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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngel auf Lrden.

Josef suchte Moschillo zu beschwichtigen, aber vergebens. Das brave Tier,
dessen Augen vor Wut leuchteten, bellte noch wütender gegen den Unbekannten
und zeigte ihm die Zähne in nicht gerade Behagen erweckender Weise. Als
Paul von weitem hörte, daß es seinein Freunde nicht gelang, Moschillos Wut
zu bezähmen, kam er hervor, um das Tier zum Schweigen zu bringen und um
zu sehen, was los sei.

Sieh da! alle beide! sagte der Akrobat im Stillen. Werden sie mich wieder¬
erkennen? Bewahre! Sie haben nicht den feinen Sinn wie dieser verteufelte
Köter, und müssen glauben, daß ich bereits im Jenseits sei. Und jene Dame,
welche ich soeben von weitem bei Amardi gesehen habe, sollte sie es sein? O,
was gäbe ich darum, sie wiederzusehen!

Ruhig, Moschillo! gebot Paul. Kusch dich! Wem sage ich das? He!
Ganz still, und marsch in die Hütte! Er drohte mit dem Finger, und das
Tier schwieg, wenngleich offenbar sehr ungern, aber es ließ nicht ab, den Un¬
bekannten mit grimmigem Blicke zu beobachten, und wollte sich durchaus nicht
wegweisen lassen.

Ich wünsche den Doktor Cerci zu sprechen, sagte der Akrobat. Welcher
von den Herren ist es?

Weder der eine noch der andre, antwortete Devcmnis, auf den die Person
und noch mehr die Stimme des Mannes einen eigentümlichen Eindruck machten.
Der Doktor ist nicht zu Hause.

Wird es lange dauern, bis er zurückkommt? Oder wo kann ich ihn wohl
aufsuchen, ohne ihn zu belästigen? Ich habe ihn notwendig noch diesen Abend
zu sprechen. Es wird bald Nacht, und ich muß noch nach zurückkehren.

Er nannte den Ort, in welchem Paul eine Woche vorher mit der Gräfin
Beldoni die von uns erzählte Szene erlebt hatte.

Jetzt erkannte Amardi in ihm den Mann wieder, dem sie damals auf der
Landstraße begegnet waren und der ihnen gerade den Namen des benachbarten
Dorfes genannt hatte.

Ihr seid wohl einer von den Akrobaten, welche dort ihre Vorstellungen
geben ?

Ganz recht. Und ich wünsche wegen meines Geschäfts mit dem Herrn
Doktor zu sprechen.

Was wünscht Ihr von mir? fragte Cerci, welcher in diesem Augenblicke
angekommen war und den Schlüssel in den Händen hielt, um die Gitterthür
zu öffnen.

Sie um eine Erlaubnis bitten, welche für meine ganze Gesellschaft eine
hohe Gnade sein würde.

Was für eine Gesellschaft?

Die akrobatisch-gymnastische, deren Direktor ich bin, und die sich jetzt in ***
befindet.

Der Doktor war inzwischen eingetreten, und der Akrobat hatte sich in die
Thüre gestellt. Aber kaum sah dies Moschillo, welcher fortwährend die fun¬
kelnden Augen auf deu Gaukler geheftet hatte und ein dumpfes, aber drohendes
Knurren hatte hören lassen, als er sich mit wütendsten Gebell auf ihn zustürzte,
und er würde ihn, wenn Paul ihn nicht beim Halsbande zurückgerissen hätte,
mit den Zähnen gepackt haben.

Og-raraltt)! rief der Akrobat; das Tier hat ein paar Kinnbacken, welche mich
mit zwei Bissen verschlingen könnten. Seien Sie so gefällig und halten Sie


Grenzboten III. 18L4. 31
Die Lngel auf Lrden.

Josef suchte Moschillo zu beschwichtigen, aber vergebens. Das brave Tier,
dessen Augen vor Wut leuchteten, bellte noch wütender gegen den Unbekannten
und zeigte ihm die Zähne in nicht gerade Behagen erweckender Weise. Als
Paul von weitem hörte, daß es seinein Freunde nicht gelang, Moschillos Wut
zu bezähmen, kam er hervor, um das Tier zum Schweigen zu bringen und um
zu sehen, was los sei.

Sieh da! alle beide! sagte der Akrobat im Stillen. Werden sie mich wieder¬
erkennen? Bewahre! Sie haben nicht den feinen Sinn wie dieser verteufelte
Köter, und müssen glauben, daß ich bereits im Jenseits sei. Und jene Dame,
welche ich soeben von weitem bei Amardi gesehen habe, sollte sie es sein? O,
was gäbe ich darum, sie wiederzusehen!

Ruhig, Moschillo! gebot Paul. Kusch dich! Wem sage ich das? He!
Ganz still, und marsch in die Hütte! Er drohte mit dem Finger, und das
Tier schwieg, wenngleich offenbar sehr ungern, aber es ließ nicht ab, den Un¬
bekannten mit grimmigem Blicke zu beobachten, und wollte sich durchaus nicht
wegweisen lassen.

Ich wünsche den Doktor Cerci zu sprechen, sagte der Akrobat. Welcher
von den Herren ist es?

Weder der eine noch der andre, antwortete Devcmnis, auf den die Person
und noch mehr die Stimme des Mannes einen eigentümlichen Eindruck machten.
Der Doktor ist nicht zu Hause.

Wird es lange dauern, bis er zurückkommt? Oder wo kann ich ihn wohl
aufsuchen, ohne ihn zu belästigen? Ich habe ihn notwendig noch diesen Abend
zu sprechen. Es wird bald Nacht, und ich muß noch nach zurückkehren.

Er nannte den Ort, in welchem Paul eine Woche vorher mit der Gräfin
Beldoni die von uns erzählte Szene erlebt hatte.

Jetzt erkannte Amardi in ihm den Mann wieder, dem sie damals auf der
Landstraße begegnet waren und der ihnen gerade den Namen des benachbarten
Dorfes genannt hatte.

Ihr seid wohl einer von den Akrobaten, welche dort ihre Vorstellungen
geben ?

Ganz recht. Und ich wünsche wegen meines Geschäfts mit dem Herrn
Doktor zu sprechen.

Was wünscht Ihr von mir? fragte Cerci, welcher in diesem Augenblicke
angekommen war und den Schlüssel in den Händen hielt, um die Gitterthür
zu öffnen.

Sie um eine Erlaubnis bitten, welche für meine ganze Gesellschaft eine
hohe Gnade sein würde.

Was für eine Gesellschaft?

Die akrobatisch-gymnastische, deren Direktor ich bin, und die sich jetzt in ***
befindet.

Der Doktor war inzwischen eingetreten, und der Akrobat hatte sich in die
Thüre gestellt. Aber kaum sah dies Moschillo, welcher fortwährend die fun¬
kelnden Augen auf deu Gaukler geheftet hatte und ein dumpfes, aber drohendes
Knurren hatte hören lassen, als er sich mit wütendsten Gebell auf ihn zustürzte,
und er würde ihn, wenn Paul ihn nicht beim Halsbande zurückgerissen hätte,
mit den Zähnen gepackt haben.

Og-raraltt)! rief der Akrobat; das Tier hat ein paar Kinnbacken, welche mich
mit zwei Bissen verschlingen könnten. Seien Sie so gefällig und halten Sie


Grenzboten III. 18L4. 31
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[0249] Die Lngel auf Lrden. Josef suchte Moschillo zu beschwichtigen, aber vergebens. Das brave Tier, dessen Augen vor Wut leuchteten, bellte noch wütender gegen den Unbekannten und zeigte ihm die Zähne in nicht gerade Behagen erweckender Weise. Als Paul von weitem hörte, daß es seinein Freunde nicht gelang, Moschillos Wut zu bezähmen, kam er hervor, um das Tier zum Schweigen zu bringen und um zu sehen, was los sei. Sieh da! alle beide! sagte der Akrobat im Stillen. Werden sie mich wieder¬ erkennen? Bewahre! Sie haben nicht den feinen Sinn wie dieser verteufelte Köter, und müssen glauben, daß ich bereits im Jenseits sei. Und jene Dame, welche ich soeben von weitem bei Amardi gesehen habe, sollte sie es sein? O, was gäbe ich darum, sie wiederzusehen! Ruhig, Moschillo! gebot Paul. Kusch dich! Wem sage ich das? He! Ganz still, und marsch in die Hütte! Er drohte mit dem Finger, und das Tier schwieg, wenngleich offenbar sehr ungern, aber es ließ nicht ab, den Un¬ bekannten mit grimmigem Blicke zu beobachten, und wollte sich durchaus nicht wegweisen lassen. Ich wünsche den Doktor Cerci zu sprechen, sagte der Akrobat. Welcher von den Herren ist es? Weder der eine noch der andre, antwortete Devcmnis, auf den die Person und noch mehr die Stimme des Mannes einen eigentümlichen Eindruck machten. Der Doktor ist nicht zu Hause. Wird es lange dauern, bis er zurückkommt? Oder wo kann ich ihn wohl aufsuchen, ohne ihn zu belästigen? Ich habe ihn notwendig noch diesen Abend zu sprechen. Es wird bald Nacht, und ich muß noch nach zurückkehren. Er nannte den Ort, in welchem Paul eine Woche vorher mit der Gräfin Beldoni die von uns erzählte Szene erlebt hatte. Jetzt erkannte Amardi in ihm den Mann wieder, dem sie damals auf der Landstraße begegnet waren und der ihnen gerade den Namen des benachbarten Dorfes genannt hatte. Ihr seid wohl einer von den Akrobaten, welche dort ihre Vorstellungen geben ? Ganz recht. Und ich wünsche wegen meines Geschäfts mit dem Herrn Doktor zu sprechen. Was wünscht Ihr von mir? fragte Cerci, welcher in diesem Augenblicke angekommen war und den Schlüssel in den Händen hielt, um die Gitterthür zu öffnen. Sie um eine Erlaubnis bitten, welche für meine ganze Gesellschaft eine hohe Gnade sein würde. Was für eine Gesellschaft? Die akrobatisch-gymnastische, deren Direktor ich bin, und die sich jetzt in *** befindet. Der Doktor war inzwischen eingetreten, und der Akrobat hatte sich in die Thüre gestellt. Aber kaum sah dies Moschillo, welcher fortwährend die fun¬ kelnden Augen auf deu Gaukler geheftet hatte und ein dumpfes, aber drohendes Knurren hatte hören lassen, als er sich mit wütendsten Gebell auf ihn zustürzte, und er würde ihn, wenn Paul ihn nicht beim Halsbande zurückgerissen hätte, mit den Zähnen gepackt haben. Og-raraltt)! rief der Akrobat; das Tier hat ein paar Kinnbacken, welche mich mit zwei Bissen verschlingen könnten. Seien Sie so gefällig und halten Sie Grenzboten III. 18L4. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/249>, abgerufen am 15.06.2024.