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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

Welchem jeder Einzelne für sich das Beste zu erreichen strebt, die relativ größte
Wohlfahrt des Ganzen hervor.

Dieselben Gründe, welche es als verwerflich erscheinen lassen, daß der
Staat die Gütererzeugung in ihrer Gesamtheit in die Hand nehme, stehen grund¬
sätzlich auch entgegen, daß der Staat im Einzelnen, sei es ausschließlich, sei es
mit Zulassung der Konkurrenz von Privaten, Gütererzeugung betreibe. Der
Staat kann einen Betrieb dieser Art nur durch Vertreter, Beamte, leiten. Ein
jeder durch Vertreter geleitete Betrieb wird aber in der Regel einen schlechter"
Erfolg aufweisen als derjenige, hinter welchem das eigne Interesse des Unter¬
nehmers steht. Der Staat produzirt daher in der Regel schlechter als der
Private. Dazu kommt, daß viele wirtschaftliche Betriebe mehr oder minder ein
Wagnis in sich tragen. Nur durch Wagnisse der mannichfaltigsten Art ist unsre
Gütererzeugung zu derjenigen Höhe gelangt, auf welcher sie jetzt steht. Wer
aber Wagnisse unternehmen will, muß dies auf eigne Gefahr thun. Wer mit
fremdem Gelde operirt -- und das thut der Staat mit dem Gelde der Steuer¬
zahler --, darf sich in der Regel nicht zu Wagnissen berufen fühlen. Endlich
würde es auch vielseitig als verletzend empfunden werden, wenn der Staat mit
seiner Fülle von Macht und Geldmitteln in den Kampf, der bei der Güter-
Produktion unvermeidlich ist, mit eintreten und dadurch vielleicht manchen Pri¬
vaten, der mit den besten Kräften um seine Existenz ringt, schädigen und unter¬
drücken wollte.

Beiläufig bemerkt, treten diese Gründe, welche man mit vollem Rechte dem
Geschäftsbetriebe des Staates entgegenstellt, zum großen Teil auch dem Be¬
triebe der Aktiengesellschaften entgegen. Die Aktiengesellschaft hat unzweifelhaft
ihre Berechtigung darin, daß es Unternehmungen giebt, für welche die Mittel
einzelner nicht ausreichen und welche daher nur durch die kapitalistische Kraft
vieler ins Leben gerufen werden können. Aber der Betrieb der Aktiengesell¬
schaften leidet an demselben Hauptmangel, der dem Staatsbetriebe zum Vorwurfe
gereicht, daß nämlich nicht das Interesse des Eigentümers unmittelbar dahinter
steht, sondern der Betrieb durch Vertreter, Beamte, geleitet werden muß. Zwar
sucht man das Interesse dieser Beamten dadurch dem des Eigentümers analog zu
gestalten, daß man ihnen neben ihrem Gehalt noch einen Anteil am Gewinne
gewährt. Aber dies reicht nicht immer aus, um in ihrer Hand eine gedeihliche
Leitung des Unternehmens zu sichern. Auch die beaufsichtigenden Organe, Vor¬
stände und Aufsichtsrate, haben nicht immer die Kraft bewiesen, welche das
eigne Interesse des Eigentümers in sich trägt. Und hierauf beruht die Täu¬
schung, die mit dem Aktienwesen verbunden ist und der so viele schon zum
Opfer gefallen sind. Auch darin geht der Betrieb der Aktiengesellschaften mit
dem Betriebe des Staates parallel, daß er leicht dahin sührt, Einzelexistenzen
zu unterdrücken. Gar manches in tadellosem Betriebe befindliche Geschäft eines
Einzelnen konnte nicht fortbestehen, wenn eine mächtige Aktiengesellschaft mit


Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

Welchem jeder Einzelne für sich das Beste zu erreichen strebt, die relativ größte
Wohlfahrt des Ganzen hervor.

Dieselben Gründe, welche es als verwerflich erscheinen lassen, daß der
Staat die Gütererzeugung in ihrer Gesamtheit in die Hand nehme, stehen grund¬
sätzlich auch entgegen, daß der Staat im Einzelnen, sei es ausschließlich, sei es
mit Zulassung der Konkurrenz von Privaten, Gütererzeugung betreibe. Der
Staat kann einen Betrieb dieser Art nur durch Vertreter, Beamte, leiten. Ein
jeder durch Vertreter geleitete Betrieb wird aber in der Regel einen schlechter»
Erfolg aufweisen als derjenige, hinter welchem das eigne Interesse des Unter¬
nehmers steht. Der Staat produzirt daher in der Regel schlechter als der
Private. Dazu kommt, daß viele wirtschaftliche Betriebe mehr oder minder ein
Wagnis in sich tragen. Nur durch Wagnisse der mannichfaltigsten Art ist unsre
Gütererzeugung zu derjenigen Höhe gelangt, auf welcher sie jetzt steht. Wer
aber Wagnisse unternehmen will, muß dies auf eigne Gefahr thun. Wer mit
fremdem Gelde operirt — und das thut der Staat mit dem Gelde der Steuer¬
zahler —, darf sich in der Regel nicht zu Wagnissen berufen fühlen. Endlich
würde es auch vielseitig als verletzend empfunden werden, wenn der Staat mit
seiner Fülle von Macht und Geldmitteln in den Kampf, der bei der Güter-
Produktion unvermeidlich ist, mit eintreten und dadurch vielleicht manchen Pri¬
vaten, der mit den besten Kräften um seine Existenz ringt, schädigen und unter¬
drücken wollte.

Beiläufig bemerkt, treten diese Gründe, welche man mit vollem Rechte dem
Geschäftsbetriebe des Staates entgegenstellt, zum großen Teil auch dem Be¬
triebe der Aktiengesellschaften entgegen. Die Aktiengesellschaft hat unzweifelhaft
ihre Berechtigung darin, daß es Unternehmungen giebt, für welche die Mittel
einzelner nicht ausreichen und welche daher nur durch die kapitalistische Kraft
vieler ins Leben gerufen werden können. Aber der Betrieb der Aktiengesell¬
schaften leidet an demselben Hauptmangel, der dem Staatsbetriebe zum Vorwurfe
gereicht, daß nämlich nicht das Interesse des Eigentümers unmittelbar dahinter
steht, sondern der Betrieb durch Vertreter, Beamte, geleitet werden muß. Zwar
sucht man das Interesse dieser Beamten dadurch dem des Eigentümers analog zu
gestalten, daß man ihnen neben ihrem Gehalt noch einen Anteil am Gewinne
gewährt. Aber dies reicht nicht immer aus, um in ihrer Hand eine gedeihliche
Leitung des Unternehmens zu sichern. Auch die beaufsichtigenden Organe, Vor¬
stände und Aufsichtsrate, haben nicht immer die Kraft bewiesen, welche das
eigne Interesse des Eigentümers in sich trägt. Und hierauf beruht die Täu¬
schung, die mit dem Aktienwesen verbunden ist und der so viele schon zum
Opfer gefallen sind. Auch darin geht der Betrieb der Aktiengesellschaften mit
dem Betriebe des Staates parallel, daß er leicht dahin sührt, Einzelexistenzen
zu unterdrücken. Gar manches in tadellosem Betriebe befindliche Geschäft eines
Einzelnen konnte nicht fortbestehen, wenn eine mächtige Aktiengesellschaft mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/16>, abgerufen am 22.05.2024.