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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Geschäftssprache des elsaß-lothringischen Landesausschusses.

.auf welcher er in den schönsten Phrasen alle Greuel der Schreckensperiode zu
beschönigen wußte, sodaß man ihn 1'^ng.orson av 1z Auillotins nannte. Der
9. Thermidor (27. Juli 1794) und der Fall Robespierres veranlaßten ihn, sich
der siegenden Partei anzuschließen, doch war er ein Jahr später genötigt, sich
der über ihn verhängten Deportation durch die Flucht zu entziehen. Unter
Napoleon I. gehörte er zu den eifrigsten Verteidigern seiner Regierung, ward
jedoch vom Kaiser nicht beachtet. Nach der Julirevolution 1830 wurde er Mitglied
des Departements der Oberpyrenäen und starb später unbeachtet.

Von diesem Barrere rührt nun ein Gesetzesentwurf her, den er in der Sitzung
des Nationalkonvents vom 29. Januar 1794 mit folgender Rede einführte:
"Bürger! Die alliirten Tyrannen haben gesagt: Die Unwissenheit war immer
unsre mächtigste Hilfe; wir müssen die Unwissenheit beibehalten, sie macht Fanatiker,
sie vermehrt die Gegenrevolutionäre. Machen wir, daß die Franzosen zur Bar¬
barei zurückschreiten; benutzen wir die schlecht unterrichteten Völker und die¬
jenigen, welche eine Sprache reden, die von der des öffentlichen Unterrichts ver¬
schieden ist. Das Komitee hat von diesem Komplotte der Unwissenheit und des
Despotismus Kenntnis genommen. Ich richte heute Ihre Aufmerksamkeit auf
die schönste Sprache Europas, auf diejenige, welche zuerst freimütig die Rechte
des Menschen und des Bürgers geweiht hat, diejenige, welche beauftragt ist, der
Welt die erhabensten Gedanken der Freiheit und die größten Spekulationen der
Politik zu überliefern. Lange Zeit war diese Sprache Sklavin; sie schmeichelte
den Königen, verdarb die Höfe, knechtete die Völker.... Endlich gereinigt und
gemildert durch einige Dichter und Redner, erlangte sie ihre Energie wieder,
schien aber nur einigen Klassen der Gesellschaft anzugehören.... Man hätte
sagen können, daß es mehrere Nationen in einer einzigen gab. Diese Unter¬
schiede sind verschwunden, seitdem die aus allen Teilen der Republik versammelten
Bürger in der Nationalversammlung ihre Wünsche für die Freiheit und ihre
Gedanken für die gemeinschaftliche Gesetzgebung ausgedrückt haben. Der kräftige
Ton der Freiheit und Gleichheit ist derselbe, komme er aus dem Munde eines
Bewohners der Vogesen, der Pyrenäen oder des Ccmtals, des Montblanc oder
des Montterrible, der Seeküsten oder der Grenzen. Vier Punkte des Territoriums
der Republik ziehen besonders die Aufmerksamkeit des revolutionären Gesetzgebers
auf sich, in Betreff der Sprachen, welche die der Verbreitung des öffentlichen
Geistes am meisten entgegengesetzten sind und Schwierigkeiten darbieten gegen
die Kenntnis der Gesetze der Republik. Wir haben bemerkt, daß die Mundart
genannt LÄ8-brston, die baskische, die deutsche und die italienische Sprache das
Reich des Fanatismus und des Aberglaubens fortgesetzt haben."

Nun kommen zuerst die Niederbretagner in fünf Departements zur Sprache;
dann aber heißt es: "Wer hat denn in die Departements des Ober- und des
Niederrheins im Einverständnis mit den Verrätern den Preußen und den Öster¬
reichern in unsre überfallenen Grenzen gerufen? Der Bewohner der Land-


Die Geschäftssprache des elsaß-lothringischen Landesausschusses.

.auf welcher er in den schönsten Phrasen alle Greuel der Schreckensperiode zu
beschönigen wußte, sodaß man ihn 1'^ng.orson av 1z Auillotins nannte. Der
9. Thermidor (27. Juli 1794) und der Fall Robespierres veranlaßten ihn, sich
der siegenden Partei anzuschließen, doch war er ein Jahr später genötigt, sich
der über ihn verhängten Deportation durch die Flucht zu entziehen. Unter
Napoleon I. gehörte er zu den eifrigsten Verteidigern seiner Regierung, ward
jedoch vom Kaiser nicht beachtet. Nach der Julirevolution 1830 wurde er Mitglied
des Departements der Oberpyrenäen und starb später unbeachtet.

Von diesem Barrere rührt nun ein Gesetzesentwurf her, den er in der Sitzung
des Nationalkonvents vom 29. Januar 1794 mit folgender Rede einführte:
„Bürger! Die alliirten Tyrannen haben gesagt: Die Unwissenheit war immer
unsre mächtigste Hilfe; wir müssen die Unwissenheit beibehalten, sie macht Fanatiker,
sie vermehrt die Gegenrevolutionäre. Machen wir, daß die Franzosen zur Bar¬
barei zurückschreiten; benutzen wir die schlecht unterrichteten Völker und die¬
jenigen, welche eine Sprache reden, die von der des öffentlichen Unterrichts ver¬
schieden ist. Das Komitee hat von diesem Komplotte der Unwissenheit und des
Despotismus Kenntnis genommen. Ich richte heute Ihre Aufmerksamkeit auf
die schönste Sprache Europas, auf diejenige, welche zuerst freimütig die Rechte
des Menschen und des Bürgers geweiht hat, diejenige, welche beauftragt ist, der
Welt die erhabensten Gedanken der Freiheit und die größten Spekulationen der
Politik zu überliefern. Lange Zeit war diese Sprache Sklavin; sie schmeichelte
den Königen, verdarb die Höfe, knechtete die Völker.... Endlich gereinigt und
gemildert durch einige Dichter und Redner, erlangte sie ihre Energie wieder,
schien aber nur einigen Klassen der Gesellschaft anzugehören.... Man hätte
sagen können, daß es mehrere Nationen in einer einzigen gab. Diese Unter¬
schiede sind verschwunden, seitdem die aus allen Teilen der Republik versammelten
Bürger in der Nationalversammlung ihre Wünsche für die Freiheit und ihre
Gedanken für die gemeinschaftliche Gesetzgebung ausgedrückt haben. Der kräftige
Ton der Freiheit und Gleichheit ist derselbe, komme er aus dem Munde eines
Bewohners der Vogesen, der Pyrenäen oder des Ccmtals, des Montblanc oder
des Montterrible, der Seeküsten oder der Grenzen. Vier Punkte des Territoriums
der Republik ziehen besonders die Aufmerksamkeit des revolutionären Gesetzgebers
auf sich, in Betreff der Sprachen, welche die der Verbreitung des öffentlichen
Geistes am meisten entgegengesetzten sind und Schwierigkeiten darbieten gegen
die Kenntnis der Gesetze der Republik. Wir haben bemerkt, daß die Mundart
genannt LÄ8-brston, die baskische, die deutsche und die italienische Sprache das
Reich des Fanatismus und des Aberglaubens fortgesetzt haben."

Nun kommen zuerst die Niederbretagner in fünf Departements zur Sprache;
dann aber heißt es: „Wer hat denn in die Departements des Ober- und des
Niederrheins im Einverständnis mit den Verrätern den Preußen und den Öster¬
reichern in unsre überfallenen Grenzen gerufen? Der Bewohner der Land-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/419>, abgerufen am 17.06.2024.