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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die (Sngel auf Erden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung,)
9.

le Barbolini waren eine alte Familie von reinstem piemonte-
sischen Blute: Charaktere von Gold, Willenskräfte von Eisen.
Obgleich mit der südalpinen Aristokratie, insbesondre mit dem
vornehmen Geschlechte derer von San Martina Parclla durch
Verwandtschaft verbunden, besaßen sie selbst doch keinen Titnlar-
ndcl, aber ihr Seelenadel zeichnete sie aus. Schon seit zahlreichen
Generationen vererbte sich vom Vater auf den Sohn die gewissenhafte Hoch¬
achtung der unbefleckten Ehre ihres Namens, eine unüberwindliche Leidenschaft
für das Kriegshandwerk und glühende Liebe für das Vaterland, oder richtiger
gesagt, für den dasselbe verkörpernden König.

Als am Ausgange des vorigen Jahrhunderts das Haus Savoyen vor
dem Eindringen der Franzosen und den revolutionären Ideen das Feld räumen
mußte, hatte Rinas Großvater, welcher als Oberst glorreich in den Alpen ge¬
rümpft und sich als der Bravste unter den Braven bei Saorgio und Nullesimo
ausgezeichnet hatte, sich dem Könige Karl Emanuel, als dessen Karossen und
Pferde am 19. Dezember 1798 schon zur Abreise bereit standen, vorgestellt
und hatte seinen ganzen Einfluß aufgeboten, um ihn in Piemont zurückzuhalten
und zu bestimmen, an der Spitze seiner Unterthanen gegen den fremden Ein¬
dringling den Verzweiflungskampf aufzunehmen.'

Der glorreiche Ahnherr Eurer Majestät, Viktor Amcideus der Zweite, so
sagte er, war mit der Blüte seiner Truppen von den Franzosen eingeschlossen,
sah ein mächtiges feindliches Heer im Herzen seiner Staaten und schreckte doch
nicht zurück, sondern stampfte auf die Erde und erweckte neue Streiterscharen.
Dieser Boden, Sire, ist derselbe, diese Völker sind noch immer von gleichem
Blute. Ahnen Sie diesem erhabenen Beispiele nach, und erwägen Sie, daß
Viktor Amadeus der Zweite die gesamte Streitmacht des großen Königs gegen




Die (Sngel auf Erden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung,)
9.

le Barbolini waren eine alte Familie von reinstem piemonte-
sischen Blute: Charaktere von Gold, Willenskräfte von Eisen.
Obgleich mit der südalpinen Aristokratie, insbesondre mit dem
vornehmen Geschlechte derer von San Martina Parclla durch
Verwandtschaft verbunden, besaßen sie selbst doch keinen Titnlar-
ndcl, aber ihr Seelenadel zeichnete sie aus. Schon seit zahlreichen
Generationen vererbte sich vom Vater auf den Sohn die gewissenhafte Hoch¬
achtung der unbefleckten Ehre ihres Namens, eine unüberwindliche Leidenschaft
für das Kriegshandwerk und glühende Liebe für das Vaterland, oder richtiger
gesagt, für den dasselbe verkörpernden König.

Als am Ausgange des vorigen Jahrhunderts das Haus Savoyen vor
dem Eindringen der Franzosen und den revolutionären Ideen das Feld räumen
mußte, hatte Rinas Großvater, welcher als Oberst glorreich in den Alpen ge¬
rümpft und sich als der Bravste unter den Braven bei Saorgio und Nullesimo
ausgezeichnet hatte, sich dem Könige Karl Emanuel, als dessen Karossen und
Pferde am 19. Dezember 1798 schon zur Abreise bereit standen, vorgestellt
und hatte seinen ganzen Einfluß aufgeboten, um ihn in Piemont zurückzuhalten
und zu bestimmen, an der Spitze seiner Unterthanen gegen den fremden Ein¬
dringling den Verzweiflungskampf aufzunehmen.'

Der glorreiche Ahnherr Eurer Majestät, Viktor Amcideus der Zweite, so
sagte er, war mit der Blüte seiner Truppen von den Franzosen eingeschlossen,
sah ein mächtiges feindliches Heer im Herzen seiner Staaten und schreckte doch
nicht zurück, sondern stampfte auf die Erde und erweckte neue Streiterscharen.
Dieser Boden, Sire, ist derselbe, diese Völker sind noch immer von gleichem
Blute. Ahnen Sie diesem erhabenen Beispiele nach, und erwägen Sie, daß
Viktor Amadeus der Zweite die gesamte Streitmacht des großen Königs gegen


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[0191] [Abbildung] Die (Sngel auf Erden. Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen. (Fortsetzung,) 9. le Barbolini waren eine alte Familie von reinstem piemonte- sischen Blute: Charaktere von Gold, Willenskräfte von Eisen. Obgleich mit der südalpinen Aristokratie, insbesondre mit dem vornehmen Geschlechte derer von San Martina Parclla durch Verwandtschaft verbunden, besaßen sie selbst doch keinen Titnlar- ndcl, aber ihr Seelenadel zeichnete sie aus. Schon seit zahlreichen Generationen vererbte sich vom Vater auf den Sohn die gewissenhafte Hoch¬ achtung der unbefleckten Ehre ihres Namens, eine unüberwindliche Leidenschaft für das Kriegshandwerk und glühende Liebe für das Vaterland, oder richtiger gesagt, für den dasselbe verkörpernden König. Als am Ausgange des vorigen Jahrhunderts das Haus Savoyen vor dem Eindringen der Franzosen und den revolutionären Ideen das Feld räumen mußte, hatte Rinas Großvater, welcher als Oberst glorreich in den Alpen ge¬ rümpft und sich als der Bravste unter den Braven bei Saorgio und Nullesimo ausgezeichnet hatte, sich dem Könige Karl Emanuel, als dessen Karossen und Pferde am 19. Dezember 1798 schon zur Abreise bereit standen, vorgestellt und hatte seinen ganzen Einfluß aufgeboten, um ihn in Piemont zurückzuhalten und zu bestimmen, an der Spitze seiner Unterthanen gegen den fremden Ein¬ dringling den Verzweiflungskampf aufzunehmen.' Der glorreiche Ahnherr Eurer Majestät, Viktor Amcideus der Zweite, so sagte er, war mit der Blüte seiner Truppen von den Franzosen eingeschlossen, sah ein mächtiges feindliches Heer im Herzen seiner Staaten und schreckte doch nicht zurück, sondern stampfte auf die Erde und erweckte neue Streiterscharen. Dieser Boden, Sire, ist derselbe, diese Völker sind noch immer von gleichem Blute. Ahnen Sie diesem erhabenen Beispiele nach, und erwägen Sie, daß Viktor Amadeus der Zweite die gesamte Streitmacht des großen Königs gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/191>, abgerufen am 16.06.2024.