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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Vor der Zeit darauf aufmerksam machte, daß die Südafrikanische Republik ihnen
einmal gefährlich werden konnte. Sein Gedanke, das Land mit der See durch
eine Eisenbahn nach der Delagoabai zu verbinden, zu welchem Zwecke er mit
der portugiesischen Negierung, der Besitzerin der Küste, einen Vertrag abschloß,
war verständig, mißfiel aber in der Kapstadt, da er den Ausfuhrhandel des
Freistaates von dem Wege über Raten ablenkte und den Boers gestattete, nn-
kontrvlirt von den englischen Behörden von auswärts Kriegsbedürfnisse zu be¬
ziehen. Seine falschen Maßregeln während der Kämpfe mit dem Kasfernkönige
Sikukuni, die den Waffen der Republik wiederholt schwere Niederlagen zuzogen,
und ebenso seine Prahlerei, er sei berufen, der Washington Südafrikas zu
werden, bewogen die Engländer, sich in die innern Angelegenheiten des Frei¬
staates zu mischen, und als britische Ansiedler in demselben, die sich als Krämer,
Bankiers, Goldgräber, Landspekulanten, Jäger und Glücksritter vorzüglich in
den Städten der Boers niedergelassen hatten, mit einigen der letzter" vereint
Annexion des Landes an die Kapkolonie verlangten, galt dies in London als
Wunsch des gesamten Volkes, dem man zu entsprechen sich beeilen müsse. Sir
Theophilus Shepstone, der Sekretär für die Angelegenheiten der Eingebornen
in Natal, kam im Mürz 1877 in Begleitung von Polizeisoldaten von Pieter-
maritzburg nach Pretoria, der Hauptstadt der südafrikanischen Republik, und
erklärte am 12. April das Land für einverleibt in die britischen Besitzungen.
Der Protest des Präsidenten Burgers blieb völlig unbeachtet. Auch darauf
nahm Shepstone keine Rücksicht, daß der Volksmad, der doch die wahre Stimme
des Landes repräsentirte, sich weigerte, über die Annexion zu verhandeln. Mau
wollte eben nur den einen Teil, mir den, dessen Meinung zu Englands Interesse
stimmte, hören, obwohl er uur die Bedeutung einer geringen Minorität hatte.

In London that man überrascht, fast erschrocken über diesen Gewaltakt,
ließ ihn aber gleichwohl durch das Parlament genehmigen. Aber noch mehr:
um den Boers den Verlust ihrer schwer errungenen Freiheit weniger schmerzlich
zu machen, hatte Shepstone ihnen die Erhaltung ihrer alten wandernden Ge¬
schwornengerichte, bei den Verhältnissen des Landes eine Notwendigkeit, die Er¬
richtung einer besondern Negierung und Gesetzgebung und die Schonung aller
ihrer privaten Rechte und Besitztitel verheißen, und von allen diesen Zusagen
wurde nur die letzte erfüllt.

Die Unzufriedenheit hierüber war unter der holländischen Bevölkerung des
Landes, das jetzt uur noch das Transvaalland heißen sollte, sehr groß und
wurde rasch allgemein. Ein Jahr nach der Annexion erklärten die Boers der
britischen Negierung in einer Denkschrift, die von Delegirten überreicht wurde,
rund heraus, wenn einige von ihnen früher das Bedürfnis nach einem festen
Regimente empfunden und sich vertrauensvoll zu England hingeneigt hätten,
so sei man jetzt allerwcirts davon zurückgekommen und wolle nichts mehr von
der Herrschaft der Königin wissen. Die Annexion sei ein Mißgriff gewesen, die


Vor der Zeit darauf aufmerksam machte, daß die Südafrikanische Republik ihnen
einmal gefährlich werden konnte. Sein Gedanke, das Land mit der See durch
eine Eisenbahn nach der Delagoabai zu verbinden, zu welchem Zwecke er mit
der portugiesischen Negierung, der Besitzerin der Küste, einen Vertrag abschloß,
war verständig, mißfiel aber in der Kapstadt, da er den Ausfuhrhandel des
Freistaates von dem Wege über Raten ablenkte und den Boers gestattete, nn-
kontrvlirt von den englischen Behörden von auswärts Kriegsbedürfnisse zu be¬
ziehen. Seine falschen Maßregeln während der Kämpfe mit dem Kasfernkönige
Sikukuni, die den Waffen der Republik wiederholt schwere Niederlagen zuzogen,
und ebenso seine Prahlerei, er sei berufen, der Washington Südafrikas zu
werden, bewogen die Engländer, sich in die innern Angelegenheiten des Frei¬
staates zu mischen, und als britische Ansiedler in demselben, die sich als Krämer,
Bankiers, Goldgräber, Landspekulanten, Jäger und Glücksritter vorzüglich in
den Städten der Boers niedergelassen hatten, mit einigen der letzter» vereint
Annexion des Landes an die Kapkolonie verlangten, galt dies in London als
Wunsch des gesamten Volkes, dem man zu entsprechen sich beeilen müsse. Sir
Theophilus Shepstone, der Sekretär für die Angelegenheiten der Eingebornen
in Natal, kam im Mürz 1877 in Begleitung von Polizeisoldaten von Pieter-
maritzburg nach Pretoria, der Hauptstadt der südafrikanischen Republik, und
erklärte am 12. April das Land für einverleibt in die britischen Besitzungen.
Der Protest des Präsidenten Burgers blieb völlig unbeachtet. Auch darauf
nahm Shepstone keine Rücksicht, daß der Volksmad, der doch die wahre Stimme
des Landes repräsentirte, sich weigerte, über die Annexion zu verhandeln. Mau
wollte eben nur den einen Teil, mir den, dessen Meinung zu Englands Interesse
stimmte, hören, obwohl er uur die Bedeutung einer geringen Minorität hatte.

In London that man überrascht, fast erschrocken über diesen Gewaltakt,
ließ ihn aber gleichwohl durch das Parlament genehmigen. Aber noch mehr:
um den Boers den Verlust ihrer schwer errungenen Freiheit weniger schmerzlich
zu machen, hatte Shepstone ihnen die Erhaltung ihrer alten wandernden Ge¬
schwornengerichte, bei den Verhältnissen des Landes eine Notwendigkeit, die Er¬
richtung einer besondern Negierung und Gesetzgebung und die Schonung aller
ihrer privaten Rechte und Besitztitel verheißen, und von allen diesen Zusagen
wurde nur die letzte erfüllt.

Die Unzufriedenheit hierüber war unter der holländischen Bevölkerung des
Landes, das jetzt uur noch das Transvaalland heißen sollte, sehr groß und
wurde rasch allgemein. Ein Jahr nach der Annexion erklärten die Boers der
britischen Negierung in einer Denkschrift, die von Delegirten überreicht wurde,
rund heraus, wenn einige von ihnen früher das Bedürfnis nach einem festen
Regimente empfunden und sich vertrauensvoll zu England hingeneigt hätten,
so sei man jetzt allerwcirts davon zurückgekommen und wolle nichts mehr von
der Herrschaft der Königin wissen. Die Annexion sei ein Mißgriff gewesen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/18>, abgerufen am 21.05.2024.