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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Lage des Landes gegenüber den Kaffern Siknknuis sei ärger gefährdet als vor
derselben, die Schwurgerichte habe man willkürlich beseitigt, die Gesetzgebung
abgeschafft und durch keine beratende Versammlung ersetzt, und schließlich habe
mau gegen das Volk, das hier seine nach London abgesandten Wortführer habe
hören wollen, Kanonen aufgefahren.

Angesichts der Mißstimmung, die sich auch in Natal und dem Oranje-
Freistaat über das Verfahren Englands vielfach äußerte, glaubte man in London
wenigstens ein paar Schritte weit einlenken zu müssen. Anfangs 1879 kam
Sir Vartle Frere als britischer Kommissar nach der Kapstadt, ging aber auf
die Beschwerden der Boers nur insofern ein, als er Anstalten zur Bekriegung
der Kaffern (der Zulus unter Siknkunis Nachfolger Tschetschwäjv) durch eng¬
lische Truppen traf. Erst als daS Ungeschick Lord Chelmsfords, des Führers
derselben, zu einer gründlichen Schlappe dieses Heeres geführt hatte, Natal
bedroht war und die Boers nochmals offen erklärten, man habe ihnen nutzlos
ihre Selbständigkeit genommen, erschien er in Pretoria, um die Unzufriedenen
zu beruhigen. Dieselben erwarteten ihn in bewaffneter Volksversammlung,
welche mit großer Stimmenmehrheit den Beschluß faßte, die Königin um Auf¬
hebung der Annexion und Rückgabe der Selbständigkeit Transvaals anzugehen.
Der britische Kommissar stellte sich von der Gerechtigkeit dieses Gesuchs über¬
zeugt und sandte dasselbe mit einer Depesche von ihm selbst nach London, die
er den Wortführern der Versammlung vorher gezeigt hatte und in der er u. a.
sagte, die Verfasser der Petition seien angesehene Männer, und er dürfe fügen,
ihre Vorstellungen seien sehr ernster Beachtung des Ministers für die Kolonien
wert. Die Boers meinten daraufhin, weil sie selbst ehrliche und arglose Leute
waren, man werde ihren Wünschen willfahren, und gingen infolge dessen be¬
ruhigt heim, fanden sich aber bald schlimm enttäuscht. Ihr Gesuch war im
April abgegangen, und im September erhielten sie vom General Wolseley, der
mittlerweile an Chelmsfords Stelle den Oberbefehl über die britischen Streit-
kräfte im Zululandc übernommen, die Kaffern besiegt, Tschetschwäjo zum Ge¬
fangenen gemacht und dessen Gebiet unter dreizehn Häuptlinge verteilt hatte,
eine vorläufige Antwort auf ihre Bitte in der Erklärung, die Einverleibung des
Trausvaallandes in die Besitzungen der britischen Krone werde nicht zurück¬
gezogen werden. Kurz darauf erfolgte eine Proklamation, welche diesen Bescheid
ausführlich wiederholte und eine Exekutivregierung für das Land einsetzte. Die
Boers waren empört über diese Abweisung, leisteten indes, von der Vorsicht
ihrer Führer wohl beraten, zunächst nur passiven Widerstand, da sie der in ihrer
Mitte angesammelten bedeutenden Trnppenmacht Englands nicht gewachsen
waren nud es ihnen an Pulver mangelte. Sie wußten aber, daß ein längeres
Verweilen dieser Streitkräfte ihrer Tyrannen den Engländern zu große Kosten
verursachen werde, und daß folglich ihre Gelegenheit, sich mit den Waffen zu
befreien, nur eine Frage der nächsten Zukunft sei. Sie verfuhren ganz so, als


Lage des Landes gegenüber den Kaffern Siknknuis sei ärger gefährdet als vor
derselben, die Schwurgerichte habe man willkürlich beseitigt, die Gesetzgebung
abgeschafft und durch keine beratende Versammlung ersetzt, und schließlich habe
mau gegen das Volk, das hier seine nach London abgesandten Wortführer habe
hören wollen, Kanonen aufgefahren.

Angesichts der Mißstimmung, die sich auch in Natal und dem Oranje-
Freistaat über das Verfahren Englands vielfach äußerte, glaubte man in London
wenigstens ein paar Schritte weit einlenken zu müssen. Anfangs 1879 kam
Sir Vartle Frere als britischer Kommissar nach der Kapstadt, ging aber auf
die Beschwerden der Boers nur insofern ein, als er Anstalten zur Bekriegung
der Kaffern (der Zulus unter Siknkunis Nachfolger Tschetschwäjv) durch eng¬
lische Truppen traf. Erst als daS Ungeschick Lord Chelmsfords, des Führers
derselben, zu einer gründlichen Schlappe dieses Heeres geführt hatte, Natal
bedroht war und die Boers nochmals offen erklärten, man habe ihnen nutzlos
ihre Selbständigkeit genommen, erschien er in Pretoria, um die Unzufriedenen
zu beruhigen. Dieselben erwarteten ihn in bewaffneter Volksversammlung,
welche mit großer Stimmenmehrheit den Beschluß faßte, die Königin um Auf¬
hebung der Annexion und Rückgabe der Selbständigkeit Transvaals anzugehen.
Der britische Kommissar stellte sich von der Gerechtigkeit dieses Gesuchs über¬
zeugt und sandte dasselbe mit einer Depesche von ihm selbst nach London, die
er den Wortführern der Versammlung vorher gezeigt hatte und in der er u. a.
sagte, die Verfasser der Petition seien angesehene Männer, und er dürfe fügen,
ihre Vorstellungen seien sehr ernster Beachtung des Ministers für die Kolonien
wert. Die Boers meinten daraufhin, weil sie selbst ehrliche und arglose Leute
waren, man werde ihren Wünschen willfahren, und gingen infolge dessen be¬
ruhigt heim, fanden sich aber bald schlimm enttäuscht. Ihr Gesuch war im
April abgegangen, und im September erhielten sie vom General Wolseley, der
mittlerweile an Chelmsfords Stelle den Oberbefehl über die britischen Streit-
kräfte im Zululandc übernommen, die Kaffern besiegt, Tschetschwäjo zum Ge¬
fangenen gemacht und dessen Gebiet unter dreizehn Häuptlinge verteilt hatte,
eine vorläufige Antwort auf ihre Bitte in der Erklärung, die Einverleibung des
Trausvaallandes in die Besitzungen der britischen Krone werde nicht zurück¬
gezogen werden. Kurz darauf erfolgte eine Proklamation, welche diesen Bescheid
ausführlich wiederholte und eine Exekutivregierung für das Land einsetzte. Die
Boers waren empört über diese Abweisung, leisteten indes, von der Vorsicht
ihrer Führer wohl beraten, zunächst nur passiven Widerstand, da sie der in ihrer
Mitte angesammelten bedeutenden Trnppenmacht Englands nicht gewachsen
waren nud es ihnen an Pulver mangelte. Sie wußten aber, daß ein längeres
Verweilen dieser Streitkräfte ihrer Tyrannen den Engländern zu große Kosten
verursachen werde, und daß folglich ihre Gelegenheit, sich mit den Waffen zu
befreien, nur eine Frage der nächsten Zukunft sei. Sie verfuhren ganz so, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/19>, abgerufen am 21.05.2024.