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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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sich eine Stimme an die Öffentlichkeit wogt, und wenn eine des Schreibens un¬
kundige Feder es unternimmt, die allgemeine Aufmerksamkeit und vor allem das
Auge der Reichstagsmitglieder auf diesen Punkt zu richten. Wir sagen absichtlich:
betroffene Kreise, denn allerdings werden die bisher pensionirten Militärs ganz
empfindlich betroffen, wenn sie mit ihrer Familie bis an ihr Lebensende von
der knappen Pension leben sollen, auf welche sie durch die Reichstagsbcschlüsse
im Jahre 1871 entgegen der Forderung der Regierungen gesetzt worden sind,
während die jetzt verabschiedeten jünger" Männer pekuniär erheblich besser gestellt
werden. Der Unterschied ist sehr bedeutend. Wir wollen hier nicht auf nähere
Zahlenangaben und Berechnungen eingehen, die stets etwas ermüdendes haben,
sondern wollen nur kurz darauf hinweisen, daß nach dem jetzt bestehenden Ge¬
setze ein Offizier nach einer Dienstzeit von fast 30 Jahren die Hälfte seines
Pensionsfähigcn Diensteinkommens als Pension zu beanspruchen hat, während
nach dem neuen Gesetzesvorschlage der gleiche Pensionssntz schon nach 25jähriger
Dienstzeit erreicht wird. Noch schärfer tritt dieser Unterschied zu Tage bei der
höchstmöglichen Pension, drei Vierteln des Diensteinkommens, welche jetzt nach
50jähnger Dienstzeit, in Zukunft schon nach 40 Jahren erlangt werden kann.
Am besten aber geht die tiefeinschneidende Wirkung des neuen Pensionsgesetzes
aus einem Beispiele hervor, welches wir der Rede des Abgeordneten Dr, Buhl
entnehmen. Nach den jetzt bestehenden Gesetzesbestimmungen erhält ein Oberst
mit 40 Dicnstjcihren und einem peusionSfähigen Diensteinkvmmen von 9900 Mark
eine Pension von 6200 Mark, und wenn er innerhalb der nächsten fünf Jahre
nach dem Kriege von 1870--71 abgegangen ist, eine Kriegsznlage von 300 Mark,
in Snmmn 6500 Mark, Nach dem neuen Gesetze würde seine Pension 7475 Mark
betragen.

Wir glauben sicher zu sein, von keiner Seite einem Widersprüche zu be¬
gegnen, wenn wir behaupten, daß ausnahmslos jeder Offizier, dem es ver¬
gönnt war, 1870--71 in den Reihen seiner Stammesgenossen an dem denkwür¬
digen Feldzuge teilzunehmen, dabei mehr oder weniger Schaden an
seiner Gesundheit gelitten hat. Namentlich trifft das die ältern Offiziere, die
in Kommandostelluugen irgendwelcher Art vom Kompaniechef aufwärts in der
Sorge für die untergebene Mannschaft und der Verantwortlichkeit für die
Sicherheit und die Ehre der Truppe neben den körperlichen Anstrengungen und
Entbehrungen mancherlei Art die aufreibendste geistige Thätigkeit zu entwickeln
hatten. In gewisser Weise hat nun auch das Gesetz vom Jahre 1871 diesem
Umstände Rechnung getragen, indem es die sogenannte Kriegszulage votirte,
welche solchen Offizieren zugute kommt, die infolge des Krieges innerhalb von
fünf Jahren nach Beendigung desselben invalid geworden sind. Alle diejenigen
Offiziere jedoch, welche in dem nach Ablauf dieser fünf Jahre folgenden Zeit¬
räume ihre Entlassung haben nachsuchen müssen, oder doch wenigstens die große
Mehrzahl derselben, können den Ursprung ihrer körperlichen Leiden innerster


sich eine Stimme an die Öffentlichkeit wogt, und wenn eine des Schreibens un¬
kundige Feder es unternimmt, die allgemeine Aufmerksamkeit und vor allem das
Auge der Reichstagsmitglieder auf diesen Punkt zu richten. Wir sagen absichtlich:
betroffene Kreise, denn allerdings werden die bisher pensionirten Militärs ganz
empfindlich betroffen, wenn sie mit ihrer Familie bis an ihr Lebensende von
der knappen Pension leben sollen, auf welche sie durch die Reichstagsbcschlüsse
im Jahre 1871 entgegen der Forderung der Regierungen gesetzt worden sind,
während die jetzt verabschiedeten jünger» Männer pekuniär erheblich besser gestellt
werden. Der Unterschied ist sehr bedeutend. Wir wollen hier nicht auf nähere
Zahlenangaben und Berechnungen eingehen, die stets etwas ermüdendes haben,
sondern wollen nur kurz darauf hinweisen, daß nach dem jetzt bestehenden Ge¬
setze ein Offizier nach einer Dienstzeit von fast 30 Jahren die Hälfte seines
Pensionsfähigcn Diensteinkommens als Pension zu beanspruchen hat, während
nach dem neuen Gesetzesvorschlage der gleiche Pensionssntz schon nach 25jähriger
Dienstzeit erreicht wird. Noch schärfer tritt dieser Unterschied zu Tage bei der
höchstmöglichen Pension, drei Vierteln des Diensteinkommens, welche jetzt nach
50jähnger Dienstzeit, in Zukunft schon nach 40 Jahren erlangt werden kann.
Am besten aber geht die tiefeinschneidende Wirkung des neuen Pensionsgesetzes
aus einem Beispiele hervor, welches wir der Rede des Abgeordneten Dr, Buhl
entnehmen. Nach den jetzt bestehenden Gesetzesbestimmungen erhält ein Oberst
mit 40 Dicnstjcihren und einem peusionSfähigen Diensteinkvmmen von 9900 Mark
eine Pension von 6200 Mark, und wenn er innerhalb der nächsten fünf Jahre
nach dem Kriege von 1870—71 abgegangen ist, eine Kriegsznlage von 300 Mark,
in Snmmn 6500 Mark, Nach dem neuen Gesetze würde seine Pension 7475 Mark
betragen.

Wir glauben sicher zu sein, von keiner Seite einem Widersprüche zu be¬
gegnen, wenn wir behaupten, daß ausnahmslos jeder Offizier, dem es ver¬
gönnt war, 1870—71 in den Reihen seiner Stammesgenossen an dem denkwür¬
digen Feldzuge teilzunehmen, dabei mehr oder weniger Schaden an
seiner Gesundheit gelitten hat. Namentlich trifft das die ältern Offiziere, die
in Kommandostelluugen irgendwelcher Art vom Kompaniechef aufwärts in der
Sorge für die untergebene Mannschaft und der Verantwortlichkeit für die
Sicherheit und die Ehre der Truppe neben den körperlichen Anstrengungen und
Entbehrungen mancherlei Art die aufreibendste geistige Thätigkeit zu entwickeln
hatten. In gewisser Weise hat nun auch das Gesetz vom Jahre 1871 diesem
Umstände Rechnung getragen, indem es die sogenannte Kriegszulage votirte,
welche solchen Offizieren zugute kommt, die infolge des Krieges innerhalb von
fünf Jahren nach Beendigung desselben invalid geworden sind. Alle diejenigen
Offiziere jedoch, welche in dem nach Ablauf dieser fünf Jahre folgenden Zeit¬
räume ihre Entlassung haben nachsuchen müssen, oder doch wenigstens die große
Mehrzahl derselben, können den Ursprung ihrer körperlichen Leiden innerster


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[0019] sich eine Stimme an die Öffentlichkeit wogt, und wenn eine des Schreibens un¬ kundige Feder es unternimmt, die allgemeine Aufmerksamkeit und vor allem das Auge der Reichstagsmitglieder auf diesen Punkt zu richten. Wir sagen absichtlich: betroffene Kreise, denn allerdings werden die bisher pensionirten Militärs ganz empfindlich betroffen, wenn sie mit ihrer Familie bis an ihr Lebensende von der knappen Pension leben sollen, auf welche sie durch die Reichstagsbcschlüsse im Jahre 1871 entgegen der Forderung der Regierungen gesetzt worden sind, während die jetzt verabschiedeten jünger» Männer pekuniär erheblich besser gestellt werden. Der Unterschied ist sehr bedeutend. Wir wollen hier nicht auf nähere Zahlenangaben und Berechnungen eingehen, die stets etwas ermüdendes haben, sondern wollen nur kurz darauf hinweisen, daß nach dem jetzt bestehenden Ge¬ setze ein Offizier nach einer Dienstzeit von fast 30 Jahren die Hälfte seines Pensionsfähigcn Diensteinkommens als Pension zu beanspruchen hat, während nach dem neuen Gesetzesvorschlage der gleiche Pensionssntz schon nach 25jähriger Dienstzeit erreicht wird. Noch schärfer tritt dieser Unterschied zu Tage bei der höchstmöglichen Pension, drei Vierteln des Diensteinkommens, welche jetzt nach 50jähnger Dienstzeit, in Zukunft schon nach 40 Jahren erlangt werden kann. Am besten aber geht die tiefeinschneidende Wirkung des neuen Pensionsgesetzes aus einem Beispiele hervor, welches wir der Rede des Abgeordneten Dr, Buhl entnehmen. Nach den jetzt bestehenden Gesetzesbestimmungen erhält ein Oberst mit 40 Dicnstjcihren und einem peusionSfähigen Diensteinkvmmen von 9900 Mark eine Pension von 6200 Mark, und wenn er innerhalb der nächsten fünf Jahre nach dem Kriege von 1870—71 abgegangen ist, eine Kriegsznlage von 300 Mark, in Snmmn 6500 Mark, Nach dem neuen Gesetze würde seine Pension 7475 Mark betragen. Wir glauben sicher zu sein, von keiner Seite einem Widersprüche zu be¬ gegnen, wenn wir behaupten, daß ausnahmslos jeder Offizier, dem es ver¬ gönnt war, 1870—71 in den Reihen seiner Stammesgenossen an dem denkwür¬ digen Feldzuge teilzunehmen, dabei mehr oder weniger Schaden an seiner Gesundheit gelitten hat. Namentlich trifft das die ältern Offiziere, die in Kommandostelluugen irgendwelcher Art vom Kompaniechef aufwärts in der Sorge für die untergebene Mannschaft und der Verantwortlichkeit für die Sicherheit und die Ehre der Truppe neben den körperlichen Anstrengungen und Entbehrungen mancherlei Art die aufreibendste geistige Thätigkeit zu entwickeln hatten. In gewisser Weise hat nun auch das Gesetz vom Jahre 1871 diesem Umstände Rechnung getragen, indem es die sogenannte Kriegszulage votirte, welche solchen Offizieren zugute kommt, die infolge des Krieges innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung desselben invalid geworden sind. Alle diejenigen Offiziere jedoch, welche in dem nach Ablauf dieser fünf Jahre folgenden Zeit¬ räume ihre Entlassung haben nachsuchen müssen, oder doch wenigstens die große Mehrzahl derselben, können den Ursprung ihrer körperlichen Leiden innerster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/19>, abgerufen am 26.05.2024.