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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

genehm zu machen. Als man vor dem Thor auf weichen Boden kam und zu
traben begann, richtete es den feinen Kopf auf, schnob kräftig in regelmäßigen
Pansen und machte sich gleichsam zu allen Anforderungen bereit. Es schien
sich wie ein Gummipferd zusammenzuziehen, um aus konzentrirtcr Kraft die
Beine vorzustoßen, und schwebte über die Erde hin, als ob es sie gar nicht be¬
rührte. Es schien mehr ein Tanzen als ein Laufen zu sein.

Wundervolle Bewegungen! rief der junge Freiherr vergnügt aus.

Er war ein tüchtiger Reiter und gab sich die größte Mühe, den Andeut¬
ungen des Prinzen nachzukommen. Auch fühlte er selbst deutlich genug, wie
gut es sein würde, absolut ruhig zu sitzen und weder durch Zügel noch Schenkel
dem feingerittcncn und empfindlichen Tier einen Grund zum Argwohn zu geben.
Er gestand sich, noch nie ein Pferd geritten zu haben, das solche Kunst des
Reiters erforderte. Zu Zeiten war es ihm, als verwandelte sich der Rücken
des Tieres in eine Schlange, die unter ihm wegschlüpfen wollte, und bei dem
geringsten Anlaß, wenn etwa eins der andern Pferde um eine Naseulänge vor¬
kam oder eine heftigere Bewegung machte, schoß es in einer Laneude vor, daß
der junge Freiherr auf dem Rücken eines Adlers zu sitzen glaubte.

Aber er saß ruhig wie angewachsen und hielt die Hand still wie aus Erz
gegossen. Die Begleiter machten ihm ihr Kompliment, und er glaubte zu be¬
merken, daß seine Braut ihn mit Bewunderung ansah.

Wissen Sie, Comtesse, was der Prinz eigentlich hier will -- ich meine
hier in Berlin? fragte der Rittmeister, als es wieder im Schritt ging.

Nun? entgegnete sie, Ist es ein Rätsel?

Ich bitte dich, Viktor, sagte der Prinz von Parolignae, verdirb doch nicht
meine Chancen dadurch, daß du es erzählst,

Deine Chancen zu verderben, ist ein gutes Werk,

Da müßte der Prinz sehr schlechte Absichten haben, sagte der Freiherr,

Das hat er auch, er will heiraten, entgegnete Graf Falkenfels.

Sind das schlechte Absichten? fragte Hyazinth lachend.

Die Philosophen sagen, daß an und für sich nichts schlecht sei und nichts
gut, antwortete der Rittmeister. Es kommt alles auf die begleitenden Umstände
an. Die sind nun für den Prinzen in diesem Falle so gravircnd wie nur mög¬
lich. Denn er weiß nicht, welche Dame er heiraten will, sondern er will sich
hier die schönste, tugendhafteste, leichtsinnigste, ernsthafteste und lustigste junge
Dame aussuchen, um sie nachher sitzen zu lassen rckd auf die Jagd zu gehen.

Das ist eine zu verworrene Darstellung, Graf Falkenfels, als daß ich sie
verstehen könnte, erwiederte Comtesse Hyazinth.

So geht es nur nun, sagte der Prinz. Mit den besten Absichten von der
Welt werde ich ein Stichblatt für die Pfeile des Witzes und der Satire. Ich
versichere Sie, gnädigste Comtesse, dieser Mann, den ich leider meinen Vetter
nennen muß, ist ein gefährlicher Mensch. Er nährt sich von Bosheiten, er


Bakchen und Thyrsosträger.

genehm zu machen. Als man vor dem Thor auf weichen Boden kam und zu
traben begann, richtete es den feinen Kopf auf, schnob kräftig in regelmäßigen
Pansen und machte sich gleichsam zu allen Anforderungen bereit. Es schien
sich wie ein Gummipferd zusammenzuziehen, um aus konzentrirtcr Kraft die
Beine vorzustoßen, und schwebte über die Erde hin, als ob es sie gar nicht be¬
rührte. Es schien mehr ein Tanzen als ein Laufen zu sein.

Wundervolle Bewegungen! rief der junge Freiherr vergnügt aus.

Er war ein tüchtiger Reiter und gab sich die größte Mühe, den Andeut¬
ungen des Prinzen nachzukommen. Auch fühlte er selbst deutlich genug, wie
gut es sein würde, absolut ruhig zu sitzen und weder durch Zügel noch Schenkel
dem feingerittcncn und empfindlichen Tier einen Grund zum Argwohn zu geben.
Er gestand sich, noch nie ein Pferd geritten zu haben, das solche Kunst des
Reiters erforderte. Zu Zeiten war es ihm, als verwandelte sich der Rücken
des Tieres in eine Schlange, die unter ihm wegschlüpfen wollte, und bei dem
geringsten Anlaß, wenn etwa eins der andern Pferde um eine Naseulänge vor¬
kam oder eine heftigere Bewegung machte, schoß es in einer Laneude vor, daß
der junge Freiherr auf dem Rücken eines Adlers zu sitzen glaubte.

Aber er saß ruhig wie angewachsen und hielt die Hand still wie aus Erz
gegossen. Die Begleiter machten ihm ihr Kompliment, und er glaubte zu be¬
merken, daß seine Braut ihn mit Bewunderung ansah.

Wissen Sie, Comtesse, was der Prinz eigentlich hier will — ich meine
hier in Berlin? fragte der Rittmeister, als es wieder im Schritt ging.

Nun? entgegnete sie, Ist es ein Rätsel?

Ich bitte dich, Viktor, sagte der Prinz von Parolignae, verdirb doch nicht
meine Chancen dadurch, daß du es erzählst,

Deine Chancen zu verderben, ist ein gutes Werk,

Da müßte der Prinz sehr schlechte Absichten haben, sagte der Freiherr,

Das hat er auch, er will heiraten, entgegnete Graf Falkenfels.

Sind das schlechte Absichten? fragte Hyazinth lachend.

Die Philosophen sagen, daß an und für sich nichts schlecht sei und nichts
gut, antwortete der Rittmeister. Es kommt alles auf die begleitenden Umstände
an. Die sind nun für den Prinzen in diesem Falle so gravircnd wie nur mög¬
lich. Denn er weiß nicht, welche Dame er heiraten will, sondern er will sich
hier die schönste, tugendhafteste, leichtsinnigste, ernsthafteste und lustigste junge
Dame aussuchen, um sie nachher sitzen zu lassen rckd auf die Jagd zu gehen.

Das ist eine zu verworrene Darstellung, Graf Falkenfels, als daß ich sie
verstehen könnte, erwiederte Comtesse Hyazinth.

So geht es nur nun, sagte der Prinz. Mit den besten Absichten von der
Welt werde ich ein Stichblatt für die Pfeile des Witzes und der Satire. Ich
versichere Sie, gnädigste Comtesse, dieser Mann, den ich leider meinen Vetter
nennen muß, ist ein gefährlicher Mensch. Er nährt sich von Bosheiten, er


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[0627] Bakchen und Thyrsosträger. genehm zu machen. Als man vor dem Thor auf weichen Boden kam und zu traben begann, richtete es den feinen Kopf auf, schnob kräftig in regelmäßigen Pansen und machte sich gleichsam zu allen Anforderungen bereit. Es schien sich wie ein Gummipferd zusammenzuziehen, um aus konzentrirtcr Kraft die Beine vorzustoßen, und schwebte über die Erde hin, als ob es sie gar nicht be¬ rührte. Es schien mehr ein Tanzen als ein Laufen zu sein. Wundervolle Bewegungen! rief der junge Freiherr vergnügt aus. Er war ein tüchtiger Reiter und gab sich die größte Mühe, den Andeut¬ ungen des Prinzen nachzukommen. Auch fühlte er selbst deutlich genug, wie gut es sein würde, absolut ruhig zu sitzen und weder durch Zügel noch Schenkel dem feingerittcncn und empfindlichen Tier einen Grund zum Argwohn zu geben. Er gestand sich, noch nie ein Pferd geritten zu haben, das solche Kunst des Reiters erforderte. Zu Zeiten war es ihm, als verwandelte sich der Rücken des Tieres in eine Schlange, die unter ihm wegschlüpfen wollte, und bei dem geringsten Anlaß, wenn etwa eins der andern Pferde um eine Naseulänge vor¬ kam oder eine heftigere Bewegung machte, schoß es in einer Laneude vor, daß der junge Freiherr auf dem Rücken eines Adlers zu sitzen glaubte. Aber er saß ruhig wie angewachsen und hielt die Hand still wie aus Erz gegossen. Die Begleiter machten ihm ihr Kompliment, und er glaubte zu be¬ merken, daß seine Braut ihn mit Bewunderung ansah. Wissen Sie, Comtesse, was der Prinz eigentlich hier will — ich meine hier in Berlin? fragte der Rittmeister, als es wieder im Schritt ging. Nun? entgegnete sie, Ist es ein Rätsel? Ich bitte dich, Viktor, sagte der Prinz von Parolignae, verdirb doch nicht meine Chancen dadurch, daß du es erzählst, Deine Chancen zu verderben, ist ein gutes Werk, Da müßte der Prinz sehr schlechte Absichten haben, sagte der Freiherr, Das hat er auch, er will heiraten, entgegnete Graf Falkenfels. Sind das schlechte Absichten? fragte Hyazinth lachend. Die Philosophen sagen, daß an und für sich nichts schlecht sei und nichts gut, antwortete der Rittmeister. Es kommt alles auf die begleitenden Umstände an. Die sind nun für den Prinzen in diesem Falle so gravircnd wie nur mög¬ lich. Denn er weiß nicht, welche Dame er heiraten will, sondern er will sich hier die schönste, tugendhafteste, leichtsinnigste, ernsthafteste und lustigste junge Dame aussuchen, um sie nachher sitzen zu lassen rckd auf die Jagd zu gehen. Das ist eine zu verworrene Darstellung, Graf Falkenfels, als daß ich sie verstehen könnte, erwiederte Comtesse Hyazinth. So geht es nur nun, sagte der Prinz. Mit den besten Absichten von der Welt werde ich ein Stichblatt für die Pfeile des Witzes und der Satire. Ich versichere Sie, gnädigste Comtesse, dieser Mann, den ich leider meinen Vetter nennen muß, ist ein gefährlicher Mensch. Er nährt sich von Bosheiten, er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/627>, abgerufen am 17.06.2024.