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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers.

solution gefaßt hatten, in welcher sie ihre Anhänglichkeit an die britische Re¬
gierung und den Entschluß aussprachen, falls den Boers die Unabhängigkeit
wieder zugestanden werden sollte, sich eine eigne Regierung zu wählen und sie
mit den Waffen zu verteidigen.

Die große Volksversammlung vom 10. Dezember nahm schließlich den
Alitrag an, der Vvlksraad solle am 12. April des nächsten Jahres ^1880^ zu¬
sammentreten, und zwar in der Stadt Potschefstroom, die weiter von Untat
entlegen und nicht so stark cmglisirt ist wie Pretoria. In der Kapstadt hatte
man befürchtet, die Partei der Boers, welche unverzüglich Gewaltschritte gethan
wissen wollte, werde die Oberhand gewinnen, und es werde zwischen den Ver¬
sammelten, die bewaffnet erschienen waren, und den Truppen Wolselcys zum
Kampfe kommen. Allein die Vorsichtigeren siegten und alles verlief in Ruhe,
zumal da auch der englische General, obwohl eine Bekanntmachung desselben
kurz zuvor "jede aufrührerische Versammlung" untersagt hatte und der Beschluß
vom 10. Dezember nach englischer Auffassung der Sachlage unzweifelhaft einen
aufrührerischen Charakter trug, ein Einschreiten seiner Soldaten zur Ausein-
andertreibnng der Tagenden für bedenklich ansah. Dagegen ließ er die Über¬
bringer jenes Beschlusses, Bot, den Sekretär des alten Volksrands, und Pre-
torins, den ehemaligen Präsidenten der südafrikanischen Republik, als des
Hochverrats schuldig verhaften, und während der erstere bald nachher gegen
Bürgschaft freigelassen wurde, blieb Prctorius in Haft, indem man ihn mit
Gerüchten in Verbindung brachte, nach denen Führer der Boers mit dem Könige
der Zulus über ein gemeinsames Vorgehen gegen die britischen Zwingherren zu
verhandeln versucht hatten. Ferner traf der englische Oberbefehlshaber ein Ab¬
kommen in betreff des alten Planes zur Erbauung einer Eisenbahn von Pre¬
toria nach der Delagvabai, nach welchem diese einzige Straße nach der See,
auf der die Boers sich rasch mit Kriegsmunition versehen konnten, unter die
Oberaufsicht Englands gestellt werden sollte. Endlich beeilte er sich, durch An¬
ordnung von Märschen seiner Rotröcke nach verschiednen Punkten hin seine
Machtmittel zu entfalten lind die aufsässige Bevölkerung nach Möglichkeit ein¬
zuschüchtern. Alle diese Maßregeln hatten einen gewissen Erfolg. Zwei von
den Führern der Boers, Krüger und Peter Jakob Joubert, machten sich, gleich¬
falls Verhaftung fürchtend, unsichtbar, ein Teil der holländischen Ansiedler be¬
reitete sich zu weiterem Abzüge nach Norden vor, und als drei von den nenn
für ven exekutiven Rat bestimmten Mitgliedern ablehnten, ließen drei englisch ge¬
sinnte Boers, Holls Tusen von Middelburg, Jan Joubert von Potschefstroom
und Marais vou Pretoria, sich bewegen, für sie einzutreten. Pretvrius, dem
gleichfalls eine Stelle in dieser Behörde angeboten wurde, schlug die Ehre aus.

Inzwischen hatten sich die Dinge in Natal für die englische Politik in
Südafrika unerfreulich gestaltet. Die gesetzgebende Versammlung dieser Kolonie,
in welcher die holländischen Elemente der Bevölkerung stark vertreten waren,


Grenzboten 1. 1885. 2
England und die Boers.

solution gefaßt hatten, in welcher sie ihre Anhänglichkeit an die britische Re¬
gierung und den Entschluß aussprachen, falls den Boers die Unabhängigkeit
wieder zugestanden werden sollte, sich eine eigne Regierung zu wählen und sie
mit den Waffen zu verteidigen.

Die große Volksversammlung vom 10. Dezember nahm schließlich den
Alitrag an, der Vvlksraad solle am 12. April des nächsten Jahres ^1880^ zu¬
sammentreten, und zwar in der Stadt Potschefstroom, die weiter von Untat
entlegen und nicht so stark cmglisirt ist wie Pretoria. In der Kapstadt hatte
man befürchtet, die Partei der Boers, welche unverzüglich Gewaltschritte gethan
wissen wollte, werde die Oberhand gewinnen, und es werde zwischen den Ver¬
sammelten, die bewaffnet erschienen waren, und den Truppen Wolselcys zum
Kampfe kommen. Allein die Vorsichtigeren siegten und alles verlief in Ruhe,
zumal da auch der englische General, obwohl eine Bekanntmachung desselben
kurz zuvor „jede aufrührerische Versammlung" untersagt hatte und der Beschluß
vom 10. Dezember nach englischer Auffassung der Sachlage unzweifelhaft einen
aufrührerischen Charakter trug, ein Einschreiten seiner Soldaten zur Ausein-
andertreibnng der Tagenden für bedenklich ansah. Dagegen ließ er die Über¬
bringer jenes Beschlusses, Bot, den Sekretär des alten Volksrands, und Pre-
torins, den ehemaligen Präsidenten der südafrikanischen Republik, als des
Hochverrats schuldig verhaften, und während der erstere bald nachher gegen
Bürgschaft freigelassen wurde, blieb Prctorius in Haft, indem man ihn mit
Gerüchten in Verbindung brachte, nach denen Führer der Boers mit dem Könige
der Zulus über ein gemeinsames Vorgehen gegen die britischen Zwingherren zu
verhandeln versucht hatten. Ferner traf der englische Oberbefehlshaber ein Ab¬
kommen in betreff des alten Planes zur Erbauung einer Eisenbahn von Pre¬
toria nach der Delagvabai, nach welchem diese einzige Straße nach der See,
auf der die Boers sich rasch mit Kriegsmunition versehen konnten, unter die
Oberaufsicht Englands gestellt werden sollte. Endlich beeilte er sich, durch An¬
ordnung von Märschen seiner Rotröcke nach verschiednen Punkten hin seine
Machtmittel zu entfalten lind die aufsässige Bevölkerung nach Möglichkeit ein¬
zuschüchtern. Alle diese Maßregeln hatten einen gewissen Erfolg. Zwei von
den Führern der Boers, Krüger und Peter Jakob Joubert, machten sich, gleich¬
falls Verhaftung fürchtend, unsichtbar, ein Teil der holländischen Ansiedler be¬
reitete sich zu weiterem Abzüge nach Norden vor, und als drei von den nenn
für ven exekutiven Rat bestimmten Mitgliedern ablehnten, ließen drei englisch ge¬
sinnte Boers, Holls Tusen von Middelburg, Jan Joubert von Potschefstroom
und Marais vou Pretoria, sich bewegen, für sie einzutreten. Pretvrius, dem
gleichfalls eine Stelle in dieser Behörde angeboten wurde, schlug die Ehre aus.

Inzwischen hatten sich die Dinge in Natal für die englische Politik in
Südafrika unerfreulich gestaltet. Die gesetzgebende Versammlung dieser Kolonie,
in welcher die holländischen Elemente der Bevölkerung stark vertreten waren,


Grenzboten 1. 1885. 2
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[0021] England und die Boers. solution gefaßt hatten, in welcher sie ihre Anhänglichkeit an die britische Re¬ gierung und den Entschluß aussprachen, falls den Boers die Unabhängigkeit wieder zugestanden werden sollte, sich eine eigne Regierung zu wählen und sie mit den Waffen zu verteidigen. Die große Volksversammlung vom 10. Dezember nahm schließlich den Alitrag an, der Vvlksraad solle am 12. April des nächsten Jahres ^1880^ zu¬ sammentreten, und zwar in der Stadt Potschefstroom, die weiter von Untat entlegen und nicht so stark cmglisirt ist wie Pretoria. In der Kapstadt hatte man befürchtet, die Partei der Boers, welche unverzüglich Gewaltschritte gethan wissen wollte, werde die Oberhand gewinnen, und es werde zwischen den Ver¬ sammelten, die bewaffnet erschienen waren, und den Truppen Wolselcys zum Kampfe kommen. Allein die Vorsichtigeren siegten und alles verlief in Ruhe, zumal da auch der englische General, obwohl eine Bekanntmachung desselben kurz zuvor „jede aufrührerische Versammlung" untersagt hatte und der Beschluß vom 10. Dezember nach englischer Auffassung der Sachlage unzweifelhaft einen aufrührerischen Charakter trug, ein Einschreiten seiner Soldaten zur Ausein- andertreibnng der Tagenden für bedenklich ansah. Dagegen ließ er die Über¬ bringer jenes Beschlusses, Bot, den Sekretär des alten Volksrands, und Pre- torins, den ehemaligen Präsidenten der südafrikanischen Republik, als des Hochverrats schuldig verhaften, und während der erstere bald nachher gegen Bürgschaft freigelassen wurde, blieb Prctorius in Haft, indem man ihn mit Gerüchten in Verbindung brachte, nach denen Führer der Boers mit dem Könige der Zulus über ein gemeinsames Vorgehen gegen die britischen Zwingherren zu verhandeln versucht hatten. Ferner traf der englische Oberbefehlshaber ein Ab¬ kommen in betreff des alten Planes zur Erbauung einer Eisenbahn von Pre¬ toria nach der Delagvabai, nach welchem diese einzige Straße nach der See, auf der die Boers sich rasch mit Kriegsmunition versehen konnten, unter die Oberaufsicht Englands gestellt werden sollte. Endlich beeilte er sich, durch An¬ ordnung von Märschen seiner Rotröcke nach verschiednen Punkten hin seine Machtmittel zu entfalten lind die aufsässige Bevölkerung nach Möglichkeit ein¬ zuschüchtern. Alle diese Maßregeln hatten einen gewissen Erfolg. Zwei von den Führern der Boers, Krüger und Peter Jakob Joubert, machten sich, gleich¬ falls Verhaftung fürchtend, unsichtbar, ein Teil der holländischen Ansiedler be¬ reitete sich zu weiterem Abzüge nach Norden vor, und als drei von den nenn für ven exekutiven Rat bestimmten Mitgliedern ablehnten, ließen drei englisch ge¬ sinnte Boers, Holls Tusen von Middelburg, Jan Joubert von Potschefstroom und Marais vou Pretoria, sich bewegen, für sie einzutreten. Pretvrius, dem gleichfalls eine Stelle in dieser Behörde angeboten wurde, schlug die Ehre aus. Inzwischen hatten sich die Dinge in Natal für die englische Politik in Südafrika unerfreulich gestaltet. Die gesetzgebende Versammlung dieser Kolonie, in welcher die holländischen Elemente der Bevölkerung stark vertreten waren, Grenzboten 1. 1885. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/21>, abgerufen am 21.05.2024.