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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Lin neuer Verein.

unbezahlt, für Handel und Gewerbe das Wort führen? Was will also der
neue Verein, der sich speziell die Wahrung jener Interessen zur Aufgabe stellt?

Wir können diese Frage vielleicht eher beantworten, wenn wir uns die
Männer ansehen, welche den Aufruf zur Bildung dieses Vereins erlassen haben.
Es sind das zweiundzwanzig Berliner, unter denen wir elf Geheime Kommerzicn-
rcite und acht Bankdirektoren zählen; darunter die Namen von Bleichröder,
von Hansemann, Heckmann, Liebermann, und wie sie alle heißen, diese Männer
reinsten Goldklanges. Denselben Klang haben auch die Namen der siebzig
weitem Männer, deren Mitunterschrift der Aufruf aus allen Gauen Deutsch¬
lands gewonnen hat. Wir nennen aus diesen nur die Namen von Rothschild
zu Frankfurt a. M. und von Oppenheim zu Köln. Respekt vor allen diesen
Männern! Jeder derselben kommandirt Millionen. Wir glauben hiernach nicht zu
irren, wenn wir den neuen Verein als einen Verein des Großkapitals bezeichnen.

Die von diesen Männern unterzeichnete Erklärung lautet dahin, daß bisher
bei der wirtschaftlichen Gesetzgebung sowohl auf feiten der Regierung als der
Volksvertretung die ausreichende Kenntnis des praktischen Lebens und die un¬
befangene Würdigung der dadurch bedingten Verhältnisse gefehlt habe, daß
hierin Abhilfe geschafft werden müsse, und daß deshalb die Bildung eines
Vereins dringend geboten sei, welcher sich zur Aufgabe stelle, sowohl bei der
Regierung als in der öffentlichen Meinung auf eine richtige Würdigung der
einschlagenden Verhältnisse hinzuwirken.

In dem ersten Augenblick, als wir diese Erklärung lasen, kam uns deren
Inhalt recht bekannt vor. War es uns doch, als ob wir die nämlichen Vor¬
würfe gegen die neuere Gesetzgebung ganz vor kurzem schon einmal gelesen
hätten. Als wir weiter lasen, fanden wir die Nachricht, daß der Gedanke der
neuen Vereinsbildung von zwei Mitunterzeichnern des Ausrufs, dem Präsidenten
des deutschen Handelstages, Geh. Kommerzienrat Adalbert Delbrück, und von
Herrn E. Russell, einem der jetzigen Geschäftsinhaber der Diskontogcsellschaft,
ausgegangen sei. Nun wurde uns die Sache plötzlich klarer. Jene Vorwürfe
hatten wir in ganz gleicher Weise gelesen in dem famosen Libell, welches Herr
A. Delbrück gegen den Entwurf des neuen Aktiengesetzes geschleudert hatte. Ist
hiernach, wie nicht zu bezweifeln, Herr A. Delbrück der Schöpfer des neuen
Vereins, so glauben wir auch eine nicht zu kühne Hypothese aufzustellen, wenn
wir den zu gründe liegenden Gedanken uns in folgender Weise zurechtlegen.

Vereine werden in der Regel gegründet nicht zu dem Zwecke, daß wirklich
die Gesamtheit ihre Ansichten und ihren Willen zum Ausdruck bringe, sondern
daß einzelne für ihre Ansichten und Bestrebungen eine kräftigere Stütze ge¬
winnen. Ebenso wie in den Parlamentsfraktionen machen auch bei Vereinen
einzelne die Sache, und die Gesamtheit giebt nur den Namen dazu her. Man
läßt sich in den Ausschuß oder den Vorstand des Vereins wählen, erfüllt einige
notwendige Formen, und ein Vereinsbeschluß ist zuwege gebracht. Wenn ein


Lin neuer Verein.

unbezahlt, für Handel und Gewerbe das Wort führen? Was will also der
neue Verein, der sich speziell die Wahrung jener Interessen zur Aufgabe stellt?

Wir können diese Frage vielleicht eher beantworten, wenn wir uns die
Männer ansehen, welche den Aufruf zur Bildung dieses Vereins erlassen haben.
Es sind das zweiundzwanzig Berliner, unter denen wir elf Geheime Kommerzicn-
rcite und acht Bankdirektoren zählen; darunter die Namen von Bleichröder,
von Hansemann, Heckmann, Liebermann, und wie sie alle heißen, diese Männer
reinsten Goldklanges. Denselben Klang haben auch die Namen der siebzig
weitem Männer, deren Mitunterschrift der Aufruf aus allen Gauen Deutsch¬
lands gewonnen hat. Wir nennen aus diesen nur die Namen von Rothschild
zu Frankfurt a. M. und von Oppenheim zu Köln. Respekt vor allen diesen
Männern! Jeder derselben kommandirt Millionen. Wir glauben hiernach nicht zu
irren, wenn wir den neuen Verein als einen Verein des Großkapitals bezeichnen.

Die von diesen Männern unterzeichnete Erklärung lautet dahin, daß bisher
bei der wirtschaftlichen Gesetzgebung sowohl auf feiten der Regierung als der
Volksvertretung die ausreichende Kenntnis des praktischen Lebens und die un¬
befangene Würdigung der dadurch bedingten Verhältnisse gefehlt habe, daß
hierin Abhilfe geschafft werden müsse, und daß deshalb die Bildung eines
Vereins dringend geboten sei, welcher sich zur Aufgabe stelle, sowohl bei der
Regierung als in der öffentlichen Meinung auf eine richtige Würdigung der
einschlagenden Verhältnisse hinzuwirken.

In dem ersten Augenblick, als wir diese Erklärung lasen, kam uns deren
Inhalt recht bekannt vor. War es uns doch, als ob wir die nämlichen Vor¬
würfe gegen die neuere Gesetzgebung ganz vor kurzem schon einmal gelesen
hätten. Als wir weiter lasen, fanden wir die Nachricht, daß der Gedanke der
neuen Vereinsbildung von zwei Mitunterzeichnern des Ausrufs, dem Präsidenten
des deutschen Handelstages, Geh. Kommerzienrat Adalbert Delbrück, und von
Herrn E. Russell, einem der jetzigen Geschäftsinhaber der Diskontogcsellschaft,
ausgegangen sei. Nun wurde uns die Sache plötzlich klarer. Jene Vorwürfe
hatten wir in ganz gleicher Weise gelesen in dem famosen Libell, welches Herr
A. Delbrück gegen den Entwurf des neuen Aktiengesetzes geschleudert hatte. Ist
hiernach, wie nicht zu bezweifeln, Herr A. Delbrück der Schöpfer des neuen
Vereins, so glauben wir auch eine nicht zu kühne Hypothese aufzustellen, wenn
wir den zu gründe liegenden Gedanken uns in folgender Weise zurechtlegen.

Vereine werden in der Regel gegründet nicht zu dem Zwecke, daß wirklich
die Gesamtheit ihre Ansichten und ihren Willen zum Ausdruck bringe, sondern
daß einzelne für ihre Ansichten und Bestrebungen eine kräftigere Stütze ge¬
winnen. Ebenso wie in den Parlamentsfraktionen machen auch bei Vereinen
einzelne die Sache, und die Gesamtheit giebt nur den Namen dazu her. Man
läßt sich in den Ausschuß oder den Vorstand des Vereins wählen, erfüllt einige
notwendige Formen, und ein Vereinsbeschluß ist zuwege gebracht. Wenn ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/214>, abgerufen am 15.06.2024.