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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Aur Abänderung des Militärpensionsgesetzes.

Überzeugung nach ebensogut auf die Folgen des Feldzuges zurückführen, wenn
der Arzt das auch wissenschaftlich vielleicht nicht zu begründen vermag. Sie
alle kommen nun in die unangenehmste pekuniäre Lage. Die ältern Kameraden
beziehen wenigstens die Kriegszulage, die jüngern, von jetzt an pensionirten
eine wesentlich höhere Pension, obgleich sie, die den Krieg in jüngern Jahren
und weniger verantwortungsvollen Stellungen mitmachten, körperlich und geistig
weniger gelitten haben und dadurch imstande gewesen sind, länger zu dienen.
So ist es ganz unausbleiblich, daß ein Gefühl der Kränkung da in weiten
Kreisen Platz greifen muß, wo es nicht an dem guten Willen gefehlt hat, dem
Vaterlande nach besten Kräften noch weiter zu dienen, sondern an der körper¬
lichen Kraft oder der geistigen Frische, um dies mit Erfolg und mit Nutzen
für das große Ganze thun zu können.

Der Kriegsminister von Kameke scheint die schwierige Lage der penstonirten
Offiziere auch halb und halb anzuerkennen und glaubt dem Übelstande durch
den Vorschlag der Erhöhung des Dispositionsfonds begegnen zu können, um aus
diesem Unterstützungen an besonders bedürftige alte Pensionäre gewähren zu
können. Indeß wird ein solches Mittel kaum von durchschlagenden Erfolge be¬
gleitet sein, und darauf kommt es doch an. Wir wissen zwar und bekennen es
gern und ans tiefinnerster Überzeugung, daß die Kriegsverwaltung in vollster
Unparteilichkeit und nach gewissenhaftester Prüfung aller Gründe dem allerhöchsten
Kriegsherrn die Vorschläge zu solchen Gnadenbewilligungen unterbreiten wird;
dennoch ist dabei die Gefahr von allerlei Protektion und Nepotismus schon
deshalb größer als bei manchen andern Gelegenheiten, weil die bedürftige Lage
bekannter Persönlichkeiten leicht in die Augen springt. Andrerseits wird eine
große Anzahl alter Offiziere, wir möchten glauben die überwiegende Mehrheit,
in gewiß gerechtfertigten Stolze und Selbstgefühl davor zurückschrecke", die
Verbesserung ihrer pekuniären Lage von der Beibringung eines Vedürftigkeits-
attcstes abhängig zu machen, und der ganze Stand wird gewiß nicht auf ein
höheres Niveau gestellt, wenn der einzelne im gegebnen Falle das als Gnade
erbitten soll, wozu er seiner Herzensmeinnng nach ein moralisches Recht hat.

In der Presse wie im Privatgespräch begegnet man häufig der Anschauung,
daß es leichter sein würde, dem einzelnen Offizier eine höhere Pension zuzu¬
billigen, wenn nur die Zahl der Pensionirnngen sich verringern ließe. In
dieser Argumentation liegt in politischer wie in militärischer Beziehung so sehr
der Kardinalpunkt der ganzen Frage, daß es uns gestattet sein möge, mit
einigen kurzen Worten darauf einzugehen. Die Gleichmäßigkeit des dentschen
Offizierkorps in Bezug auf gesellschaftliche Stellung wie auf wissenschaftliche
und allgemeine Bildung ist eine seiner größten Vorzüge. "General oder Cornet,
es sind alle meine Offiziers," hat schon Friedrich der Große gesagt, und aus
dem Gedanken des jungen Offiziers, daß eS ihm wie jedem andern möglich
sei, den Feldmarschallstab dermaleinst zu erreichen, entwickelt sich zu nicht ge-


Aur Abänderung des Militärpensionsgesetzes.

Überzeugung nach ebensogut auf die Folgen des Feldzuges zurückführen, wenn
der Arzt das auch wissenschaftlich vielleicht nicht zu begründen vermag. Sie
alle kommen nun in die unangenehmste pekuniäre Lage. Die ältern Kameraden
beziehen wenigstens die Kriegszulage, die jüngern, von jetzt an pensionirten
eine wesentlich höhere Pension, obgleich sie, die den Krieg in jüngern Jahren
und weniger verantwortungsvollen Stellungen mitmachten, körperlich und geistig
weniger gelitten haben und dadurch imstande gewesen sind, länger zu dienen.
So ist es ganz unausbleiblich, daß ein Gefühl der Kränkung da in weiten
Kreisen Platz greifen muß, wo es nicht an dem guten Willen gefehlt hat, dem
Vaterlande nach besten Kräften noch weiter zu dienen, sondern an der körper¬
lichen Kraft oder der geistigen Frische, um dies mit Erfolg und mit Nutzen
für das große Ganze thun zu können.

Der Kriegsminister von Kameke scheint die schwierige Lage der penstonirten
Offiziere auch halb und halb anzuerkennen und glaubt dem Übelstande durch
den Vorschlag der Erhöhung des Dispositionsfonds begegnen zu können, um aus
diesem Unterstützungen an besonders bedürftige alte Pensionäre gewähren zu
können. Indeß wird ein solches Mittel kaum von durchschlagenden Erfolge be¬
gleitet sein, und darauf kommt es doch an. Wir wissen zwar und bekennen es
gern und ans tiefinnerster Überzeugung, daß die Kriegsverwaltung in vollster
Unparteilichkeit und nach gewissenhaftester Prüfung aller Gründe dem allerhöchsten
Kriegsherrn die Vorschläge zu solchen Gnadenbewilligungen unterbreiten wird;
dennoch ist dabei die Gefahr von allerlei Protektion und Nepotismus schon
deshalb größer als bei manchen andern Gelegenheiten, weil die bedürftige Lage
bekannter Persönlichkeiten leicht in die Augen springt. Andrerseits wird eine
große Anzahl alter Offiziere, wir möchten glauben die überwiegende Mehrheit,
in gewiß gerechtfertigten Stolze und Selbstgefühl davor zurückschrecke», die
Verbesserung ihrer pekuniären Lage von der Beibringung eines Vedürftigkeits-
attcstes abhängig zu machen, und der ganze Stand wird gewiß nicht auf ein
höheres Niveau gestellt, wenn der einzelne im gegebnen Falle das als Gnade
erbitten soll, wozu er seiner Herzensmeinnng nach ein moralisches Recht hat.

In der Presse wie im Privatgespräch begegnet man häufig der Anschauung,
daß es leichter sein würde, dem einzelnen Offizier eine höhere Pension zuzu¬
billigen, wenn nur die Zahl der Pensionirnngen sich verringern ließe. In
dieser Argumentation liegt in politischer wie in militärischer Beziehung so sehr
der Kardinalpunkt der ganzen Frage, daß es uns gestattet sein möge, mit
einigen kurzen Worten darauf einzugehen. Die Gleichmäßigkeit des dentschen
Offizierkorps in Bezug auf gesellschaftliche Stellung wie auf wissenschaftliche
und allgemeine Bildung ist eine seiner größten Vorzüge. „General oder Cornet,
es sind alle meine Offiziers," hat schon Friedrich der Große gesagt, und aus
dem Gedanken des jungen Offiziers, daß eS ihm wie jedem andern möglich
sei, den Feldmarschallstab dermaleinst zu erreichen, entwickelt sich zu nicht ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/20>, abgerufen am 19.05.2024.