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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Das Ministerium Sverdrup in Norwegen.

suchen. Außerdem soll die Förderung der materiellen und geistigen Entwicklung
unter Wahrung der Sparsamkeit im Staatshaushalt, welche sich mit dem Prinzip
des gleichmäßigen Fortschrittes vereinigen läßt, gefördert werden.

Der Führer der Opposition hat denn also durch seine jahrelang fort¬
gesetzten Angriffe gegen die Regierung in der That das heiß ersehnte Ziel er¬
reicht: er sitzt mit seinen Genossen auf den langbegchrteu Ministersesseln, der
König hat sich -- mit welchen Gefühlen, kann man sich vorstellen -- endlich
herabgelassen, dem erbitterten Gegner die Leitung der Regierung zu über¬
tragen. Was dieser Schritt in Wirklichkeit für eine Bedeutung hat, ist klar:
die Bestellung dieses Ministeriums ist nicht ein Kompromiß zwischen den Rechten
der Krone und den Forderungen der Opposition, sondern ein vollständiger Ver¬
zicht der ersten auf ihre Rechte, welcher nur durch einige formelle Konzessionen
der Opposition beschönigt werden soll. Wie schon in einem früheren Aufsatze
in diesen Blättern (in Ur. 13 dieses Jahrganges) dargelegt wurde, handelt es
sich in den bestehenden Konflikten zwischen der Krone und der Storthingsoppo-
sition hauptsächlich um drei Punkte: um die Aufrechterhaltung des absoluten
königlichen Vetos in Verfassungsänderungsfragen (speziell um die Zulassung der
Minister zu den Storthingsverhandlungen), um die Ausführung des Storthings-
beschlusses über die Volksbcwasfnungsvereine (mit andern Worten um die
Schaffung eines dem königlichen Befehle entzogenen Parlamentsheeres) und um
die Aufnahme von zwei Storthingsmitgliedern in die zentrale Eisenbahnadmi-
nistration. In allen diesen Punkten hat der König nachgegeben, und zwar im
letzten Punkte ohne jede Einschränkung, im ersten Punkte in der Art, daß die
Zulassung der Staatsrüte zu den Storthingsverhandlungen vom Könige genehmigt
wird, die Staatsräte aber erst nach dieser erfolgten Genehmigung bei den Be¬
ratungen des Storthings erscheinen, im zweiten Punkte in der Art, daß für die
Volksbewaffnuugsvereine gewisse Bürgschaften von Storthing beschlossen werden,
worauf die für sie gemachte Bewilligung vom Könige bestätigt wird.

Die Linke hat durch diese Vereinbarung in dem Kampfe mit der Krone
vollständig gesiegt, denn die wenigen, ihren Forderungen beigefügten Einschrän¬
kungen sind rein formaler Natur und in der Sache selbst ohne alle Bedeutung.
Daß das Kabinet Sverdrup beabsichtigt, die von ihm bisher verfochtenen Grund¬
sätze durchzuführen und damit die Demokratisirnng des Reiches zu vervollstän¬
digen, ergiebt sich aus dem oben angeführten Programm desselben, und daß
das Storthing in seiner Mehrheit durchaus gesonnen ist, seine früheren Wege
weiter zu verfolgen, zeigt die Wahl des radikalen Rektor Steen zum Vor¬
sitzenden an Stelle des abgegangenen Sverdrup. Die Macht des Königs ist
mit der thatsächlichen Beseitigung des absoluten Vetos in Verfassungsfragen auf¬
gehoben; die durch die Einrichtung einer einzigen Kammer begünstigte Herrschaft
des Parlamentarismus wird durch die projektirte Ausdehnung des Wahlrechts
auf früher politisch bedeutungslos gewesene Volksklassen zu gunsten der radi-


Das Ministerium Sverdrup in Norwegen.

suchen. Außerdem soll die Förderung der materiellen und geistigen Entwicklung
unter Wahrung der Sparsamkeit im Staatshaushalt, welche sich mit dem Prinzip
des gleichmäßigen Fortschrittes vereinigen läßt, gefördert werden.

Der Führer der Opposition hat denn also durch seine jahrelang fort¬
gesetzten Angriffe gegen die Regierung in der That das heiß ersehnte Ziel er¬
reicht: er sitzt mit seinen Genossen auf den langbegchrteu Ministersesseln, der
König hat sich — mit welchen Gefühlen, kann man sich vorstellen — endlich
herabgelassen, dem erbitterten Gegner die Leitung der Regierung zu über¬
tragen. Was dieser Schritt in Wirklichkeit für eine Bedeutung hat, ist klar:
die Bestellung dieses Ministeriums ist nicht ein Kompromiß zwischen den Rechten
der Krone und den Forderungen der Opposition, sondern ein vollständiger Ver¬
zicht der ersten auf ihre Rechte, welcher nur durch einige formelle Konzessionen
der Opposition beschönigt werden soll. Wie schon in einem früheren Aufsatze
in diesen Blättern (in Ur. 13 dieses Jahrganges) dargelegt wurde, handelt es
sich in den bestehenden Konflikten zwischen der Krone und der Storthingsoppo-
sition hauptsächlich um drei Punkte: um die Aufrechterhaltung des absoluten
königlichen Vetos in Verfassungsänderungsfragen (speziell um die Zulassung der
Minister zu den Storthingsverhandlungen), um die Ausführung des Storthings-
beschlusses über die Volksbcwasfnungsvereine (mit andern Worten um die
Schaffung eines dem königlichen Befehle entzogenen Parlamentsheeres) und um
die Aufnahme von zwei Storthingsmitgliedern in die zentrale Eisenbahnadmi-
nistration. In allen diesen Punkten hat der König nachgegeben, und zwar im
letzten Punkte ohne jede Einschränkung, im ersten Punkte in der Art, daß die
Zulassung der Staatsrüte zu den Storthingsverhandlungen vom Könige genehmigt
wird, die Staatsräte aber erst nach dieser erfolgten Genehmigung bei den Be¬
ratungen des Storthings erscheinen, im zweiten Punkte in der Art, daß für die
Volksbewaffnuugsvereine gewisse Bürgschaften von Storthing beschlossen werden,
worauf die für sie gemachte Bewilligung vom Könige bestätigt wird.

Die Linke hat durch diese Vereinbarung in dem Kampfe mit der Krone
vollständig gesiegt, denn die wenigen, ihren Forderungen beigefügten Einschrän¬
kungen sind rein formaler Natur und in der Sache selbst ohne alle Bedeutung.
Daß das Kabinet Sverdrup beabsichtigt, die von ihm bisher verfochtenen Grund¬
sätze durchzuführen und damit die Demokratisirnng des Reiches zu vervollstän¬
digen, ergiebt sich aus dem oben angeführten Programm desselben, und daß
das Storthing in seiner Mehrheit durchaus gesonnen ist, seine früheren Wege
weiter zu verfolgen, zeigt die Wahl des radikalen Rektor Steen zum Vor¬
sitzenden an Stelle des abgegangenen Sverdrup. Die Macht des Königs ist
mit der thatsächlichen Beseitigung des absoluten Vetos in Verfassungsfragen auf¬
gehoben; die durch die Einrichtung einer einzigen Kammer begünstigte Herrschaft
des Parlamentarismus wird durch die projektirte Ausdehnung des Wahlrechts
auf früher politisch bedeutungslos gewesene Volksklassen zu gunsten der radi-


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[0162] Das Ministerium Sverdrup in Norwegen. suchen. Außerdem soll die Förderung der materiellen und geistigen Entwicklung unter Wahrung der Sparsamkeit im Staatshaushalt, welche sich mit dem Prinzip des gleichmäßigen Fortschrittes vereinigen läßt, gefördert werden. Der Führer der Opposition hat denn also durch seine jahrelang fort¬ gesetzten Angriffe gegen die Regierung in der That das heiß ersehnte Ziel er¬ reicht: er sitzt mit seinen Genossen auf den langbegchrteu Ministersesseln, der König hat sich — mit welchen Gefühlen, kann man sich vorstellen — endlich herabgelassen, dem erbitterten Gegner die Leitung der Regierung zu über¬ tragen. Was dieser Schritt in Wirklichkeit für eine Bedeutung hat, ist klar: die Bestellung dieses Ministeriums ist nicht ein Kompromiß zwischen den Rechten der Krone und den Forderungen der Opposition, sondern ein vollständiger Ver¬ zicht der ersten auf ihre Rechte, welcher nur durch einige formelle Konzessionen der Opposition beschönigt werden soll. Wie schon in einem früheren Aufsatze in diesen Blättern (in Ur. 13 dieses Jahrganges) dargelegt wurde, handelt es sich in den bestehenden Konflikten zwischen der Krone und der Storthingsoppo- sition hauptsächlich um drei Punkte: um die Aufrechterhaltung des absoluten königlichen Vetos in Verfassungsänderungsfragen (speziell um die Zulassung der Minister zu den Storthingsverhandlungen), um die Ausführung des Storthings- beschlusses über die Volksbcwasfnungsvereine (mit andern Worten um die Schaffung eines dem königlichen Befehle entzogenen Parlamentsheeres) und um die Aufnahme von zwei Storthingsmitgliedern in die zentrale Eisenbahnadmi- nistration. In allen diesen Punkten hat der König nachgegeben, und zwar im letzten Punkte ohne jede Einschränkung, im ersten Punkte in der Art, daß die Zulassung der Staatsrüte zu den Storthingsverhandlungen vom Könige genehmigt wird, die Staatsräte aber erst nach dieser erfolgten Genehmigung bei den Be¬ ratungen des Storthings erscheinen, im zweiten Punkte in der Art, daß für die Volksbewaffnuugsvereine gewisse Bürgschaften von Storthing beschlossen werden, worauf die für sie gemachte Bewilligung vom Könige bestätigt wird. Die Linke hat durch diese Vereinbarung in dem Kampfe mit der Krone vollständig gesiegt, denn die wenigen, ihren Forderungen beigefügten Einschrän¬ kungen sind rein formaler Natur und in der Sache selbst ohne alle Bedeutung. Daß das Kabinet Sverdrup beabsichtigt, die von ihm bisher verfochtenen Grund¬ sätze durchzuführen und damit die Demokratisirnng des Reiches zu vervollstän¬ digen, ergiebt sich aus dem oben angeführten Programm desselben, und daß das Storthing in seiner Mehrheit durchaus gesonnen ist, seine früheren Wege weiter zu verfolgen, zeigt die Wahl des radikalen Rektor Steen zum Vor¬ sitzenden an Stelle des abgegangenen Sverdrup. Die Macht des Königs ist mit der thatsächlichen Beseitigung des absoluten Vetos in Verfassungsfragen auf¬ gehoben; die durch die Einrichtung einer einzigen Kammer begünstigte Herrschaft des Parlamentarismus wird durch die projektirte Ausdehnung des Wahlrechts auf früher politisch bedeutungslos gewesene Volksklassen zu gunsten der radi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/162>, abgerufen am 15.06.2024.