Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

4.
An die Dresdner nach der Ankunft von München.

Meine Herren, als ich vor fünf Jahren mein Heimatland begrüßte, empfand
ich den Hauch des Frühlingslebens, das sich mächtig nnter Ihnen regte, und ich
fühlte damals schon zu Ihnen mich hingezogen, ohne auch nnr ahnen zu können,
daß ich zum Mitarbeiter in diesem schönen Garten der Kunst jemals würde be¬
rufen werden. Jenes Frühlingswehen, es hat nicht getäuscht; fort und fort walten
schaffende Kräfte, und neue Keime schwellen. Der Arbeit wird aber viel, denn reich
will die Ernte werden.

Nun haben Sie auch mich zur Arbeit hergerufen, wohl fühlend, wie nahe
schon lange ich Ihnen stehe; denn fürwahr, ich kann Ihnen kein Fremdling sein.
Ich stehe Ihnen nahe durch meine Geburt wie durch meine Bestrebungen. Ich stehe
Ihnen nahe vor allem dnrch meine Liebe zu Ihnen.

Und doch, meine Herren, mein letztes Wort an die Münchner war, daß ich
Münchner bleiben würde bis an meines Lebens Ende, und mein erstes an Sie
lautet ebenso. Ja, ich werde Münchner bleiben; das heißt, ich werde treu bleiben
der Richtung, welcher sich alle meine innersten, meine besten Kräfte zugewendet
haben; ich werde festhalten an dem Kern der Überzeugungen, wie er sich dort ge¬
staltet hat. Ich werde auch Münchner bleiben durch meine Anhänglichkeit an einen
Kreis edler Männer, der mich dort umgab, und wahrlich, ich wäre nicht wert, mit
Vertrauen von Ihnen empfangen zu werden, wenn ich mich leicht getrennt hätte,
wenn ich fähig wäre, der Treue zu vergessen, die ich dort gefunden habe.

Werde ich Ihnen aber darum weniger gehören, weil ich jenen treu bin, we¬
niger kräftig Hand anlegen an die Arbeit, weil ich sie thun werde nach meiner
alten Weise? Gewiß nicht. Gebe Gott, daß wir von Worten bald zu Thaten
kommen; ich brenne vor Verlangen, mit Ihnen zu schaffen, zu schaffen zur Ehre
des lieben Sachsenlandes, und wie würde ich mich freuen, wenn mein Münchnerisch
recht bald zum Dresdnerisch würde, denn ich hoffe, es ist gutes Deutsch.

Noch heute, meine Herren, werde ich es ernstlich bedenken, wie ich um besten
meinem Berufe uuter Ihnen dienen kann. Nicht ans Namen und auf Personen
werde ich sehen, immer nur auf die Sache. Es ist an sich so schwer, etwas zu
vollbringen, und so leicht zu reden, daß wir deu immer ehren dürfen, der doch
etwas gethan hat, und finden wir, er habe es nicht gut gethan, so mögen wir eS
besser machen; das sei unsre Rezension.

Verkennen wir es nicht, auf Thnteu kommt es an, meine Herren. Sehen wir
zu, daß das uns anvertraute Pfund reiche Zinsen bringe. Deutschland wird um
so strenger uns nachrechnen, als es an seinen Sachsen zweifelt, und glauben Sie
mir, wir werden nicht ernten ohne Arbeit, ohne eifrige und treue Arbeit. Sind
wir aber treu und eifrig, dann wird unsre Frucht Ruhm und unsre Ernte Sieg sein.

Daß die Arbeit gelinge und die Ernte reich werde, darauf lassen Sie uns ein
Glas leeren.

Dresden, den 30. September 1846.





4.
An die Dresdner nach der Ankunft von München.

Meine Herren, als ich vor fünf Jahren mein Heimatland begrüßte, empfand
ich den Hauch des Frühlingslebens, das sich mächtig nnter Ihnen regte, und ich
fühlte damals schon zu Ihnen mich hingezogen, ohne auch nnr ahnen zu können,
daß ich zum Mitarbeiter in diesem schönen Garten der Kunst jemals würde be¬
rufen werden. Jenes Frühlingswehen, es hat nicht getäuscht; fort und fort walten
schaffende Kräfte, und neue Keime schwellen. Der Arbeit wird aber viel, denn reich
will die Ernte werden.

Nun haben Sie auch mich zur Arbeit hergerufen, wohl fühlend, wie nahe
schon lange ich Ihnen stehe; denn fürwahr, ich kann Ihnen kein Fremdling sein.
Ich stehe Ihnen nahe durch meine Geburt wie durch meine Bestrebungen. Ich stehe
Ihnen nahe vor allem dnrch meine Liebe zu Ihnen.

Und doch, meine Herren, mein letztes Wort an die Münchner war, daß ich
Münchner bleiben würde bis an meines Lebens Ende, und mein erstes an Sie
lautet ebenso. Ja, ich werde Münchner bleiben; das heißt, ich werde treu bleiben
der Richtung, welcher sich alle meine innersten, meine besten Kräfte zugewendet
haben; ich werde festhalten an dem Kern der Überzeugungen, wie er sich dort ge¬
staltet hat. Ich werde auch Münchner bleiben durch meine Anhänglichkeit an einen
Kreis edler Männer, der mich dort umgab, und wahrlich, ich wäre nicht wert, mit
Vertrauen von Ihnen empfangen zu werden, wenn ich mich leicht getrennt hätte,
wenn ich fähig wäre, der Treue zu vergessen, die ich dort gefunden habe.

Werde ich Ihnen aber darum weniger gehören, weil ich jenen treu bin, we¬
niger kräftig Hand anlegen an die Arbeit, weil ich sie thun werde nach meiner
alten Weise? Gewiß nicht. Gebe Gott, daß wir von Worten bald zu Thaten
kommen; ich brenne vor Verlangen, mit Ihnen zu schaffen, zu schaffen zur Ehre
des lieben Sachsenlandes, und wie würde ich mich freuen, wenn mein Münchnerisch
recht bald zum Dresdnerisch würde, denn ich hoffe, es ist gutes Deutsch.

Noch heute, meine Herren, werde ich es ernstlich bedenken, wie ich um besten
meinem Berufe uuter Ihnen dienen kann. Nicht ans Namen und auf Personen
werde ich sehen, immer nur auf die Sache. Es ist an sich so schwer, etwas zu
vollbringen, und so leicht zu reden, daß wir deu immer ehren dürfen, der doch
etwas gethan hat, und finden wir, er habe es nicht gut gethan, so mögen wir eS
besser machen; das sei unsre Rezension.

Verkennen wir es nicht, auf Thnteu kommt es an, meine Herren. Sehen wir
zu, daß das uns anvertraute Pfund reiche Zinsen bringe. Deutschland wird um
so strenger uns nachrechnen, als es an seinen Sachsen zweifelt, und glauben Sie
mir, wir werden nicht ernten ohne Arbeit, ohne eifrige und treue Arbeit. Sind
wir aber treu und eifrig, dann wird unsre Frucht Ruhm und unsre Ernte Sieg sein.

Daß die Arbeit gelinge und die Ernte reich werde, darauf lassen Sie uns ein
Glas leeren.

Dresden, den 30. September 1846.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0670" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86791"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 4.<lb/>
An die Dresdner nach der Ankunft von München.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2721"> Meine Herren, als ich vor fünf Jahren mein Heimatland begrüßte, empfand<lb/>
ich den Hauch des Frühlingslebens, das sich mächtig nnter Ihnen regte, und ich<lb/>
fühlte damals schon zu Ihnen mich hingezogen, ohne auch nnr ahnen zu können,<lb/>
daß ich zum Mitarbeiter in diesem schönen Garten der Kunst jemals würde be¬<lb/>
rufen werden. Jenes Frühlingswehen, es hat nicht getäuscht; fort und fort walten<lb/>
schaffende Kräfte, und neue Keime schwellen. Der Arbeit wird aber viel, denn reich<lb/>
will die Ernte werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2722"> Nun haben Sie auch mich zur Arbeit hergerufen, wohl fühlend, wie nahe<lb/>
schon lange ich Ihnen stehe; denn fürwahr, ich kann Ihnen kein Fremdling sein.<lb/>
Ich stehe Ihnen nahe durch meine Geburt wie durch meine Bestrebungen. Ich stehe<lb/>
Ihnen nahe vor allem dnrch meine Liebe zu Ihnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2723"> Und doch, meine Herren, mein letztes Wort an die Münchner war, daß ich<lb/>
Münchner bleiben würde bis an meines Lebens Ende, und mein erstes an Sie<lb/>
lautet ebenso. Ja, ich werde Münchner bleiben; das heißt, ich werde treu bleiben<lb/>
der Richtung, welcher sich alle meine innersten, meine besten Kräfte zugewendet<lb/>
haben; ich werde festhalten an dem Kern der Überzeugungen, wie er sich dort ge¬<lb/>
staltet hat. Ich werde auch Münchner bleiben durch meine Anhänglichkeit an einen<lb/>
Kreis edler Männer, der mich dort umgab, und wahrlich, ich wäre nicht wert, mit<lb/>
Vertrauen von Ihnen empfangen zu werden, wenn ich mich leicht getrennt hätte,<lb/>
wenn ich fähig wäre, der Treue zu vergessen, die ich dort gefunden habe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2724"> Werde ich Ihnen aber darum weniger gehören, weil ich jenen treu bin, we¬<lb/>
niger kräftig Hand anlegen an die Arbeit, weil ich sie thun werde nach meiner<lb/>
alten Weise? Gewiß nicht. Gebe Gott, daß wir von Worten bald zu Thaten<lb/>
kommen; ich brenne vor Verlangen, mit Ihnen zu schaffen, zu schaffen zur Ehre<lb/>
des lieben Sachsenlandes, und wie würde ich mich freuen, wenn mein Münchnerisch<lb/>
recht bald zum Dresdnerisch würde, denn ich hoffe, es ist gutes Deutsch.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2725"> Noch heute, meine Herren, werde ich es ernstlich bedenken, wie ich um besten<lb/>
meinem Berufe uuter Ihnen dienen kann. Nicht ans Namen und auf Personen<lb/>
werde ich sehen, immer nur auf die Sache. Es ist an sich so schwer, etwas zu<lb/>
vollbringen, und so leicht zu reden, daß wir deu immer ehren dürfen, der doch<lb/>
etwas gethan hat, und finden wir, er habe es nicht gut gethan, so mögen wir eS<lb/>
besser machen; das sei unsre Rezension.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2726"> Verkennen wir es nicht, auf Thnteu kommt es an, meine Herren. Sehen wir<lb/>
zu, daß das uns anvertraute Pfund reiche Zinsen bringe. Deutschland wird um<lb/>
so strenger uns nachrechnen, als es an seinen Sachsen zweifelt, und glauben Sie<lb/>
mir, wir werden nicht ernten ohne Arbeit, ohne eifrige und treue Arbeit. Sind<lb/>
wir aber treu und eifrig, dann wird unsre Frucht Ruhm und unsre Ernte Sieg sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2727"> Daß die Arbeit gelinge und die Ernte reich werde, darauf lassen Sie uns ein<lb/>
Glas leeren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2728"> Dresden, den 30. September 1846.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0670] 4. An die Dresdner nach der Ankunft von München. Meine Herren, als ich vor fünf Jahren mein Heimatland begrüßte, empfand ich den Hauch des Frühlingslebens, das sich mächtig nnter Ihnen regte, und ich fühlte damals schon zu Ihnen mich hingezogen, ohne auch nnr ahnen zu können, daß ich zum Mitarbeiter in diesem schönen Garten der Kunst jemals würde be¬ rufen werden. Jenes Frühlingswehen, es hat nicht getäuscht; fort und fort walten schaffende Kräfte, und neue Keime schwellen. Der Arbeit wird aber viel, denn reich will die Ernte werden. Nun haben Sie auch mich zur Arbeit hergerufen, wohl fühlend, wie nahe schon lange ich Ihnen stehe; denn fürwahr, ich kann Ihnen kein Fremdling sein. Ich stehe Ihnen nahe durch meine Geburt wie durch meine Bestrebungen. Ich stehe Ihnen nahe vor allem dnrch meine Liebe zu Ihnen. Und doch, meine Herren, mein letztes Wort an die Münchner war, daß ich Münchner bleiben würde bis an meines Lebens Ende, und mein erstes an Sie lautet ebenso. Ja, ich werde Münchner bleiben; das heißt, ich werde treu bleiben der Richtung, welcher sich alle meine innersten, meine besten Kräfte zugewendet haben; ich werde festhalten an dem Kern der Überzeugungen, wie er sich dort ge¬ staltet hat. Ich werde auch Münchner bleiben durch meine Anhänglichkeit an einen Kreis edler Männer, der mich dort umgab, und wahrlich, ich wäre nicht wert, mit Vertrauen von Ihnen empfangen zu werden, wenn ich mich leicht getrennt hätte, wenn ich fähig wäre, der Treue zu vergessen, die ich dort gefunden habe. Werde ich Ihnen aber darum weniger gehören, weil ich jenen treu bin, we¬ niger kräftig Hand anlegen an die Arbeit, weil ich sie thun werde nach meiner alten Weise? Gewiß nicht. Gebe Gott, daß wir von Worten bald zu Thaten kommen; ich brenne vor Verlangen, mit Ihnen zu schaffen, zu schaffen zur Ehre des lieben Sachsenlandes, und wie würde ich mich freuen, wenn mein Münchnerisch recht bald zum Dresdnerisch würde, denn ich hoffe, es ist gutes Deutsch. Noch heute, meine Herren, werde ich es ernstlich bedenken, wie ich um besten meinem Berufe uuter Ihnen dienen kann. Nicht ans Namen und auf Personen werde ich sehen, immer nur auf die Sache. Es ist an sich so schwer, etwas zu vollbringen, und so leicht zu reden, daß wir deu immer ehren dürfen, der doch etwas gethan hat, und finden wir, er habe es nicht gut gethan, so mögen wir eS besser machen; das sei unsre Rezension. Verkennen wir es nicht, auf Thnteu kommt es an, meine Herren. Sehen wir zu, daß das uns anvertraute Pfund reiche Zinsen bringe. Deutschland wird um so strenger uns nachrechnen, als es an seinen Sachsen zweifelt, und glauben Sie mir, wir werden nicht ernten ohne Arbeit, ohne eifrige und treue Arbeit. Sind wir aber treu und eifrig, dann wird unsre Frucht Ruhm und unsre Ernte Sieg sein. Daß die Arbeit gelinge und die Ernte reich werde, darauf lassen Sie uns ein Glas leeren. Dresden, den 30. September 1846.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/670
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/670>, abgerufen am 26.05.2024.