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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Teutsche Uolonialxolltik.

Politik, andre Blätter erkennen unsre Berechtigung in der Sache zwar an, aber
mit süßlich-saurer Miene, wie notgedrungen, sodaß man deutlich das Mißtrauen,
den Neid und die Eifersucht fühlt, die dabei zu überwinden waren, nur wenige
urteile" dabei ohne Hintergedanken, verständig und wohlwollend. So die "Pakt
Malt Gazette," die mit staatsmännischem Blicke in der Hauptsache etwa folgender¬
maßen über das hier besprochene Thema sich äußert. Wenn man behauptet,
wir müßten vor allen Dingen mit Frankreich auf gutem Fuße bleiben, weil
unsre Interessen sich allenthalben mit denen der Franzosen berührten, so ist dies
zu berichtigen. Nicht die Franzosen, sondern die Deutschen sind nächst uns die
wichtigste kolvnisircnde Nation. Diese Wahrheit verbirgt sich unter der That¬
sache, daß die deutsche Auswanderung sich bis jetzt größtenteils in unsern Kolo¬
nien oder unter dem amerikanischen Sternenbanner eine neue Heimat gesucht und
gegründet hat. Allem unbestreitbar ist die Zeit gekommen, wo ein großer Teil
des deutschen Volkes weiterzielende Wünsche hegt und auf neue Bahnen hin¬
drängt. Da ist es denn ein Glück, daß dies zu einer Zeit sich kundgiebt, wo
Deutschland von einem Staatsmanne wie Fürst Bismarck geleitet wird, der mit
dem vollen Bewußtsein der Kraft weise Mäßigung verbindet, der den Besitz des
Reiches nicht, mir Vcrgrößeruugsgelüstc" zu entsprechen, vermehren will, sondern
nur den deutschen Unternehmungsgeist in überseeischen Ländern, wo er auf natür¬
lichem und rechtmäßigem Wege vorzugehen beginnt, zu schützen und zu fördern
entschlossen ist. "Diesen Anschauungen des Reichskanzlers gegenüber müßte eine
englische Negierung in der That sehr unklug und kurzsichtig sein, wenn die be¬
scheidenen Kolonisationsversuche, die Deutschland gegenwärtig macht, zu Mi߬
verständnissen zwischen den beiden Völkern führen sollten. Die Frage hat aber
mehr zu bedeuten als unabhängige deutsche Kolonien. Deutschland wird viel¬
leicht niemals große überseeische Besitzungen erwerben. Was Deutschland wünscht,
das ist -- Fürst Bismarck hat sich darüber sehr deutlich geäußert -- eine
Stimme und zwar eine einflußreiche Stimme, wenn es sich um die Verfügung
über solche herrenlose Gebictsstrecken wie am Kongo handelt, die für deu Welt¬
handel die höchste Bedeutung haben. Es kann England nur zum Vorteil ge¬
reichen, wenn ein freundschaftlich gesinntes Deutschland sich an der Entscheidung
derartiger Fragen beteiligt und die Nebenbuhlerschaft Englands und Frankreichs
mildert." Zuletzt giebt das Blatt uoch eins zu erwägen, was ihm besonders
wichtig erscheint. Es sagt: "In einigen von unsern großen englischen Kolonien,
vorzüglich in Australien, lebt eine sehr beträchtliche Anzahl deutscher Ansiedler.
Dieselben sind ein höchst wertvolles Element der Bevölkerung dieser Kolonien,
obgleich sie nur langsam mit ihren englischen Mitbürgern verschmelzen.
Wenn diese Verschmelzung zu einer neuen kraftvollen Rasse, welche für die
Zukunft das beste verspricht, in befriedigender Weise sich vollziehen soll, so
gehören dazu unbedingt freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Mutter¬
ländern. Ein Streit zwischen denselben oder auch nur dauernd unfreundliche


Teutsche Uolonialxolltik.

Politik, andre Blätter erkennen unsre Berechtigung in der Sache zwar an, aber
mit süßlich-saurer Miene, wie notgedrungen, sodaß man deutlich das Mißtrauen,
den Neid und die Eifersucht fühlt, die dabei zu überwinden waren, nur wenige
urteile» dabei ohne Hintergedanken, verständig und wohlwollend. So die „Pakt
Malt Gazette," die mit staatsmännischem Blicke in der Hauptsache etwa folgender¬
maßen über das hier besprochene Thema sich äußert. Wenn man behauptet,
wir müßten vor allen Dingen mit Frankreich auf gutem Fuße bleiben, weil
unsre Interessen sich allenthalben mit denen der Franzosen berührten, so ist dies
zu berichtigen. Nicht die Franzosen, sondern die Deutschen sind nächst uns die
wichtigste kolvnisircnde Nation. Diese Wahrheit verbirgt sich unter der That¬
sache, daß die deutsche Auswanderung sich bis jetzt größtenteils in unsern Kolo¬
nien oder unter dem amerikanischen Sternenbanner eine neue Heimat gesucht und
gegründet hat. Allem unbestreitbar ist die Zeit gekommen, wo ein großer Teil
des deutschen Volkes weiterzielende Wünsche hegt und auf neue Bahnen hin¬
drängt. Da ist es denn ein Glück, daß dies zu einer Zeit sich kundgiebt, wo
Deutschland von einem Staatsmanne wie Fürst Bismarck geleitet wird, der mit
dem vollen Bewußtsein der Kraft weise Mäßigung verbindet, der den Besitz des
Reiches nicht, mir Vcrgrößeruugsgelüstc» zu entsprechen, vermehren will, sondern
nur den deutschen Unternehmungsgeist in überseeischen Ländern, wo er auf natür¬
lichem und rechtmäßigem Wege vorzugehen beginnt, zu schützen und zu fördern
entschlossen ist. „Diesen Anschauungen des Reichskanzlers gegenüber müßte eine
englische Negierung in der That sehr unklug und kurzsichtig sein, wenn die be¬
scheidenen Kolonisationsversuche, die Deutschland gegenwärtig macht, zu Mi߬
verständnissen zwischen den beiden Völkern führen sollten. Die Frage hat aber
mehr zu bedeuten als unabhängige deutsche Kolonien. Deutschland wird viel¬
leicht niemals große überseeische Besitzungen erwerben. Was Deutschland wünscht,
das ist — Fürst Bismarck hat sich darüber sehr deutlich geäußert — eine
Stimme und zwar eine einflußreiche Stimme, wenn es sich um die Verfügung
über solche herrenlose Gebictsstrecken wie am Kongo handelt, die für deu Welt¬
handel die höchste Bedeutung haben. Es kann England nur zum Vorteil ge¬
reichen, wenn ein freundschaftlich gesinntes Deutschland sich an der Entscheidung
derartiger Fragen beteiligt und die Nebenbuhlerschaft Englands und Frankreichs
mildert." Zuletzt giebt das Blatt uoch eins zu erwägen, was ihm besonders
wichtig erscheint. Es sagt: „In einigen von unsern großen englischen Kolonien,
vorzüglich in Australien, lebt eine sehr beträchtliche Anzahl deutscher Ansiedler.
Dieselben sind ein höchst wertvolles Element der Bevölkerung dieser Kolonien,
obgleich sie nur langsam mit ihren englischen Mitbürgern verschmelzen.
Wenn diese Verschmelzung zu einer neuen kraftvollen Rasse, welche für die
Zukunft das beste verspricht, in befriedigender Weise sich vollziehen soll, so
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ländern. Ein Streit zwischen denselben oder auch nur dauernd unfreundliche


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[0172] Teutsche Uolonialxolltik. Politik, andre Blätter erkennen unsre Berechtigung in der Sache zwar an, aber mit süßlich-saurer Miene, wie notgedrungen, sodaß man deutlich das Mißtrauen, den Neid und die Eifersucht fühlt, die dabei zu überwinden waren, nur wenige urteile» dabei ohne Hintergedanken, verständig und wohlwollend. So die „Pakt Malt Gazette," die mit staatsmännischem Blicke in der Hauptsache etwa folgender¬ maßen über das hier besprochene Thema sich äußert. Wenn man behauptet, wir müßten vor allen Dingen mit Frankreich auf gutem Fuße bleiben, weil unsre Interessen sich allenthalben mit denen der Franzosen berührten, so ist dies zu berichtigen. Nicht die Franzosen, sondern die Deutschen sind nächst uns die wichtigste kolvnisircnde Nation. Diese Wahrheit verbirgt sich unter der That¬ sache, daß die deutsche Auswanderung sich bis jetzt größtenteils in unsern Kolo¬ nien oder unter dem amerikanischen Sternenbanner eine neue Heimat gesucht und gegründet hat. Allem unbestreitbar ist die Zeit gekommen, wo ein großer Teil des deutschen Volkes weiterzielende Wünsche hegt und auf neue Bahnen hin¬ drängt. Da ist es denn ein Glück, daß dies zu einer Zeit sich kundgiebt, wo Deutschland von einem Staatsmanne wie Fürst Bismarck geleitet wird, der mit dem vollen Bewußtsein der Kraft weise Mäßigung verbindet, der den Besitz des Reiches nicht, mir Vcrgrößeruugsgelüstc» zu entsprechen, vermehren will, sondern nur den deutschen Unternehmungsgeist in überseeischen Ländern, wo er auf natür¬ lichem und rechtmäßigem Wege vorzugehen beginnt, zu schützen und zu fördern entschlossen ist. „Diesen Anschauungen des Reichskanzlers gegenüber müßte eine englische Negierung in der That sehr unklug und kurzsichtig sein, wenn die be¬ scheidenen Kolonisationsversuche, die Deutschland gegenwärtig macht, zu Mi߬ verständnissen zwischen den beiden Völkern führen sollten. Die Frage hat aber mehr zu bedeuten als unabhängige deutsche Kolonien. Deutschland wird viel¬ leicht niemals große überseeische Besitzungen erwerben. Was Deutschland wünscht, das ist — Fürst Bismarck hat sich darüber sehr deutlich geäußert — eine Stimme und zwar eine einflußreiche Stimme, wenn es sich um die Verfügung über solche herrenlose Gebictsstrecken wie am Kongo handelt, die für deu Welt¬ handel die höchste Bedeutung haben. Es kann England nur zum Vorteil ge¬ reichen, wenn ein freundschaftlich gesinntes Deutschland sich an der Entscheidung derartiger Fragen beteiligt und die Nebenbuhlerschaft Englands und Frankreichs mildert." Zuletzt giebt das Blatt uoch eins zu erwägen, was ihm besonders wichtig erscheint. Es sagt: „In einigen von unsern großen englischen Kolonien, vorzüglich in Australien, lebt eine sehr beträchtliche Anzahl deutscher Ansiedler. Dieselben sind ein höchst wertvolles Element der Bevölkerung dieser Kolonien, obgleich sie nur langsam mit ihren englischen Mitbürgern verschmelzen. Wenn diese Verschmelzung zu einer neuen kraftvollen Rasse, welche für die Zukunft das beste verspricht, in befriedigender Weise sich vollziehen soll, so gehören dazu unbedingt freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Mutter¬ ländern. Ein Streit zwischen denselben oder auch nur dauernd unfreundliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/172>, abgerufen am 15.06.2024.