscheu Währuugssystems unberührt und von den Streitigkeiten der Deutschen
und Österreicher unter einander unbehelligt zu bleiben.

Eine eigentümliche Stellung nimmt die Klage gegen die Kaiserin-Elisabeth¬
bahn ein. Hier handelt sich's nämlich nicht um ältere Obligationen, sondern
um nicht vor dem Herbst 1873 emittirte. Die Schuldverschreibungen sind zwar
von l. Januar 1873 datirt; aber der erste mit ihnen ausgegebene Kupon lautete
auf den 1. April 1874, und unbestritten ist die Emission frühestens im Herbst
1873 erfolgt. Damals aber war das deutsche Münzgesctz vom 9. Juli 1873
längst publicirt, und wenn auch der Eintritt der Reichsgoldwährnug noch vertagt
war, so verkündete doch bereits Artikel 14 des Gesetzes, wie es nach ihrem Ein¬
tritt mit der Anrechnung der bis dahin in Landeswährung zu erlegenden Zahl¬
ungen in Deutschland gehalten werden sollte. Wenn also die Bahngescllschaft
erst jetzt ihre Schuldverschreibungen auf deu deutschen Markt brachte und die oft
erwähnte Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen in deutscher Währung und an
deutschen Plätzen ans einen Zeitraum bis zu neunzig Jahren aus sich nahm, so
kann es uicht zweifelhaft sei", daß sie diese Geldschuld in Kenntnis der gesetzlichen
Umrechuuugsuorm und in Unterwerfung unter dieselbe kontrahirt hat. So hat das
deutsche Neichöoberhaudelsgcricht entschieden, dem most beizupflichten ist. Auch
Better giebt zu, daß -- die Nichtigkeit der letzten thatsächlichen Behauptung


Die österreichischen Uiipouprocesse,

Die Lemberg-Czernowitzer Obligationen haben den Wortlaut: Schuld¬
verschreibung über 300 Gulden ö, W, Silber, oder 30 Pfund Sterling, oder
750 Fmnes, oder 200 Thaler, oder 330 Gulden stett. Wahr., oder 353 Gulden
holländisch. Auf den Kupons steht: Interessen-Kupon über si. 7,50 ö. W.
Silber, oder 15 englische Schilling, oder 18 Frnnes 75 Ces., oder 5 Thaler
Vereinsmnnzc, oder si. 6,45 kr. fübt. Währung, oder si. 8,82^ Ces. holländisch,
zahlbar.....in Wien, Lemberg, London, Paris, Berlin, Frankfurt a. M.,
Amsterdam, Bukarest. Auch die österreichischen Gerichte müßten hier also die
Summe von 30 Pfund, bez. 15 Schilling als Zusage auffassen, weil das Wort
„oder" gebraucht ist, nicht das Wort „gleich". Die Lemberg-Czernowitzer Eisen¬
bahngesellschaft aber muß sich bei allem vielleicht vorhandenen guten Willen
dagegen spreizen, die Beträge in London unverkürzt auszuzahlen, weil sonst die
ganze Masse der Obligationen sehr bald nach London wandern würde, um dort
Zinsen und Kapital besser zu realisiren, als dies an einem andern Platze möglich
sein würde. Teils würden die Obligationen an englische Kapitalisten verkauft,
teils würden sie nur dorthin zur Erhebung gebracht werden; beides würde einer
starken Belastung der Gesellschaft gleichkommen. Wirtschaftliche Gründe fehle»
gewiß nicht für das jetzige Vorgehen der Bahn, gänzlich unbekümmert um
ihre eigene Goldzusage auch in London nur das jeweilige Äquivalent ihrer
Silberzusagen zur Auszahlung gelangen zu lassen. Dennoch enthalten sie die
gröblichste Beeinträchtigung der wahren und wirklichen englischen Gläubiger, die
mit vollem Rechte fordern dürfen, von den Konsequenzen der Änderung des
deutscheu Währuugssystems unberührt und von den Streitigkeiten der Deutschen
und Österreicher unter einander unbehelligt zu bleiben.

Eine eigentümliche Stellung nimmt die Klage gegen die Kaiserin-Elisabeth¬
bahn ein. Hier handelt sich's nämlich nicht um ältere Obligationen, sondern
um nicht vor dem Herbst 1873 emittirte. Die Schuldverschreibungen sind zwar
von l. Januar 1873 datirt; aber der erste mit ihnen ausgegebene Kupon lautete
auf den 1. April 1874, und unbestritten ist die Emission frühestens im Herbst
1873 erfolgt. Damals aber war das deutsche Münzgesctz vom 9. Juli 1873
längst publicirt, und wenn auch der Eintritt der Reichsgoldwährnug noch vertagt
war, so verkündete doch bereits Artikel 14 des Gesetzes, wie es nach ihrem Ein¬
tritt mit der Anrechnung der bis dahin in Landeswährung zu erlegenden Zahl¬
ungen in Deutschland gehalten werden sollte. Wenn also die Bahngescllschaft
erst jetzt ihre Schuldverschreibungen auf deu deutschen Markt brachte und die oft
erwähnte Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen in deutscher Währung und an
deutschen Plätzen ans einen Zeitraum bis zu neunzig Jahren aus sich nahm, so
kann es uicht zweifelhaft sei», daß sie diese Geldschuld in Kenntnis der gesetzlichen
Umrechuuugsuorm und in Unterwerfung unter dieselbe kontrahirt hat. So hat das
deutsche Neichöoberhaudelsgcricht entschieden, dem most beizupflichten ist. Auch
Better giebt zu, daß — die Nichtigkeit der letzten thatsächlichen Behauptung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/27>, abgerufen am 25.05.2024.