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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Der Baron wollte nicht mit. Sein Fuß erlaube ihm solche wacklige Par¬
tien nicht, sagte er. So blieb auch der Graf zurück, um deu Besuch nicht allein
zu lassen. Aber Dorothea, meinte der Baron, würde Vergnügen an der
Wasserfahrt finden und Herr Eschenburg würde sie vielleicht begleiten wollen.

In der That fanden beide Vergnügen daran, und fast ohne zu wissen, wie
ihnen geschah, gingen sie, ob dieser frohen Aussicht eines ungestörten Beisammen¬
seins ganz befangen, hinunter an den Strand.

Der junge Degenhard richtete die Art und Weise der Ausfahrt ein. Er
war mit dein Fischfang ebenso vertraut wie mit der Jagd. Gemeinsam mit
seinem Vater trug er das Netz herbei und schob mit Hilfe des Schiffers, den
Eberhard: mitgebracht hatte, des Grafen Boot ins Wasser. Dann half Eber¬
hard! seiner Dame in das Schiffchen, worin er gekommen war, und behielt dessen
Besitzer bei sich, die Degenhards aber besetzten das andre Fahrzeug, und neben
einander ruderten sie hinaus.

Sie sind ein geschickter Mann, mein liebenswürdiger Freund, wenn dies
Arrangement dnrch Ihre Klugheit zustande gekommen ist, sagte Dorothea in
englischer Sprache mit einem Lächeln, worin Eberhard: ebensowohl einen scherzend
gemeinten Vorwurf, als die glücklichste Zufriedenheit lesen konnte.

O, meine angebetete Dorothea, erwiederte er, ich verehre ohne irgend welchen
Stolz auf meine Voraussicht nur die gütige Hand eines schützenden Genius in
dieser entzückenden Gelegenheit, Ihnen allein nahe zu sein.

Wirklich? sagte sie nachdenklich, den Blick auf das hübsche, braune Gesicht
des jungen Degenhard richtend. Dann wäre es nicht unmöglich -- aber ich
weiß nicht, ob ich mich darüber freuen darf --, daß meine gute Millicent in¬
direkt die gütige Hand lenkt, die Sie verehren.

Der junge Degenhard bemerkte wohl den Blick, der forschend auf ihm
ruhte, aber er saß ungemein ehrbar da und schien sich allein um das Netz zu
bekümmern, das nun von den Männern zwischen beiden Booten ausgebreitet
ward und, von bleiernen Gewichten nach unter gezogen, durch die Fluten hin¬
schleppte. Man war aus der Bucht heraus in die offene See gekommen, die
Ruder waren eingezogen und die Segel entfaltet, mit halbem Winde zogen
die Schiffe nordwärts, und nur das leise Plätschern am Kiel unterbrach die
leuchtende, glitzernde Stille. Eberhardt hatte das Tau des Segels und das
Steuerruder seines Fahrzeuges in Händen, während der Schiffer mit dem Netze
beschäftigt war, und er blickte mit ruhiger Wonne auf die geliebte Gestalt ihm
gegenüber.

Ich bin sehr geneigt, alles zu verehren, was uns beschützt, sagte er, und
keinen Genius zu verschmähen, der meiner Sehnsucht zu Hilfe kommt. Sie
haben wohl keine Ahnung davon, meine stolze Freundin, mit welcher Anziehungs¬
kraft Sie ausgestattet sind und mit welcher Dankbarkeit ich jede Minute be¬
trachte, die mir den Anblick Ihres geliebten Antlitzes und den süßen Ton Ihrer


Die Grafen von Altenschwerdt.

Der Baron wollte nicht mit. Sein Fuß erlaube ihm solche wacklige Par¬
tien nicht, sagte er. So blieb auch der Graf zurück, um deu Besuch nicht allein
zu lassen. Aber Dorothea, meinte der Baron, würde Vergnügen an der
Wasserfahrt finden und Herr Eschenburg würde sie vielleicht begleiten wollen.

In der That fanden beide Vergnügen daran, und fast ohne zu wissen, wie
ihnen geschah, gingen sie, ob dieser frohen Aussicht eines ungestörten Beisammen¬
seins ganz befangen, hinunter an den Strand.

Der junge Degenhard richtete die Art und Weise der Ausfahrt ein. Er
war mit dein Fischfang ebenso vertraut wie mit der Jagd. Gemeinsam mit
seinem Vater trug er das Netz herbei und schob mit Hilfe des Schiffers, den
Eberhard: mitgebracht hatte, des Grafen Boot ins Wasser. Dann half Eber¬
hard! seiner Dame in das Schiffchen, worin er gekommen war, und behielt dessen
Besitzer bei sich, die Degenhards aber besetzten das andre Fahrzeug, und neben
einander ruderten sie hinaus.

Sie sind ein geschickter Mann, mein liebenswürdiger Freund, wenn dies
Arrangement dnrch Ihre Klugheit zustande gekommen ist, sagte Dorothea in
englischer Sprache mit einem Lächeln, worin Eberhard: ebensowohl einen scherzend
gemeinten Vorwurf, als die glücklichste Zufriedenheit lesen konnte.

O, meine angebetete Dorothea, erwiederte er, ich verehre ohne irgend welchen
Stolz auf meine Voraussicht nur die gütige Hand eines schützenden Genius in
dieser entzückenden Gelegenheit, Ihnen allein nahe zu sein.

Wirklich? sagte sie nachdenklich, den Blick auf das hübsche, braune Gesicht
des jungen Degenhard richtend. Dann wäre es nicht unmöglich — aber ich
weiß nicht, ob ich mich darüber freuen darf —, daß meine gute Millicent in¬
direkt die gütige Hand lenkt, die Sie verehren.

Der junge Degenhard bemerkte wohl den Blick, der forschend auf ihm
ruhte, aber er saß ungemein ehrbar da und schien sich allein um das Netz zu
bekümmern, das nun von den Männern zwischen beiden Booten ausgebreitet
ward und, von bleiernen Gewichten nach unter gezogen, durch die Fluten hin¬
schleppte. Man war aus der Bucht heraus in die offene See gekommen, die
Ruder waren eingezogen und die Segel entfaltet, mit halbem Winde zogen
die Schiffe nordwärts, und nur das leise Plätschern am Kiel unterbrach die
leuchtende, glitzernde Stille. Eberhardt hatte das Tau des Segels und das
Steuerruder seines Fahrzeuges in Händen, während der Schiffer mit dem Netze
beschäftigt war, und er blickte mit ruhiger Wonne auf die geliebte Gestalt ihm
gegenüber.

Ich bin sehr geneigt, alles zu verehren, was uns beschützt, sagte er, und
keinen Genius zu verschmähen, der meiner Sehnsucht zu Hilfe kommt. Sie
haben wohl keine Ahnung davon, meine stolze Freundin, mit welcher Anziehungs¬
kraft Sie ausgestattet sind und mit welcher Dankbarkeit ich jede Minute be¬
trachte, die mir den Anblick Ihres geliebten Antlitzes und den süßen Ton Ihrer


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[0603] Die Grafen von Altenschwerdt. Der Baron wollte nicht mit. Sein Fuß erlaube ihm solche wacklige Par¬ tien nicht, sagte er. So blieb auch der Graf zurück, um deu Besuch nicht allein zu lassen. Aber Dorothea, meinte der Baron, würde Vergnügen an der Wasserfahrt finden und Herr Eschenburg würde sie vielleicht begleiten wollen. In der That fanden beide Vergnügen daran, und fast ohne zu wissen, wie ihnen geschah, gingen sie, ob dieser frohen Aussicht eines ungestörten Beisammen¬ seins ganz befangen, hinunter an den Strand. Der junge Degenhard richtete die Art und Weise der Ausfahrt ein. Er war mit dein Fischfang ebenso vertraut wie mit der Jagd. Gemeinsam mit seinem Vater trug er das Netz herbei und schob mit Hilfe des Schiffers, den Eberhard: mitgebracht hatte, des Grafen Boot ins Wasser. Dann half Eber¬ hard! seiner Dame in das Schiffchen, worin er gekommen war, und behielt dessen Besitzer bei sich, die Degenhards aber besetzten das andre Fahrzeug, und neben einander ruderten sie hinaus. Sie sind ein geschickter Mann, mein liebenswürdiger Freund, wenn dies Arrangement dnrch Ihre Klugheit zustande gekommen ist, sagte Dorothea in englischer Sprache mit einem Lächeln, worin Eberhard: ebensowohl einen scherzend gemeinten Vorwurf, als die glücklichste Zufriedenheit lesen konnte. O, meine angebetete Dorothea, erwiederte er, ich verehre ohne irgend welchen Stolz auf meine Voraussicht nur die gütige Hand eines schützenden Genius in dieser entzückenden Gelegenheit, Ihnen allein nahe zu sein. Wirklich? sagte sie nachdenklich, den Blick auf das hübsche, braune Gesicht des jungen Degenhard richtend. Dann wäre es nicht unmöglich — aber ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen darf —, daß meine gute Millicent in¬ direkt die gütige Hand lenkt, die Sie verehren. Der junge Degenhard bemerkte wohl den Blick, der forschend auf ihm ruhte, aber er saß ungemein ehrbar da und schien sich allein um das Netz zu bekümmern, das nun von den Männern zwischen beiden Booten ausgebreitet ward und, von bleiernen Gewichten nach unter gezogen, durch die Fluten hin¬ schleppte. Man war aus der Bucht heraus in die offene See gekommen, die Ruder waren eingezogen und die Segel entfaltet, mit halbem Winde zogen die Schiffe nordwärts, und nur das leise Plätschern am Kiel unterbrach die leuchtende, glitzernde Stille. Eberhardt hatte das Tau des Segels und das Steuerruder seines Fahrzeuges in Händen, während der Schiffer mit dem Netze beschäftigt war, und er blickte mit ruhiger Wonne auf die geliebte Gestalt ihm gegenüber. Ich bin sehr geneigt, alles zu verehren, was uns beschützt, sagte er, und keinen Genius zu verschmähen, der meiner Sehnsucht zu Hilfe kommt. Sie haben wohl keine Ahnung davon, meine stolze Freundin, mit welcher Anziehungs¬ kraft Sie ausgestattet sind und mit welcher Dankbarkeit ich jede Minute be¬ trachte, die mir den Anblick Ihres geliebten Antlitzes und den süßen Ton Ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/603>, abgerufen am 27.05.2024.