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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

Diese Schale aber berechtigt ihn ferner, dem Schopenhauerschen Willens¬
monismus oder Pantheismus einen Geistesmonismus oder Pcmpneumatismus
entgegenzustellen. Mai? sieht, wie sich die "Jsmusse" lustig mehren; sie können
auch zu Jsthmussen werden, um von Meeren abgeschlossene Landschaften mit
einander zu verknüpfen, und du, alter Mucker Poseidon, meine ja nicht solche
Jsthmusse von einander reißen zu können, dazu gehören feinere Instrumente,
als dein alter massiver Dreizack! Mau denke: erst ein konkreter Monismus,
d. h. die Behauptung, daß alles, was ist, in eine Vielheit von Wesen gespalten
in Raum und Zeit sein muß, und daß es Welt außer Raum und Zeit nicht
giebt, oder, wie Hartniann selbst sagt, Aufrechterhaltung der Natur als
"objektiv-realer, raumzeitlicher Erscheinung," als "Manifestation des Welt-
wcsens" -- und nnn auf einmal darauf geschraubt Geistesmonismus oder
Panpneumatismus, d. h. die Behauptung, daß alles Pneuma, Geist ist, und
daß es außer dem Allgeist nichts giebt, denn das liegt doch in der Phrase
"Monismus," wenn sie überhaupt eine Bedeutung haben soll. Also erst alles
nnr Natur und ans einmal wieder alles nur Geist, auf beiden Seiten handelt
es sich ja um einen "Monismus," und beide Behauptungen gemütlich in einem
Atem ausgesprochen! Ja unser Weltweiser schreibt: "Bei mir ist die Natur die
teleologische Vorstufe und der Sockel des Geistes, der Naturprozeß providentielles
Mittel für den Lebensprozeß des Geistes, und die natürliche wie die sittliche
Weltordnung letzten Endes nur zwei Seiten der absoluten teleologischen Welt¬
ordnung." Das geht ihm so glatt ab, als ob ein Cartesianer aus dem sieb¬
zehnten Jahrhundert ans ihm redete, und bei solchem Dualismus wagt er sich
einen "Monisten" zu nennen! Daß beide Weltordnungen, die uns entgegen¬
treten, in einer höhern, göttlichen Ordnung des Alls in eins zusammenlaufen
werden, haben auch die alten Dualisten nicht geleugnet, da hätten sich ja diese
auch "Monisten" nennen können.

Den kritischen Dualismus des menschlichen Charakters hat Hartmann verpönt,
den althergebrachten von Natur und Geist statuirt er; aber das schadet ja
seinem Monismus nichts, das paßt ja alles ganz trefflich zusammen, während
der arme Schopenhauer tief im "Widerspruch" steckt und nicht herauskann.
Mit solchen einander aufhebenden Phrasen darf der Philosoph des neunzehnten
Jahrhunderts prahlen, ohne daß sein Publikum ungeduldig wird und ihm zu¬
ruft: Nun halt aber endlich--, wir haben nun des sinnvoll klingenden
Unsinns übergenug!

Der Philosoph orakelt dann weiter, daß bei ihm -- immer wieder heißt
es "bei mir" -- die Vernunft "das logische Formalprinzip der mit dem Willen
untrennbar geeinten Idee" sei, und daß sie so "den gesamten Inhalt des Welt¬
prozesses regle und bestimme." An sich wäre es wohl ein schlimmes Ding,
wenn wir auf die Vernunft "bei" diesem Herrn v. Hartmann warten müßten, bis
sie den Weltprozeß regelt; aber ist denn nicht gerade "bei" diesem Herrn der


Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

Diese Schale aber berechtigt ihn ferner, dem Schopenhauerschen Willens¬
monismus oder Pantheismus einen Geistesmonismus oder Pcmpneumatismus
entgegenzustellen. Mai? sieht, wie sich die „Jsmusse" lustig mehren; sie können
auch zu Jsthmussen werden, um von Meeren abgeschlossene Landschaften mit
einander zu verknüpfen, und du, alter Mucker Poseidon, meine ja nicht solche
Jsthmusse von einander reißen zu können, dazu gehören feinere Instrumente,
als dein alter massiver Dreizack! Mau denke: erst ein konkreter Monismus,
d. h. die Behauptung, daß alles, was ist, in eine Vielheit von Wesen gespalten
in Raum und Zeit sein muß, und daß es Welt außer Raum und Zeit nicht
giebt, oder, wie Hartniann selbst sagt, Aufrechterhaltung der Natur als
„objektiv-realer, raumzeitlicher Erscheinung," als „Manifestation des Welt-
wcsens" — und nnn auf einmal darauf geschraubt Geistesmonismus oder
Panpneumatismus, d. h. die Behauptung, daß alles Pneuma, Geist ist, und
daß es außer dem Allgeist nichts giebt, denn das liegt doch in der Phrase
„Monismus," wenn sie überhaupt eine Bedeutung haben soll. Also erst alles
nnr Natur und ans einmal wieder alles nur Geist, auf beiden Seiten handelt
es sich ja um einen „Monismus," und beide Behauptungen gemütlich in einem
Atem ausgesprochen! Ja unser Weltweiser schreibt: „Bei mir ist die Natur die
teleologische Vorstufe und der Sockel des Geistes, der Naturprozeß providentielles
Mittel für den Lebensprozeß des Geistes, und die natürliche wie die sittliche
Weltordnung letzten Endes nur zwei Seiten der absoluten teleologischen Welt¬
ordnung." Das geht ihm so glatt ab, als ob ein Cartesianer aus dem sieb¬
zehnten Jahrhundert ans ihm redete, und bei solchem Dualismus wagt er sich
einen „Monisten" zu nennen! Daß beide Weltordnungen, die uns entgegen¬
treten, in einer höhern, göttlichen Ordnung des Alls in eins zusammenlaufen
werden, haben auch die alten Dualisten nicht geleugnet, da hätten sich ja diese
auch „Monisten" nennen können.

Den kritischen Dualismus des menschlichen Charakters hat Hartmann verpönt,
den althergebrachten von Natur und Geist statuirt er; aber das schadet ja
seinem Monismus nichts, das paßt ja alles ganz trefflich zusammen, während
der arme Schopenhauer tief im „Widerspruch" steckt und nicht herauskann.
Mit solchen einander aufhebenden Phrasen darf der Philosoph des neunzehnten
Jahrhunderts prahlen, ohne daß sein Publikum ungeduldig wird und ihm zu¬
ruft: Nun halt aber endlich--, wir haben nun des sinnvoll klingenden
Unsinns übergenug!

Der Philosoph orakelt dann weiter, daß bei ihm — immer wieder heißt
es „bei mir" — die Vernunft „das logische Formalprinzip der mit dem Willen
untrennbar geeinten Idee" sei, und daß sie so „den gesamten Inhalt des Welt¬
prozesses regle und bestimme." An sich wäre es wohl ein schlimmes Ding,
wenn wir auf die Vernunft „bei" diesem Herrn v. Hartmann warten müßten, bis
sie den Weltprozeß regelt; aber ist denn nicht gerade „bei" diesem Herrn der


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[0142] Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe. Diese Schale aber berechtigt ihn ferner, dem Schopenhauerschen Willens¬ monismus oder Pantheismus einen Geistesmonismus oder Pcmpneumatismus entgegenzustellen. Mai? sieht, wie sich die „Jsmusse" lustig mehren; sie können auch zu Jsthmussen werden, um von Meeren abgeschlossene Landschaften mit einander zu verknüpfen, und du, alter Mucker Poseidon, meine ja nicht solche Jsthmusse von einander reißen zu können, dazu gehören feinere Instrumente, als dein alter massiver Dreizack! Mau denke: erst ein konkreter Monismus, d. h. die Behauptung, daß alles, was ist, in eine Vielheit von Wesen gespalten in Raum und Zeit sein muß, und daß es Welt außer Raum und Zeit nicht giebt, oder, wie Hartniann selbst sagt, Aufrechterhaltung der Natur als „objektiv-realer, raumzeitlicher Erscheinung," als „Manifestation des Welt- wcsens" — und nnn auf einmal darauf geschraubt Geistesmonismus oder Panpneumatismus, d. h. die Behauptung, daß alles Pneuma, Geist ist, und daß es außer dem Allgeist nichts giebt, denn das liegt doch in der Phrase „Monismus," wenn sie überhaupt eine Bedeutung haben soll. Also erst alles nnr Natur und ans einmal wieder alles nur Geist, auf beiden Seiten handelt es sich ja um einen „Monismus," und beide Behauptungen gemütlich in einem Atem ausgesprochen! Ja unser Weltweiser schreibt: „Bei mir ist die Natur die teleologische Vorstufe und der Sockel des Geistes, der Naturprozeß providentielles Mittel für den Lebensprozeß des Geistes, und die natürliche wie die sittliche Weltordnung letzten Endes nur zwei Seiten der absoluten teleologischen Welt¬ ordnung." Das geht ihm so glatt ab, als ob ein Cartesianer aus dem sieb¬ zehnten Jahrhundert ans ihm redete, und bei solchem Dualismus wagt er sich einen „Monisten" zu nennen! Daß beide Weltordnungen, die uns entgegen¬ treten, in einer höhern, göttlichen Ordnung des Alls in eins zusammenlaufen werden, haben auch die alten Dualisten nicht geleugnet, da hätten sich ja diese auch „Monisten" nennen können. Den kritischen Dualismus des menschlichen Charakters hat Hartmann verpönt, den althergebrachten von Natur und Geist statuirt er; aber das schadet ja seinem Monismus nichts, das paßt ja alles ganz trefflich zusammen, während der arme Schopenhauer tief im „Widerspruch" steckt und nicht herauskann. Mit solchen einander aufhebenden Phrasen darf der Philosoph des neunzehnten Jahrhunderts prahlen, ohne daß sein Publikum ungeduldig wird und ihm zu¬ ruft: Nun halt aber endlich--, wir haben nun des sinnvoll klingenden Unsinns übergenug! Der Philosoph orakelt dann weiter, daß bei ihm — immer wieder heißt es „bei mir" — die Vernunft „das logische Formalprinzip der mit dem Willen untrennbar geeinten Idee" sei, und daß sie so „den gesamten Inhalt des Welt¬ prozesses regle und bestimme." An sich wäre es wohl ein schlimmes Ding, wenn wir auf die Vernunft „bei" diesem Herrn v. Hartmann warten müßten, bis sie den Weltprozeß regelt; aber ist denn nicht gerade „bei" diesem Herrn der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/142>, abgerufen am 15.06.2024.