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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Arieg ums Theater.

die Hoffnung nicht sinken lassen, dem unleidlichen "Bureaukraten" doch noch
eine Nase zu drehen.

Zwei Streitfälle liegen vor. Dem Ningtheater ist das Stadttheater gefolgt,
die klassische Schöpfung der Periode des sogenannten volkswirtschaftlichen Auf¬
schwunges. Die Börsenbarone und Konsorten wollten auch ihr Burgtheater
haben, da die Logen des wirklichen Burgtheaters nicht einem jeden zugänglich
sind, der den Preis zahlen möchte, vielmehr bei deren Vergebung auf Re-
spektabilität gehalten wird; und Dr. Laube wollte ebeufnlls sein Burgtheater
haben, da er seine Rückberufung in das alte selbst unmöglich gemacht hatte.
Der damalige Redakteur der "Neuen freien Presse," Dr. Friedländer, kam beiden
Parteien mit einem plausibeln Grüudungsplan zu Hilfe: man brachte das Bau-
und Einrichtnngskapital durch Zeichnungen auf, und die Zeichner wurden je
nach der Höhe des gezeichneten Betrages ewige Eigentümer einer Loge, eines
oder mehrerer Sperrsitze. Das Anlagekapital brauchte also -- angeblich --
nicht verzinst und nicht abgetragen zu werden. Daran wollte man damals
nicht denken, daß die Verzinsung möglicherweise eine sehr drückende werden, daß
das Theater bei leidlichem Besuch ohne alle Einnahme bleiben könne, wenn
einmal niemand als die Aktionäre hineingehen würden. Und fast kam es so.
Der aussichtslose Wettlauf mit dem Hoftheater, die unsinnigen Schauspieler-
gchaltc (an denen das gesamte Thcaterwesen Wiens krankt), der Krach, der
Rückgang in den Vermögensverhältnissen brachten das Stadttheater bald dahin,
daß es nicht leben und nicht sterben konnte, aus einer Krisis in die andre fiel
und nur durch immer neue Opfer der Aktionäre am Scheinleben erhalten wurde.
Diese wurden durch den Brand des Theaters in diesem Frühjahr von der Last
eines fressenden Besitzes befreit und erhielten Aussicht, wenigstens einen Teil
ihrer Einzahlungen zurückzubekommen. Doch eine Fraktion, abermals Laube an
der Spitze, will die Leiche mit Gewalt galvanisiren. Die Behörde bewilligt
den Wiederaufbau des Theaters auf dem alten Platze nicht, weil es dort an
Wohnhäuser grenzen würde, und weil seit dem Unglück von 1881 grundsätzlich
nur auf alleu Seiten freistehende Thcaterbauten bewilligt werden dürfen.
Tyrannei! deklamirt Laube; es handelt sich um keinen Neubau, die Umfassungs¬
mauern stehen ja noch, daher gilt hier jene Verordnung nicht! Und das ge¬
mütliche Publikum findet, daß er im Grunde genommen Recht habe. Das
Feuer ist so rücksichtsvoll gewesen, nicht während einer Vorstellung und nicht
bei Nacht auszubrechen, man hat kein Menschenleben zu beklagen, warum also
die Dinge so ernst nehmen! Zum Glück hat diese Agitation wenig Aussicht
auf Erfolg, da die meisten Aktionäre garnicht daran denken, das Abenteuer
noch einmal zu versuchen.

Anders liegt der zweite Fall. Der Direktor des Ringtheaters, Jauner,
war, als jenes niederbrannte, bereits Besitzer des Gebäudes, in welchem sich
das alte "Theater an der Wien," Schikanederschen Andenkens, befindet. Man


GrenMm III. 1834. 6
Arieg ums Theater.

die Hoffnung nicht sinken lassen, dem unleidlichen „Bureaukraten" doch noch
eine Nase zu drehen.

Zwei Streitfälle liegen vor. Dem Ningtheater ist das Stadttheater gefolgt,
die klassische Schöpfung der Periode des sogenannten volkswirtschaftlichen Auf¬
schwunges. Die Börsenbarone und Konsorten wollten auch ihr Burgtheater
haben, da die Logen des wirklichen Burgtheaters nicht einem jeden zugänglich
sind, der den Preis zahlen möchte, vielmehr bei deren Vergebung auf Re-
spektabilität gehalten wird; und Dr. Laube wollte ebeufnlls sein Burgtheater
haben, da er seine Rückberufung in das alte selbst unmöglich gemacht hatte.
Der damalige Redakteur der „Neuen freien Presse," Dr. Friedländer, kam beiden
Parteien mit einem plausibeln Grüudungsplan zu Hilfe: man brachte das Bau-
und Einrichtnngskapital durch Zeichnungen auf, und die Zeichner wurden je
nach der Höhe des gezeichneten Betrages ewige Eigentümer einer Loge, eines
oder mehrerer Sperrsitze. Das Anlagekapital brauchte also — angeblich —
nicht verzinst und nicht abgetragen zu werden. Daran wollte man damals
nicht denken, daß die Verzinsung möglicherweise eine sehr drückende werden, daß
das Theater bei leidlichem Besuch ohne alle Einnahme bleiben könne, wenn
einmal niemand als die Aktionäre hineingehen würden. Und fast kam es so.
Der aussichtslose Wettlauf mit dem Hoftheater, die unsinnigen Schauspieler-
gchaltc (an denen das gesamte Thcaterwesen Wiens krankt), der Krach, der
Rückgang in den Vermögensverhältnissen brachten das Stadttheater bald dahin,
daß es nicht leben und nicht sterben konnte, aus einer Krisis in die andre fiel
und nur durch immer neue Opfer der Aktionäre am Scheinleben erhalten wurde.
Diese wurden durch den Brand des Theaters in diesem Frühjahr von der Last
eines fressenden Besitzes befreit und erhielten Aussicht, wenigstens einen Teil
ihrer Einzahlungen zurückzubekommen. Doch eine Fraktion, abermals Laube an
der Spitze, will die Leiche mit Gewalt galvanisiren. Die Behörde bewilligt
den Wiederaufbau des Theaters auf dem alten Platze nicht, weil es dort an
Wohnhäuser grenzen würde, und weil seit dem Unglück von 1881 grundsätzlich
nur auf alleu Seiten freistehende Thcaterbauten bewilligt werden dürfen.
Tyrannei! deklamirt Laube; es handelt sich um keinen Neubau, die Umfassungs¬
mauern stehen ja noch, daher gilt hier jene Verordnung nicht! Und das ge¬
mütliche Publikum findet, daß er im Grunde genommen Recht habe. Das
Feuer ist so rücksichtsvoll gewesen, nicht während einer Vorstellung und nicht
bei Nacht auszubrechen, man hat kein Menschenleben zu beklagen, warum also
die Dinge so ernst nehmen! Zum Glück hat diese Agitation wenig Aussicht
auf Erfolg, da die meisten Aktionäre garnicht daran denken, das Abenteuer
noch einmal zu versuchen.

Anders liegt der zweite Fall. Der Direktor des Ringtheaters, Jauner,
war, als jenes niederbrannte, bereits Besitzer des Gebäudes, in welchem sich
das alte „Theater an der Wien," Schikanederschen Andenkens, befindet. Man


GrenMm III. 1834. 6
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[0049] Arieg ums Theater. die Hoffnung nicht sinken lassen, dem unleidlichen „Bureaukraten" doch noch eine Nase zu drehen. Zwei Streitfälle liegen vor. Dem Ningtheater ist das Stadttheater gefolgt, die klassische Schöpfung der Periode des sogenannten volkswirtschaftlichen Auf¬ schwunges. Die Börsenbarone und Konsorten wollten auch ihr Burgtheater haben, da die Logen des wirklichen Burgtheaters nicht einem jeden zugänglich sind, der den Preis zahlen möchte, vielmehr bei deren Vergebung auf Re- spektabilität gehalten wird; und Dr. Laube wollte ebeufnlls sein Burgtheater haben, da er seine Rückberufung in das alte selbst unmöglich gemacht hatte. Der damalige Redakteur der „Neuen freien Presse," Dr. Friedländer, kam beiden Parteien mit einem plausibeln Grüudungsplan zu Hilfe: man brachte das Bau- und Einrichtnngskapital durch Zeichnungen auf, und die Zeichner wurden je nach der Höhe des gezeichneten Betrages ewige Eigentümer einer Loge, eines oder mehrerer Sperrsitze. Das Anlagekapital brauchte also — angeblich — nicht verzinst und nicht abgetragen zu werden. Daran wollte man damals nicht denken, daß die Verzinsung möglicherweise eine sehr drückende werden, daß das Theater bei leidlichem Besuch ohne alle Einnahme bleiben könne, wenn einmal niemand als die Aktionäre hineingehen würden. Und fast kam es so. Der aussichtslose Wettlauf mit dem Hoftheater, die unsinnigen Schauspieler- gchaltc (an denen das gesamte Thcaterwesen Wiens krankt), der Krach, der Rückgang in den Vermögensverhältnissen brachten das Stadttheater bald dahin, daß es nicht leben und nicht sterben konnte, aus einer Krisis in die andre fiel und nur durch immer neue Opfer der Aktionäre am Scheinleben erhalten wurde. Diese wurden durch den Brand des Theaters in diesem Frühjahr von der Last eines fressenden Besitzes befreit und erhielten Aussicht, wenigstens einen Teil ihrer Einzahlungen zurückzubekommen. Doch eine Fraktion, abermals Laube an der Spitze, will die Leiche mit Gewalt galvanisiren. Die Behörde bewilligt den Wiederaufbau des Theaters auf dem alten Platze nicht, weil es dort an Wohnhäuser grenzen würde, und weil seit dem Unglück von 1881 grundsätzlich nur auf alleu Seiten freistehende Thcaterbauten bewilligt werden dürfen. Tyrannei! deklamirt Laube; es handelt sich um keinen Neubau, die Umfassungs¬ mauern stehen ja noch, daher gilt hier jene Verordnung nicht! Und das ge¬ mütliche Publikum findet, daß er im Grunde genommen Recht habe. Das Feuer ist so rücksichtsvoll gewesen, nicht während einer Vorstellung und nicht bei Nacht auszubrechen, man hat kein Menschenleben zu beklagen, warum also die Dinge so ernst nehmen! Zum Glück hat diese Agitation wenig Aussicht auf Erfolg, da die meisten Aktionäre garnicht daran denken, das Abenteuer noch einmal zu versuchen. Anders liegt der zweite Fall. Der Direktor des Ringtheaters, Jauner, war, als jenes niederbrannte, bereits Besitzer des Gebäudes, in welchem sich das alte „Theater an der Wien," Schikanederschen Andenkens, befindet. Man GrenMm III. 1834. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/49>, abgerufen am 22.05.2024.