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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Neu-Frankreich.

von Neuirland, der östlichsten Insel des Archipels von Neubritcinnien im
Stillen Ozean, der im Nordosten von Neuguinea liegt und den Raum zwischen
2 --Grad südlicher Breite und 148 -- 165 Grad östlicher Länge von
Greenwich einnimmt. Von diesem Zentrum aus sollte sich "Neu-Frankreich"
nach allen Seiten hin ausbreiten durch Erwerbung aller der Inseln, die rings
um dasselbe in weiterem Umkreise herumliegen. Freilich gehören diese Inseln
verschiednen Mächten an, aber das kam nicht in Betracht; selbst Port-Breton
gehörte von Anfang an nicht dem kühnen Unternehmer eigentümlich. Es war
ein Ort, der deshalb keinen bestimmten Herrn hatte, weil er völlig öde und von
den Eingebornen sogar als unbewohnbar verlassen war.

Aber das ist ja eben ein Kennzeichen der "Gründungen," daß weniger der
eigentliche Wert des Gegenstandes der Spekulation und die mutmaßliche Renta¬
bilität der Unternehmung für die Unternehmer in Betracht kommen, als die
Aussicht auf eignen Gewinn. So war es auch hier der Fall, wie ein flüchtiger
Blick auf die Entstehung des Unternehmens und seine bisherigen Erfolge beweist.

Die Idee, eine neue Kolonie zu gründen und sie zur Grundlage einer
kühnen Finanzoperation zu machen, ging von dem Marquis de Raps aus.
Dieser ließ im Juli 1877 im ?kM ^ournÄ eine Annonce erscheinen, in welcher
er in der "freien Kolonie zu Port-Breton" Ländereien zu fünf Franks den
Hektar offerirte und jedem, der sich in dieser Angelegenheit an ihn werden
würde, in der üblichen Weise verhieß, daß er einen schnellen und sichern Gewinn
machen könne, ohne sein Land zu verlassen. Nun wurden Bons ausgegeben
und unterschrieben, ein eignes Journal gegründet, um durch Reklamen aller Art
das Unternehmen zu fördern, und schließlich ging am 14. September 1879 ein
erstes Schiff mit Kolonisten nach der neuen Kolonie ab.

Die Enttäuschung für diese armen Opfer ihrer Vertrauensseligkeit war
sehr bitter. Schon der Eindruck, den die Bucht von Port-Breton macht, ist
ein sehr trauriger; aber das Innere der Insel ist noch weniger einladend. Das
Land der Bucht ist angeschwemmter Boden, über den zwei nackte Bergrücken
emporragen. Auf dem felsigen Grunde, der aus Korallenriffen besteht, gedeiht
weder Getreide noch Gemüse. Heftige Regengüsse machen den Ort völlig unwohnlich.

Weshalb man diesen so ganz ungeeigneten Platz für die Kolonie aus-
ersehen hatte, ist leicht zu sagen. Augenscheinlich deshalb, weil man überzeugt sein
konnte, daß niemand seinen Besitz streitig machen würde. Man nahm eben den
Platz in Besitz mit dem Rechte dessen, der zuerst kommt. Erst später zeigte
sich ein eingeborner Häuptling, namens Maragano, der eine kleine Insel am
Eingänge der Bucht von Port-Breton besetzte und behauptete, ein Anrecht ans
den Besitz der ganzen Insel zu haben; aber um den Preis von 1550 Franks
trat er seine Ansprüche auf Port-Breton an die Gesellschaft "Neu-Frankreich" ab.

Das Schicksal der unglücklichen Auswanderer, welche zuerst nach dem neuen
Eldorado kamen, läßt sich leicht denken. Als das Schiff der dritten Expedition


Neu-Frankreich.

von Neuirland, der östlichsten Insel des Archipels von Neubritcinnien im
Stillen Ozean, der im Nordosten von Neuguinea liegt und den Raum zwischen
2 —Grad südlicher Breite und 148 — 165 Grad östlicher Länge von
Greenwich einnimmt. Von diesem Zentrum aus sollte sich „Neu-Frankreich"
nach allen Seiten hin ausbreiten durch Erwerbung aller der Inseln, die rings
um dasselbe in weiterem Umkreise herumliegen. Freilich gehören diese Inseln
verschiednen Mächten an, aber das kam nicht in Betracht; selbst Port-Breton
gehörte von Anfang an nicht dem kühnen Unternehmer eigentümlich. Es war
ein Ort, der deshalb keinen bestimmten Herrn hatte, weil er völlig öde und von
den Eingebornen sogar als unbewohnbar verlassen war.

Aber das ist ja eben ein Kennzeichen der „Gründungen," daß weniger der
eigentliche Wert des Gegenstandes der Spekulation und die mutmaßliche Renta¬
bilität der Unternehmung für die Unternehmer in Betracht kommen, als die
Aussicht auf eignen Gewinn. So war es auch hier der Fall, wie ein flüchtiger
Blick auf die Entstehung des Unternehmens und seine bisherigen Erfolge beweist.

Die Idee, eine neue Kolonie zu gründen und sie zur Grundlage einer
kühnen Finanzoperation zu machen, ging von dem Marquis de Raps aus.
Dieser ließ im Juli 1877 im ?kM ^ournÄ eine Annonce erscheinen, in welcher
er in der „freien Kolonie zu Port-Breton" Ländereien zu fünf Franks den
Hektar offerirte und jedem, der sich in dieser Angelegenheit an ihn werden
würde, in der üblichen Weise verhieß, daß er einen schnellen und sichern Gewinn
machen könne, ohne sein Land zu verlassen. Nun wurden Bons ausgegeben
und unterschrieben, ein eignes Journal gegründet, um durch Reklamen aller Art
das Unternehmen zu fördern, und schließlich ging am 14. September 1879 ein
erstes Schiff mit Kolonisten nach der neuen Kolonie ab.

Die Enttäuschung für diese armen Opfer ihrer Vertrauensseligkeit war
sehr bitter. Schon der Eindruck, den die Bucht von Port-Breton macht, ist
ein sehr trauriger; aber das Innere der Insel ist noch weniger einladend. Das
Land der Bucht ist angeschwemmter Boden, über den zwei nackte Bergrücken
emporragen. Auf dem felsigen Grunde, der aus Korallenriffen besteht, gedeiht
weder Getreide noch Gemüse. Heftige Regengüsse machen den Ort völlig unwohnlich.

Weshalb man diesen so ganz ungeeigneten Platz für die Kolonie aus-
ersehen hatte, ist leicht zu sagen. Augenscheinlich deshalb, weil man überzeugt sein
konnte, daß niemand seinen Besitz streitig machen würde. Man nahm eben den
Platz in Besitz mit dem Rechte dessen, der zuerst kommt. Erst später zeigte
sich ein eingeborner Häuptling, namens Maragano, der eine kleine Insel am
Eingänge der Bucht von Port-Breton besetzte und behauptete, ein Anrecht ans
den Besitz der ganzen Insel zu haben; aber um den Preis von 1550 Franks
trat er seine Ansprüche auf Port-Breton an die Gesellschaft „Neu-Frankreich" ab.

Das Schicksal der unglücklichen Auswanderer, welche zuerst nach dem neuen
Eldorado kamen, läßt sich leicht denken. Als das Schiff der dritten Expedition


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[0268] Neu-Frankreich. von Neuirland, der östlichsten Insel des Archipels von Neubritcinnien im Stillen Ozean, der im Nordosten von Neuguinea liegt und den Raum zwischen 2 —Grad südlicher Breite und 148 — 165 Grad östlicher Länge von Greenwich einnimmt. Von diesem Zentrum aus sollte sich „Neu-Frankreich" nach allen Seiten hin ausbreiten durch Erwerbung aller der Inseln, die rings um dasselbe in weiterem Umkreise herumliegen. Freilich gehören diese Inseln verschiednen Mächten an, aber das kam nicht in Betracht; selbst Port-Breton gehörte von Anfang an nicht dem kühnen Unternehmer eigentümlich. Es war ein Ort, der deshalb keinen bestimmten Herrn hatte, weil er völlig öde und von den Eingebornen sogar als unbewohnbar verlassen war. Aber das ist ja eben ein Kennzeichen der „Gründungen," daß weniger der eigentliche Wert des Gegenstandes der Spekulation und die mutmaßliche Renta¬ bilität der Unternehmung für die Unternehmer in Betracht kommen, als die Aussicht auf eignen Gewinn. So war es auch hier der Fall, wie ein flüchtiger Blick auf die Entstehung des Unternehmens und seine bisherigen Erfolge beweist. Die Idee, eine neue Kolonie zu gründen und sie zur Grundlage einer kühnen Finanzoperation zu machen, ging von dem Marquis de Raps aus. Dieser ließ im Juli 1877 im ?kM ^ournÄ eine Annonce erscheinen, in welcher er in der „freien Kolonie zu Port-Breton" Ländereien zu fünf Franks den Hektar offerirte und jedem, der sich in dieser Angelegenheit an ihn werden würde, in der üblichen Weise verhieß, daß er einen schnellen und sichern Gewinn machen könne, ohne sein Land zu verlassen. Nun wurden Bons ausgegeben und unterschrieben, ein eignes Journal gegründet, um durch Reklamen aller Art das Unternehmen zu fördern, und schließlich ging am 14. September 1879 ein erstes Schiff mit Kolonisten nach der neuen Kolonie ab. Die Enttäuschung für diese armen Opfer ihrer Vertrauensseligkeit war sehr bitter. Schon der Eindruck, den die Bucht von Port-Breton macht, ist ein sehr trauriger; aber das Innere der Insel ist noch weniger einladend. Das Land der Bucht ist angeschwemmter Boden, über den zwei nackte Bergrücken emporragen. Auf dem felsigen Grunde, der aus Korallenriffen besteht, gedeiht weder Getreide noch Gemüse. Heftige Regengüsse machen den Ort völlig unwohnlich. Weshalb man diesen so ganz ungeeigneten Platz für die Kolonie aus- ersehen hatte, ist leicht zu sagen. Augenscheinlich deshalb, weil man überzeugt sein konnte, daß niemand seinen Besitz streitig machen würde. Man nahm eben den Platz in Besitz mit dem Rechte dessen, der zuerst kommt. Erst später zeigte sich ein eingeborner Häuptling, namens Maragano, der eine kleine Insel am Eingänge der Bucht von Port-Breton besetzte und behauptete, ein Anrecht ans den Besitz der ganzen Insel zu haben; aber um den Preis von 1550 Franks trat er seine Ansprüche auf Port-Breton an die Gesellschaft „Neu-Frankreich" ab. Das Schicksal der unglücklichen Auswanderer, welche zuerst nach dem neuen Eldorado kamen, läßt sich leicht denken. Als das Schiff der dritten Expedition

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/268>, abgerufen am 22.05.2024.