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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Deutsche Roloiiialpolitik.

einmal das Wort, um zu wiederholen, daß das Reich gewiß nicht weitergehen
werde, als Herrn Lüderitz in dem von ihm erworbenen Besitze zu schützen. '

Herr Eugen Richter hat im Reichstage Augen Pcquena ein "Scmdlvch"
genannt und es für schlecht geeignet zu einer deutschen Kolonie erklärt. Aber
will denn Herr Lüdcritz etwa dort hundertfältig tragenden Weizen banen oder
Apfelsinenpflanzungen anlegen? Wir dachten bisher, er wolle dort nach Kupfer
graben. Oder weiß der allwissende Herr Abgeordnete einen noch nicht ver¬
gebenen Hafenplatz an dieser Küste, von dem ans man besser ins Innere Süd¬
afrikas eindringen konnte, zu empfehlen? Übrigens war Port Elizabeth, jetzt
der bedeutendste Handelshafen der Kapkolonie, als die ersten Europäer hier lan¬
deten, anch nur ein "Sandloch." Noch heute ist die Gegend nichts weniger als
anmutig, aber man hat in etwa fünf Jahrzehnten auf den dortigen Sanddünen
eine recht ansehnliche Stadt erstehen sehen, der es nicht an hübschen Gärten
mangelt. Macht die Beschaffung von Wasser Unkosten, so haben es die Leute
dazu; denn der Handel einer ganzen Provinz und eines guten Teils der Oranje-
republik hat seinen Ein- und Ausgangspunkt hier. Die Verhältnisse von Angra
Peqnena liegen aber heutzutage nicht ungünstiger, als sie vor einem halben Jahr¬
hundert in Port Elizabeth lagen. Jene Niederlassung trägt allerdings Keime
zu einer guten Entwicklung in sich, allein zunächst wird es sich bei ihr darum
handeln, die Lüderitzschen Unternehmungen zu schützen und dein Gründer dieser
Ansiedlung die Gelegenheit zur Ausbreitung des deutschen Einflusses ungeschmä¬
lert zu erhalten. Haben die Bergwerke, die er dort anlegen will, Erfolg, so
wird das weitere sich finden, und die deutsche Ausfuhr nach diesen: Pnnkte
Afrikas wird sich, namentlich wenn ein Weg nach dem Kongo entdeckt wird,
der jetzt gesucht werden soll, in demselben Maße steigern, in welchem die Kolonie
an Bedeutung gewinnt. Wenn in Südafrika nach deutscher Weise ernst und
tüchtig gearbeitet wird, so werden die Erfolge dieser Arbeit auf die eingebornen
und eingewanderten Nachbarn sicher mehr Eindruck machen als die britische
Machtentfaltung, die schon einmal -- gegen die Boers -- versagt hat. Un¬
zweifelhaft besteht gegenwärtig im südlichen Afrika ein gewisser Gegensatz zwischen
deutschen Bestrebungen und sogenannten britischen Interessen, aber derselbe ist
kein natürlicher und notwendiger, sondern erst durch die maßlosen Ansprüche
einiger Engländer hervorgerufen, welche der Meinung sind, daß England allein
berufen sei, die überseeische Welt zu besitzen lind auszunutzen. Wollten die
Herren Briten sich begnügen, mit andern Nationen, insbesondre mit uns
Deutschen, auf friedlichen Wegen dem größern Vorteile nachzutrachten, und
wollten sie dabei die Selbständigkeit fremder Völker nicht außer Acht lassen, so
könnten beide Nationen vereint die Zivilisation in Afrika und anderwärts mächtig
fördern und sich selbst dabei gut stehen.

Ein Teil der englischen Presse verkennt diese Wahrheit und stößt in die
Lärmtrompete über die doch so bescheidenen Anfänge einer deutschen Kolonial-


Deutsche Roloiiialpolitik.

einmal das Wort, um zu wiederholen, daß das Reich gewiß nicht weitergehen
werde, als Herrn Lüderitz in dem von ihm erworbenen Besitze zu schützen. '

Herr Eugen Richter hat im Reichstage Augen Pcquena ein „Scmdlvch"
genannt und es für schlecht geeignet zu einer deutschen Kolonie erklärt. Aber
will denn Herr Lüdcritz etwa dort hundertfältig tragenden Weizen banen oder
Apfelsinenpflanzungen anlegen? Wir dachten bisher, er wolle dort nach Kupfer
graben. Oder weiß der allwissende Herr Abgeordnete einen noch nicht ver¬
gebenen Hafenplatz an dieser Küste, von dem ans man besser ins Innere Süd¬
afrikas eindringen konnte, zu empfehlen? Übrigens war Port Elizabeth, jetzt
der bedeutendste Handelshafen der Kapkolonie, als die ersten Europäer hier lan¬
deten, anch nur ein „Sandloch." Noch heute ist die Gegend nichts weniger als
anmutig, aber man hat in etwa fünf Jahrzehnten auf den dortigen Sanddünen
eine recht ansehnliche Stadt erstehen sehen, der es nicht an hübschen Gärten
mangelt. Macht die Beschaffung von Wasser Unkosten, so haben es die Leute
dazu; denn der Handel einer ganzen Provinz und eines guten Teils der Oranje-
republik hat seinen Ein- und Ausgangspunkt hier. Die Verhältnisse von Angra
Peqnena liegen aber heutzutage nicht ungünstiger, als sie vor einem halben Jahr¬
hundert in Port Elizabeth lagen. Jene Niederlassung trägt allerdings Keime
zu einer guten Entwicklung in sich, allein zunächst wird es sich bei ihr darum
handeln, die Lüderitzschen Unternehmungen zu schützen und dein Gründer dieser
Ansiedlung die Gelegenheit zur Ausbreitung des deutschen Einflusses ungeschmä¬
lert zu erhalten. Haben die Bergwerke, die er dort anlegen will, Erfolg, so
wird das weitere sich finden, und die deutsche Ausfuhr nach diesen: Pnnkte
Afrikas wird sich, namentlich wenn ein Weg nach dem Kongo entdeckt wird,
der jetzt gesucht werden soll, in demselben Maße steigern, in welchem die Kolonie
an Bedeutung gewinnt. Wenn in Südafrika nach deutscher Weise ernst und
tüchtig gearbeitet wird, so werden die Erfolge dieser Arbeit auf die eingebornen
und eingewanderten Nachbarn sicher mehr Eindruck machen als die britische
Machtentfaltung, die schon einmal — gegen die Boers — versagt hat. Un¬
zweifelhaft besteht gegenwärtig im südlichen Afrika ein gewisser Gegensatz zwischen
deutschen Bestrebungen und sogenannten britischen Interessen, aber derselbe ist
kein natürlicher und notwendiger, sondern erst durch die maßlosen Ansprüche
einiger Engländer hervorgerufen, welche der Meinung sind, daß England allein
berufen sei, die überseeische Welt zu besitzen lind auszunutzen. Wollten die
Herren Briten sich begnügen, mit andern Nationen, insbesondre mit uns
Deutschen, auf friedlichen Wegen dem größern Vorteile nachzutrachten, und
wollten sie dabei die Selbständigkeit fremder Völker nicht außer Acht lassen, so
könnten beide Nationen vereint die Zivilisation in Afrika und anderwärts mächtig
fördern und sich selbst dabei gut stehen.

Ein Teil der englischen Presse verkennt diese Wahrheit und stößt in die
Lärmtrompete über die doch so bescheidenen Anfänge einer deutschen Kolonial-


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[0171] Deutsche Roloiiialpolitik. einmal das Wort, um zu wiederholen, daß das Reich gewiß nicht weitergehen werde, als Herrn Lüderitz in dem von ihm erworbenen Besitze zu schützen. ' Herr Eugen Richter hat im Reichstage Augen Pcquena ein „Scmdlvch" genannt und es für schlecht geeignet zu einer deutschen Kolonie erklärt. Aber will denn Herr Lüdcritz etwa dort hundertfältig tragenden Weizen banen oder Apfelsinenpflanzungen anlegen? Wir dachten bisher, er wolle dort nach Kupfer graben. Oder weiß der allwissende Herr Abgeordnete einen noch nicht ver¬ gebenen Hafenplatz an dieser Küste, von dem ans man besser ins Innere Süd¬ afrikas eindringen konnte, zu empfehlen? Übrigens war Port Elizabeth, jetzt der bedeutendste Handelshafen der Kapkolonie, als die ersten Europäer hier lan¬ deten, anch nur ein „Sandloch." Noch heute ist die Gegend nichts weniger als anmutig, aber man hat in etwa fünf Jahrzehnten auf den dortigen Sanddünen eine recht ansehnliche Stadt erstehen sehen, der es nicht an hübschen Gärten mangelt. Macht die Beschaffung von Wasser Unkosten, so haben es die Leute dazu; denn der Handel einer ganzen Provinz und eines guten Teils der Oranje- republik hat seinen Ein- und Ausgangspunkt hier. Die Verhältnisse von Angra Peqnena liegen aber heutzutage nicht ungünstiger, als sie vor einem halben Jahr¬ hundert in Port Elizabeth lagen. Jene Niederlassung trägt allerdings Keime zu einer guten Entwicklung in sich, allein zunächst wird es sich bei ihr darum handeln, die Lüderitzschen Unternehmungen zu schützen und dein Gründer dieser Ansiedlung die Gelegenheit zur Ausbreitung des deutschen Einflusses ungeschmä¬ lert zu erhalten. Haben die Bergwerke, die er dort anlegen will, Erfolg, so wird das weitere sich finden, und die deutsche Ausfuhr nach diesen: Pnnkte Afrikas wird sich, namentlich wenn ein Weg nach dem Kongo entdeckt wird, der jetzt gesucht werden soll, in demselben Maße steigern, in welchem die Kolonie an Bedeutung gewinnt. Wenn in Südafrika nach deutscher Weise ernst und tüchtig gearbeitet wird, so werden die Erfolge dieser Arbeit auf die eingebornen und eingewanderten Nachbarn sicher mehr Eindruck machen als die britische Machtentfaltung, die schon einmal — gegen die Boers — versagt hat. Un¬ zweifelhaft besteht gegenwärtig im südlichen Afrika ein gewisser Gegensatz zwischen deutschen Bestrebungen und sogenannten britischen Interessen, aber derselbe ist kein natürlicher und notwendiger, sondern erst durch die maßlosen Ansprüche einiger Engländer hervorgerufen, welche der Meinung sind, daß England allein berufen sei, die überseeische Welt zu besitzen lind auszunutzen. Wollten die Herren Briten sich begnügen, mit andern Nationen, insbesondre mit uns Deutschen, auf friedlichen Wegen dem größern Vorteile nachzutrachten, und wollten sie dabei die Selbständigkeit fremder Völker nicht außer Acht lassen, so könnten beide Nationen vereint die Zivilisation in Afrika und anderwärts mächtig fördern und sich selbst dabei gut stehen. Ein Teil der englischen Presse verkennt diese Wahrheit und stößt in die Lärmtrompete über die doch so bescheidenen Anfänge einer deutschen Kolonial-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/171>, abgerufen am 16.06.2024.