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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Das Ministerium Sverdrup in Norwegen.

talem Demokraten noch verstärkt; die Armee wird zufolge den früher im Stor-
thing angenommenen Sverdrupschen Gesetzentwürfen dem Milizsysteme genähert
und durch die neben derselben zu errichtenden, dem königlichen Oberbefehle mehr
oder minder entzogenen Volksbewaffungsvereine vollends in ihrer Wirksamkeit
gelähmt; durch die Einführung der Schwurgerichte wird die Integrität der
Rechtspflege, namentlich in sogenannten politischen Prozessen, aufs schwerste
gefährdet.

Das Zögern in Ergreifung einer entschlossenen Politik unmittelbar nach
dem Abschlüsse der schamlosen Neichsgerichtskomödie, wo der Zeitpunkt gegeben
war, Macht gegen Macht zu stellen und die Anmaßungen der Opposition mit
Energie niederzuschlagen, hat die nunmehrige Folge herbeigeführt, und es ist
gegenwärtig keine Aussicht vorhanden, durch nachträgliches Betreten dieses
Weges die erlittene Niederlage wieder gut zu machen. Man hätte sich vorher
sagen sollen, daß durch Konzessionen und nachgiebige Behandlung eine ver¬
bissene radikale Opposition niemals gewonnen werden kann; ihre Forderungen
wachsen nur mit jeder neuen Einräumung, und die noch so wohlgemeinte ver¬
söhnliche Behandlung wird nicht als friedliebende Gesinnung, sondern als
Schwäche betrachtet, welche von einer derartigen Partei stets als Aufforderung
zu neuen Angriffen angesehen wird. ?rin<zixiis odsw! sollte hier vor allem als
erster Grundsatz festgehalten werden; die Konzessionen sind aber jetzt gemacht
und können nicht mehr zurückgenommen werden.

Welchen Eindruck die Ernennung des Ministeriums Sverdrup auf die kon¬
servativen Kreise Norwegens und Schwedens gemacht hat, ergiebt sich aus den
Nachrichten der betreffenden Tagesblätter: von dem "zu Ehren des Königs"
in Christiania unternommenen Festzuge der Linken haben sich mehrere der grö¬
ßeren Korporationen der Stadt, der Handelsverein, der Studentenverein, der
Seemannsverein, ausgeschlossen; in Stockholm gaben die großen Zeitungen ihrer
tiefen Niedergeschlagenheit über die Unterwerfung des Königs unter eine revo¬
lutionäre Partei des Univnsreiches hauptsächlich in der Äußerung von Be¬
sorgnis für die Zukunft Norwegens Ausdruck, während sie, teils mit Rücksicht
auf den König, teils in der Einsicht, daß nach den vorangegangenen fortwäh¬
renden Konzessionen das Ende schließlich sein mußte, wie es geworden ist, ihrem
Unmute keine stärkeren Worte verleihen. Die neuen norwegischen Staatsräte,
welche -- wie dies bei radikalen Ministerien ja sehr erklärlich ist -- mit Aus¬
nahme der beiden Staatsminister aus untergeordneten Stellungen ohne Kenntnis
der Verwaltung und ohne Erfahrungen in die Regierung eingetreten sind, werden
sehr abfüllig beurteilt und haben denn mich weder in der Armee noch in der
Marine einen Offizier gefunden, der sich hätte entschließen können, in demselben
Ministerium mit ihnen zu sitzen.

Mag die von einigen Blättern aufgestellte Behauptung, daß dem schwedischen
Staatsministerium, insbesondre dem Minister des Auswärtigen von Hochschild,


Das Ministerium Sverdrup in Norwegen.

talem Demokraten noch verstärkt; die Armee wird zufolge den früher im Stor-
thing angenommenen Sverdrupschen Gesetzentwürfen dem Milizsysteme genähert
und durch die neben derselben zu errichtenden, dem königlichen Oberbefehle mehr
oder minder entzogenen Volksbewaffungsvereine vollends in ihrer Wirksamkeit
gelähmt; durch die Einführung der Schwurgerichte wird die Integrität der
Rechtspflege, namentlich in sogenannten politischen Prozessen, aufs schwerste
gefährdet.

Das Zögern in Ergreifung einer entschlossenen Politik unmittelbar nach
dem Abschlüsse der schamlosen Neichsgerichtskomödie, wo der Zeitpunkt gegeben
war, Macht gegen Macht zu stellen und die Anmaßungen der Opposition mit
Energie niederzuschlagen, hat die nunmehrige Folge herbeigeführt, und es ist
gegenwärtig keine Aussicht vorhanden, durch nachträgliches Betreten dieses
Weges die erlittene Niederlage wieder gut zu machen. Man hätte sich vorher
sagen sollen, daß durch Konzessionen und nachgiebige Behandlung eine ver¬
bissene radikale Opposition niemals gewonnen werden kann; ihre Forderungen
wachsen nur mit jeder neuen Einräumung, und die noch so wohlgemeinte ver¬
söhnliche Behandlung wird nicht als friedliebende Gesinnung, sondern als
Schwäche betrachtet, welche von einer derartigen Partei stets als Aufforderung
zu neuen Angriffen angesehen wird. ?rin<zixiis odsw! sollte hier vor allem als
erster Grundsatz festgehalten werden; die Konzessionen sind aber jetzt gemacht
und können nicht mehr zurückgenommen werden.

Welchen Eindruck die Ernennung des Ministeriums Sverdrup auf die kon¬
servativen Kreise Norwegens und Schwedens gemacht hat, ergiebt sich aus den
Nachrichten der betreffenden Tagesblätter: von dem „zu Ehren des Königs"
in Christiania unternommenen Festzuge der Linken haben sich mehrere der grö¬
ßeren Korporationen der Stadt, der Handelsverein, der Studentenverein, der
Seemannsverein, ausgeschlossen; in Stockholm gaben die großen Zeitungen ihrer
tiefen Niedergeschlagenheit über die Unterwerfung des Königs unter eine revo¬
lutionäre Partei des Univnsreiches hauptsächlich in der Äußerung von Be¬
sorgnis für die Zukunft Norwegens Ausdruck, während sie, teils mit Rücksicht
auf den König, teils in der Einsicht, daß nach den vorangegangenen fortwäh¬
renden Konzessionen das Ende schließlich sein mußte, wie es geworden ist, ihrem
Unmute keine stärkeren Worte verleihen. Die neuen norwegischen Staatsräte,
welche — wie dies bei radikalen Ministerien ja sehr erklärlich ist — mit Aus¬
nahme der beiden Staatsminister aus untergeordneten Stellungen ohne Kenntnis
der Verwaltung und ohne Erfahrungen in die Regierung eingetreten sind, werden
sehr abfüllig beurteilt und haben denn mich weder in der Armee noch in der
Marine einen Offizier gefunden, der sich hätte entschließen können, in demselben
Ministerium mit ihnen zu sitzen.

Mag die von einigen Blättern aufgestellte Behauptung, daß dem schwedischen
Staatsministerium, insbesondre dem Minister des Auswärtigen von Hochschild,


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[0163] Das Ministerium Sverdrup in Norwegen. talem Demokraten noch verstärkt; die Armee wird zufolge den früher im Stor- thing angenommenen Sverdrupschen Gesetzentwürfen dem Milizsysteme genähert und durch die neben derselben zu errichtenden, dem königlichen Oberbefehle mehr oder minder entzogenen Volksbewaffungsvereine vollends in ihrer Wirksamkeit gelähmt; durch die Einführung der Schwurgerichte wird die Integrität der Rechtspflege, namentlich in sogenannten politischen Prozessen, aufs schwerste gefährdet. Das Zögern in Ergreifung einer entschlossenen Politik unmittelbar nach dem Abschlüsse der schamlosen Neichsgerichtskomödie, wo der Zeitpunkt gegeben war, Macht gegen Macht zu stellen und die Anmaßungen der Opposition mit Energie niederzuschlagen, hat die nunmehrige Folge herbeigeführt, und es ist gegenwärtig keine Aussicht vorhanden, durch nachträgliches Betreten dieses Weges die erlittene Niederlage wieder gut zu machen. Man hätte sich vorher sagen sollen, daß durch Konzessionen und nachgiebige Behandlung eine ver¬ bissene radikale Opposition niemals gewonnen werden kann; ihre Forderungen wachsen nur mit jeder neuen Einräumung, und die noch so wohlgemeinte ver¬ söhnliche Behandlung wird nicht als friedliebende Gesinnung, sondern als Schwäche betrachtet, welche von einer derartigen Partei stets als Aufforderung zu neuen Angriffen angesehen wird. ?rin<zixiis odsw! sollte hier vor allem als erster Grundsatz festgehalten werden; die Konzessionen sind aber jetzt gemacht und können nicht mehr zurückgenommen werden. Welchen Eindruck die Ernennung des Ministeriums Sverdrup auf die kon¬ servativen Kreise Norwegens und Schwedens gemacht hat, ergiebt sich aus den Nachrichten der betreffenden Tagesblätter: von dem „zu Ehren des Königs" in Christiania unternommenen Festzuge der Linken haben sich mehrere der grö¬ ßeren Korporationen der Stadt, der Handelsverein, der Studentenverein, der Seemannsverein, ausgeschlossen; in Stockholm gaben die großen Zeitungen ihrer tiefen Niedergeschlagenheit über die Unterwerfung des Königs unter eine revo¬ lutionäre Partei des Univnsreiches hauptsächlich in der Äußerung von Be¬ sorgnis für die Zukunft Norwegens Ausdruck, während sie, teils mit Rücksicht auf den König, teils in der Einsicht, daß nach den vorangegangenen fortwäh¬ renden Konzessionen das Ende schließlich sein mußte, wie es geworden ist, ihrem Unmute keine stärkeren Worte verleihen. Die neuen norwegischen Staatsräte, welche — wie dies bei radikalen Ministerien ja sehr erklärlich ist — mit Aus¬ nahme der beiden Staatsminister aus untergeordneten Stellungen ohne Kenntnis der Verwaltung und ohne Erfahrungen in die Regierung eingetreten sind, werden sehr abfüllig beurteilt und haben denn mich weder in der Armee noch in der Marine einen Offizier gefunden, der sich hätte entschließen können, in demselben Ministerium mit ihnen zu sitzen. Mag die von einigen Blättern aufgestellte Behauptung, daß dem schwedischen Staatsministerium, insbesondre dem Minister des Auswärtigen von Hochschild,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/163>, abgerufen am 15.06.2024.