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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich.

as neue Kabinet in Paris hat seine Thätigkeit mit einer Ma߬
regel begonnen, die wir weder für staatsklug noch für billig halten
können, sonst aber hat es bis jetzt mehr Glück und Erfolg gehabt
als viele seiner zahlreichen Vorgänger, Die angedeutete Ma߬
regel war die Entfernung der orleanistischen Prinzen von den
Stellen, die sie in der Armee bekleideten. Durch Dekrete, die vom Kriegsminister
General Thibaudin entworfen und von ihm und dem Präsidenten Grevy unter¬
zeichnet waren, wurde der militärischen Laufbahn des Herzogs d'Aumale, der
als Divisionsgeneral diente, des Herzogs de Chartres, Obersten des zwölften
Regiments reitender Jäger, und des Herzogs d'Alm?on, Hauptmanns im zwölften
Artillerieregiment, plötzlich ein gewaltsames Ende gemacht. Die Dekrete wurden
durch einen kurzen Bericht des Kriegsministers begründet, in welchem es hieß:

"Die öffentliche Meinung ist durch die Mißstände erregt worden, die aus
dem Verbleiben von Offizieren aus Familien, welche in Frankreich regiert haben,
in der Armee entspringen. Es ist in der That richtig, daß die großen Grund¬
sätze militärischer Unterordnung und gleichförmiger Disziplin durch die Truppen,
welche von Offizieren befehligt werden, deren Geburt sie in eine Ausnahme¬
stellung versetzt, geschädigt werden könnten. Ich bin daher der Meinung, Herr
Präsident, daß Grund vorhanden sei, auf die Offiziere, deren Namen ich folgen
lasse, die Gesetze von 1834 und 1875 anzuwenden und sie durch Zurücknahme
ihrer Patente in Ruhestand zu versetzen."

Man erinnert sich hierbei zunächst an die Erfahrung, daß es bei willkür¬
lichen Maßregeln gewöhnlich nicht schwer ist, ein bereits existirendes Gesetz zu
entdecken, das auf den Fall zu passen scheint, mögen die Opfer nun Prinzen
oder Priester oder sonst etwas bei den Gewalthabern mißliebiges sein. Aber


Grenzboten I. 183". 69


Die erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich.

as neue Kabinet in Paris hat seine Thätigkeit mit einer Ma߬
regel begonnen, die wir weder für staatsklug noch für billig halten
können, sonst aber hat es bis jetzt mehr Glück und Erfolg gehabt
als viele seiner zahlreichen Vorgänger, Die angedeutete Ma߬
regel war die Entfernung der orleanistischen Prinzen von den
Stellen, die sie in der Armee bekleideten. Durch Dekrete, die vom Kriegsminister
General Thibaudin entworfen und von ihm und dem Präsidenten Grevy unter¬
zeichnet waren, wurde der militärischen Laufbahn des Herzogs d'Aumale, der
als Divisionsgeneral diente, des Herzogs de Chartres, Obersten des zwölften
Regiments reitender Jäger, und des Herzogs d'Alm?on, Hauptmanns im zwölften
Artillerieregiment, plötzlich ein gewaltsames Ende gemacht. Die Dekrete wurden
durch einen kurzen Bericht des Kriegsministers begründet, in welchem es hieß:

„Die öffentliche Meinung ist durch die Mißstände erregt worden, die aus
dem Verbleiben von Offizieren aus Familien, welche in Frankreich regiert haben,
in der Armee entspringen. Es ist in der That richtig, daß die großen Grund¬
sätze militärischer Unterordnung und gleichförmiger Disziplin durch die Truppen,
welche von Offizieren befehligt werden, deren Geburt sie in eine Ausnahme¬
stellung versetzt, geschädigt werden könnten. Ich bin daher der Meinung, Herr
Präsident, daß Grund vorhanden sei, auf die Offiziere, deren Namen ich folgen
lasse, die Gesetze von 1834 und 1875 anzuwenden und sie durch Zurücknahme
ihrer Patente in Ruhestand zu versetzen."

Man erinnert sich hierbei zunächst an die Erfahrung, daß es bei willkür¬
lichen Maßregeln gewöhnlich nicht schwer ist, ein bereits existirendes Gesetz zu
entdecken, das auf den Fall zu passen scheint, mögen die Opfer nun Prinzen
oder Priester oder sonst etwas bei den Gewalthabern mißliebiges sein. Aber


Grenzboten I. 183». 69
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[0553] [Abbildung] Die erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich. as neue Kabinet in Paris hat seine Thätigkeit mit einer Ma߬ regel begonnen, die wir weder für staatsklug noch für billig halten können, sonst aber hat es bis jetzt mehr Glück und Erfolg gehabt als viele seiner zahlreichen Vorgänger, Die angedeutete Ma߬ regel war die Entfernung der orleanistischen Prinzen von den Stellen, die sie in der Armee bekleideten. Durch Dekrete, die vom Kriegsminister General Thibaudin entworfen und von ihm und dem Präsidenten Grevy unter¬ zeichnet waren, wurde der militärischen Laufbahn des Herzogs d'Aumale, der als Divisionsgeneral diente, des Herzogs de Chartres, Obersten des zwölften Regiments reitender Jäger, und des Herzogs d'Alm?on, Hauptmanns im zwölften Artillerieregiment, plötzlich ein gewaltsames Ende gemacht. Die Dekrete wurden durch einen kurzen Bericht des Kriegsministers begründet, in welchem es hieß: „Die öffentliche Meinung ist durch die Mißstände erregt worden, die aus dem Verbleiben von Offizieren aus Familien, welche in Frankreich regiert haben, in der Armee entspringen. Es ist in der That richtig, daß die großen Grund¬ sätze militärischer Unterordnung und gleichförmiger Disziplin durch die Truppen, welche von Offizieren befehligt werden, deren Geburt sie in eine Ausnahme¬ stellung versetzt, geschädigt werden könnten. Ich bin daher der Meinung, Herr Präsident, daß Grund vorhanden sei, auf die Offiziere, deren Namen ich folgen lasse, die Gesetze von 1834 und 1875 anzuwenden und sie durch Zurücknahme ihrer Patente in Ruhestand zu versetzen." Man erinnert sich hierbei zunächst an die Erfahrung, daß es bei willkür¬ lichen Maßregeln gewöhnlich nicht schwer ist, ein bereits existirendes Gesetz zu entdecken, das auf den Fall zu passen scheint, mögen die Opfer nun Prinzen oder Priester oder sonst etwas bei den Gewalthabern mißliebiges sein. Aber Grenzboten I. 183». 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/553>, abgerufen am 26.05.2024.