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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers.

hatte die Wiederherstellung einer ihr Verantwortlicher Exekutive, die nach der
ursprünglichen Verfassung Landesrecht, durch Manöver Wolseleys aber praktisch
beseitigt und in ein Ministerium verwandelt worden war, das thatsächlich vom
Kolonialamte in London abhing, mit Ungestüm verlangt. Jetzt faßte sie weitere
verdrießliche Beschlüsse, verweigerte die Gelder zur Unterhaltung einer englischen
Residentschaft im Lande der Zulus, forderte dessen Vereinigung mit Natal und
beschloß die Einführung einer Vermögenssteuer in letzterem. Infolge dessen
verließ Wolseley Pretoria und begab sich nach Pietermaritzburg, um die wider¬
haarigen Gesetzgeber Natals zur Raison zu bringen, und bald nachher kehrte
er nach England zurück, wohin auch ein Teil seiner Truppen die Rückfahrt
antrat. Sein Nachfolger im Transvaallande war General Clifford. Derselbe
machte den Versuch, die Boers auf gütlichem Wege zu beschwichtigen, indem er
den gefangen gehaltenen Prctvrins mit vertraulichen Aufträgen auf eine Rundreise
nnter seine Gesinnungsgenossen abzugehen bewog. Diese Mission hatte jedoch,
wenn Pretorius es mit ihr überhaupt ernstlich meinte, keinen Erfolg, und
letzterer kehrte völlig unverrichteter Sache in sein Gefängnis zurück. Als er
aber dann freigegeben wurde, schloß er sich den andern Führern der Unzu¬
friedenen an, die jetzt für den Fall, daß die Bitten um Wiederherstellung der einstigen
Regierung und Verfassung des Landes wie bisher unbeachtet bleiben sollten,
einen Aufstand zur Wiedererlangung der Freiheit vorzubereiten begonnen hatten.

Eine gütliche Beilegung des Streites schien noch nicht vollständig aus¬
geschlossen zu sein. Die Boers hatten unter den englischen Liberalen Für¬
sprecher, und die Sympathien, die sich in der Kapkolonie und Natnl für ihre
Forderungen kundgaben, mußten in London Bedenken erwecken, ob ein Beharren
auf dem bisherigen Wege geraten und nicht vielmehr eine Umkehr zur Gerechtig¬
keit oder doch ein Kompromiß auf billige Bedingung hin, das den Boers eine
selbständigere Stellung verlieh, geboten sei. Bei Veaeousfield war etwas der
Art nicht zu erlangen, wohl aber hatte Gladstone, der Führer der Oppositions¬
partei, sich unzweideutig für die Rechte und Forderungen der Boers aus¬
gesprochen. Freilich war er damals nicht im Amte und folglich uicht verant¬
wortlich, und wir werden sehen, daß die auf ihn gesetzten Hoffnungen sich nicht
eher erfüllten, als bis die Patrioten des Transvaallandes sich mit den Waffen
für ihr Recht und Interesse erhoben, ihren Tyrannen wiederholt Niederlagen
beigebracht und so ihre Forderungen erzwungen hatten.




England und die Boers.

hatte die Wiederherstellung einer ihr Verantwortlicher Exekutive, die nach der
ursprünglichen Verfassung Landesrecht, durch Manöver Wolseleys aber praktisch
beseitigt und in ein Ministerium verwandelt worden war, das thatsächlich vom
Kolonialamte in London abhing, mit Ungestüm verlangt. Jetzt faßte sie weitere
verdrießliche Beschlüsse, verweigerte die Gelder zur Unterhaltung einer englischen
Residentschaft im Lande der Zulus, forderte dessen Vereinigung mit Natal und
beschloß die Einführung einer Vermögenssteuer in letzterem. Infolge dessen
verließ Wolseley Pretoria und begab sich nach Pietermaritzburg, um die wider¬
haarigen Gesetzgeber Natals zur Raison zu bringen, und bald nachher kehrte
er nach England zurück, wohin auch ein Teil seiner Truppen die Rückfahrt
antrat. Sein Nachfolger im Transvaallande war General Clifford. Derselbe
machte den Versuch, die Boers auf gütlichem Wege zu beschwichtigen, indem er
den gefangen gehaltenen Prctvrins mit vertraulichen Aufträgen auf eine Rundreise
nnter seine Gesinnungsgenossen abzugehen bewog. Diese Mission hatte jedoch,
wenn Pretorius es mit ihr überhaupt ernstlich meinte, keinen Erfolg, und
letzterer kehrte völlig unverrichteter Sache in sein Gefängnis zurück. Als er
aber dann freigegeben wurde, schloß er sich den andern Führern der Unzu¬
friedenen an, die jetzt für den Fall, daß die Bitten um Wiederherstellung der einstigen
Regierung und Verfassung des Landes wie bisher unbeachtet bleiben sollten,
einen Aufstand zur Wiedererlangung der Freiheit vorzubereiten begonnen hatten.

Eine gütliche Beilegung des Streites schien noch nicht vollständig aus¬
geschlossen zu sein. Die Boers hatten unter den englischen Liberalen Für¬
sprecher, und die Sympathien, die sich in der Kapkolonie und Natnl für ihre
Forderungen kundgaben, mußten in London Bedenken erwecken, ob ein Beharren
auf dem bisherigen Wege geraten und nicht vielmehr eine Umkehr zur Gerechtig¬
keit oder doch ein Kompromiß auf billige Bedingung hin, das den Boers eine
selbständigere Stellung verlieh, geboten sei. Bei Veaeousfield war etwas der
Art nicht zu erlangen, wohl aber hatte Gladstone, der Führer der Oppositions¬
partei, sich unzweideutig für die Rechte und Forderungen der Boers aus¬
gesprochen. Freilich war er damals nicht im Amte und folglich uicht verant¬
wortlich, und wir werden sehen, daß die auf ihn gesetzten Hoffnungen sich nicht
eher erfüllten, als bis die Patrioten des Transvaallandes sich mit den Waffen
für ihr Recht und Interesse erhoben, ihren Tyrannen wiederholt Niederlagen
beigebracht und so ihre Forderungen erzwungen hatten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/22>, abgerufen am 21.05.2024.