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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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aber wurde dem Storthing von der Regierung eröffnet, daß der Beschluß als
vom Könige nicht sanktionirt nicht publizirt werden könne, Um den hiermit
ausgebrochenen Streit über die Existenz eines Vetorechts des Königs bei Ab¬
änderungen des Grundgesetzes womöglich zu einem friedlichen Austrage zu bringen,
wandte sich die Regierung auf Grund einer königlichen Resolution vom 30. August
unter dem 6. September 1880 an die juristische Fakultät der Landesuniversität
zu Christiania mit dem Ansuchen, daß sich dieselbe darüber aussprechen möge,
"wie weit und in welcher Ausdehnung dem Könige nach der Verfassung ein
Sanktionsrecht in Bezug auf Veränderungen des Grundgesetzes zukomme." An,
23. März 1881 wurde dieses Gutachten erstattet, und die Fakultät (bestehend
aus sechs Mitgliedern) sprach sich einstimmig für die Existenz eines absoluten
königlichen Vetos bei Verfassungsänderungen aus.

Die nähere Motivirung dieses Gutachtens hier darzulegen würde zu weit
führen, sie ist in dem oben angeführten Aufsatze Maurers zu finden. Nur
folgendes soll hier hervorgehoben werden. Eine ausdrückliche Bestimmung
darüber, ob und in wieweit dem Könige gegenüber Storthingsbeschlüssen, welche
auf eine Verfassungsänderung abzielen, ein Veto zustehe, ist im norwegischen
Grundgesetze nicht enthalten, und zwar weder in dessen ursprünglicher Fassung
vom 17. Mai 1814 noch in dessen veränderter Gestalt vom 4. November 1814.
Dagegen finden sich verschiedne Bestimmungen, welche festsetzen, daß zu einem
vom Storthiug gefaßten Beschlusse des Königs Sanktion einzuholen ist und erst
durch diese der Beschluß Gesetz wird; ferner daß der König bei der Schließung
des Storthiugs zugleich auf alle nicht bereits zuvor von ihm erledigten Be¬
schlüsse desselben seine Entschließung mitzuteilen habe, indem er sie entweder
bestätige oder verwerfe, und daß alle von ihm nicht ausdrücklich bestätigten als
von ihm verworfen gelten sollen. Weiter sind als Storthingsbeschlüsse, welche
der königlichen Sanktion nicht bedürfen, folgende und zwar nur diese bezeichnet:
1. diejenigen, durch welche sich das Storthing verfassungsmäßig für versammelt
erklärt, oder 2. seine Geschäftsordnung bestimmt, oder 3. die Vollmachten seiner
Mitglieder erledigt, oder 4. Urteile über Wahlstreitigkeitcn bestätigt oder ver¬
wirft, oder 5. Fremde naturalisirt, oder 6. eine Anklage gegen Staatsräte
oder andre Personen erhebt. Endlich wird bezüglich der Gesetzesvorschläge
ausdrücklich bestimmt, daß der König den ihm vorgelegten Störchin gsbcschluß.
falls er ihn nicht billigt, dem Odelsthinge (der aus drei Vierteilen des Storthings
bestehenden Abteilung des letztern) mit der Erklärung zurückzuschicken hat, daß
er es zur Zeit nicht angemessen finde, ihn zu sanktioniren, und daß ihm solchen¬
falls der Beschluß von dem eben versammelten Storthinge nicht nochmals vor¬
gelegt werden dürfe, daß dagegen ein Beschluß, der von drei ordentlichen
Storthingen, welche nach drei verschiednen auf einander folgenden Wahlen zu¬
sammengesetzt und überdies durch mindestens zwei dazwischen liegende ordentliche
Storthinge getrennt sind, unverändert angenommen wurde, ohne daß in der


aber wurde dem Storthing von der Regierung eröffnet, daß der Beschluß als
vom Könige nicht sanktionirt nicht publizirt werden könne, Um den hiermit
ausgebrochenen Streit über die Existenz eines Vetorechts des Königs bei Ab¬
änderungen des Grundgesetzes womöglich zu einem friedlichen Austrage zu bringen,
wandte sich die Regierung auf Grund einer königlichen Resolution vom 30. August
unter dem 6. September 1880 an die juristische Fakultät der Landesuniversität
zu Christiania mit dem Ansuchen, daß sich dieselbe darüber aussprechen möge,
„wie weit und in welcher Ausdehnung dem Könige nach der Verfassung ein
Sanktionsrecht in Bezug auf Veränderungen des Grundgesetzes zukomme." An,
23. März 1881 wurde dieses Gutachten erstattet, und die Fakultät (bestehend
aus sechs Mitgliedern) sprach sich einstimmig für die Existenz eines absoluten
königlichen Vetos bei Verfassungsänderungen aus.

Die nähere Motivirung dieses Gutachtens hier darzulegen würde zu weit
führen, sie ist in dem oben angeführten Aufsatze Maurers zu finden. Nur
folgendes soll hier hervorgehoben werden. Eine ausdrückliche Bestimmung
darüber, ob und in wieweit dem Könige gegenüber Storthingsbeschlüssen, welche
auf eine Verfassungsänderung abzielen, ein Veto zustehe, ist im norwegischen
Grundgesetze nicht enthalten, und zwar weder in dessen ursprünglicher Fassung
vom 17. Mai 1814 noch in dessen veränderter Gestalt vom 4. November 1814.
Dagegen finden sich verschiedne Bestimmungen, welche festsetzen, daß zu einem
vom Storthiug gefaßten Beschlusse des Königs Sanktion einzuholen ist und erst
durch diese der Beschluß Gesetz wird; ferner daß der König bei der Schließung
des Storthiugs zugleich auf alle nicht bereits zuvor von ihm erledigten Be¬
schlüsse desselben seine Entschließung mitzuteilen habe, indem er sie entweder
bestätige oder verwerfe, und daß alle von ihm nicht ausdrücklich bestätigten als
von ihm verworfen gelten sollen. Weiter sind als Storthingsbeschlüsse, welche
der königlichen Sanktion nicht bedürfen, folgende und zwar nur diese bezeichnet:
1. diejenigen, durch welche sich das Storthing verfassungsmäßig für versammelt
erklärt, oder 2. seine Geschäftsordnung bestimmt, oder 3. die Vollmachten seiner
Mitglieder erledigt, oder 4. Urteile über Wahlstreitigkeitcn bestätigt oder ver¬
wirft, oder 5. Fremde naturalisirt, oder 6. eine Anklage gegen Staatsräte
oder andre Personen erhebt. Endlich wird bezüglich der Gesetzesvorschläge
ausdrücklich bestimmt, daß der König den ihm vorgelegten Störchin gsbcschluß.
falls er ihn nicht billigt, dem Odelsthinge (der aus drei Vierteilen des Storthings
bestehenden Abteilung des letztern) mit der Erklärung zurückzuschicken hat, daß
er es zur Zeit nicht angemessen finde, ihn zu sanktioniren, und daß ihm solchen¬
falls der Beschluß von dem eben versammelten Storthinge nicht nochmals vor¬
gelegt werden dürfe, daß dagegen ein Beschluß, der von drei ordentlichen
Storthingen, welche nach drei verschiednen auf einander folgenden Wahlen zu¬
sammengesetzt und überdies durch mindestens zwei dazwischen liegende ordentliche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/645>, abgerufen am 16.06.2024.