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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

in Antwerpen im Jahre 1S20 bekannt, und zwar nicht bloß durch eine gleich¬
zeitige lateinische Beschreibung, sondern auch durch einen Künstler wie Dürer,
welcher Augenzeuge dieser Feierlichkeit gewesen ist. Wir ersehen daraus, daß auf
den Triumphbogen nur mit einem dünnen Schleier bekleidete Jungfrauen, welche
mythologische Figuren, Tugenden u. dergl. darstellten, sich aufgestellt hatten.*)
Unzweifelhaft waren Künstlerhände an der Erfindung und Ausschmückung dieser
Schaugerüste beteiligt, gewiß aber nicht in dem Grade, wie im Frühjahr 1635
bei dem Einzuge des neuen Statthalters der Niederlande, des Erzherzogs Fer¬
dinand, in Antwerpen. Bei dieser Festlichkeit, deren Glanz bis auf den heu¬
tigen Tag nicht verdunkelt, auch durch das Nubensjubilänm von 1877 nicht
erreicht worden ist, wirkten viel bedeutendere künstlerische Kräfte mit, als sie
im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts verfügbar waren, in erster Linie
die unerschöpfliche Phantasie und Arbeitskraft eines Rubens, unter dessen Lei¬
tung ein Heer von Malern und plastischen Künstlern aller Art thätig war. Die
Ehrenpforten wurden von oben bis unten mit mythologischen und allegorischen
Figuren und Darstellungen überladen, die uns zum Teil noch in den Origi¬
nalen, zum Teil in Skizzen erhalten sind. Die Bedeutung derselben konnte
niemand ohne Erläuterung verstehen, und deshalb hatte, wie Max Rooses in
seiner "Geschichte der Mnlerschule Antwerpens" erzählt, der gelehrte Stadt¬
schreiber und Humanist Gevaerts alles nach der damaligen Sitte mit lateinischen
Aufschriften erklärt und verherrlicht oder auch verdunkelt. "So viel Distichen
und geschraubte Verse, so viel bombastische und pedantische Gelehrsamkeit, womit
hier auf allen Ehrenpforten durch Schulmeisterpoesie und langatmige Prosa
Rubens' Schöpfungen ausgelegt wurden, sind vielleicht bei keiner ähnlichen Ge¬
legenheit aufgestapelt wordeu. Der ganze Olymp aber, die ganze Sammlung
von griechischen und lateinischen Dichtern und Prosaikern, die Münzen und Me¬
daillen des Altertums und was der gelehrte Sekretarius aus älteren und
neueren Büchern auftreiben konnte, das wurde zu Häuser gebracht in dem die
Beschreibung von Ferdinands Einzug bildenden Werke."

In der That hatte hier die aus den humanistischen Studien der Nieder¬
länder erwachsene Lust an allegorischen Schangeprängen und symbolischen Rätsel-
Versen insofern ihren Höhepunkt erreicht, als zum letzten male die schöpferische
Kunst mit der Symbolik eine lebensvolle Verbindung einging. Von da ab
verlor die Phantasie, welche allegorische Begriffe lebendig gemacht hatte, mehr
und mehr ihre zeugende Kraft, und die allegorische Kunst förderte nur noch
Monstrositäten zu tage, welche dieses ganze Genre in Mißkredit gebracht haben.

Als Jan Brueghel auf dein Höhepunkte seines Schaffens stand, sah die
allegorische Malerei ihre besten Tage, und Brueghel selbst verstand es meister-



Wir erinnern hier beiläufig an das bekannte Gemälde von Makart, welcher, seiner
Neigung folgend, die klare Überlieferung dahin umwandelte, daß er nackte Mädchen Vor Karl
dem Fünften einherschreiten läßt.
Grenzboten I. 138S, 33
Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

in Antwerpen im Jahre 1S20 bekannt, und zwar nicht bloß durch eine gleich¬
zeitige lateinische Beschreibung, sondern auch durch einen Künstler wie Dürer,
welcher Augenzeuge dieser Feierlichkeit gewesen ist. Wir ersehen daraus, daß auf
den Triumphbogen nur mit einem dünnen Schleier bekleidete Jungfrauen, welche
mythologische Figuren, Tugenden u. dergl. darstellten, sich aufgestellt hatten.*)
Unzweifelhaft waren Künstlerhände an der Erfindung und Ausschmückung dieser
Schaugerüste beteiligt, gewiß aber nicht in dem Grade, wie im Frühjahr 1635
bei dem Einzuge des neuen Statthalters der Niederlande, des Erzherzogs Fer¬
dinand, in Antwerpen. Bei dieser Festlichkeit, deren Glanz bis auf den heu¬
tigen Tag nicht verdunkelt, auch durch das Nubensjubilänm von 1877 nicht
erreicht worden ist, wirkten viel bedeutendere künstlerische Kräfte mit, als sie
im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts verfügbar waren, in erster Linie
die unerschöpfliche Phantasie und Arbeitskraft eines Rubens, unter dessen Lei¬
tung ein Heer von Malern und plastischen Künstlern aller Art thätig war. Die
Ehrenpforten wurden von oben bis unten mit mythologischen und allegorischen
Figuren und Darstellungen überladen, die uns zum Teil noch in den Origi¬
nalen, zum Teil in Skizzen erhalten sind. Die Bedeutung derselben konnte
niemand ohne Erläuterung verstehen, und deshalb hatte, wie Max Rooses in
seiner „Geschichte der Mnlerschule Antwerpens" erzählt, der gelehrte Stadt¬
schreiber und Humanist Gevaerts alles nach der damaligen Sitte mit lateinischen
Aufschriften erklärt und verherrlicht oder auch verdunkelt. „So viel Distichen
und geschraubte Verse, so viel bombastische und pedantische Gelehrsamkeit, womit
hier auf allen Ehrenpforten durch Schulmeisterpoesie und langatmige Prosa
Rubens' Schöpfungen ausgelegt wurden, sind vielleicht bei keiner ähnlichen Ge¬
legenheit aufgestapelt wordeu. Der ganze Olymp aber, die ganze Sammlung
von griechischen und lateinischen Dichtern und Prosaikern, die Münzen und Me¬
daillen des Altertums und was der gelehrte Sekretarius aus älteren und
neueren Büchern auftreiben konnte, das wurde zu Häuser gebracht in dem die
Beschreibung von Ferdinands Einzug bildenden Werke."

In der That hatte hier die aus den humanistischen Studien der Nieder¬
länder erwachsene Lust an allegorischen Schangeprängen und symbolischen Rätsel-
Versen insofern ihren Höhepunkt erreicht, als zum letzten male die schöpferische
Kunst mit der Symbolik eine lebensvolle Verbindung einging. Von da ab
verlor die Phantasie, welche allegorische Begriffe lebendig gemacht hatte, mehr
und mehr ihre zeugende Kraft, und die allegorische Kunst förderte nur noch
Monstrositäten zu tage, welche dieses ganze Genre in Mißkredit gebracht haben.

Als Jan Brueghel auf dein Höhepunkte seines Schaffens stand, sah die
allegorische Malerei ihre besten Tage, und Brueghel selbst verstand es meister-



Wir erinnern hier beiläufig an das bekannte Gemälde von Makart, welcher, seiner
Neigung folgend, die klare Überlieferung dahin umwandelte, daß er nackte Mädchen Vor Karl
dem Fünften einherschreiten läßt.
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[0309] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei. in Antwerpen im Jahre 1S20 bekannt, und zwar nicht bloß durch eine gleich¬ zeitige lateinische Beschreibung, sondern auch durch einen Künstler wie Dürer, welcher Augenzeuge dieser Feierlichkeit gewesen ist. Wir ersehen daraus, daß auf den Triumphbogen nur mit einem dünnen Schleier bekleidete Jungfrauen, welche mythologische Figuren, Tugenden u. dergl. darstellten, sich aufgestellt hatten.*) Unzweifelhaft waren Künstlerhände an der Erfindung und Ausschmückung dieser Schaugerüste beteiligt, gewiß aber nicht in dem Grade, wie im Frühjahr 1635 bei dem Einzuge des neuen Statthalters der Niederlande, des Erzherzogs Fer¬ dinand, in Antwerpen. Bei dieser Festlichkeit, deren Glanz bis auf den heu¬ tigen Tag nicht verdunkelt, auch durch das Nubensjubilänm von 1877 nicht erreicht worden ist, wirkten viel bedeutendere künstlerische Kräfte mit, als sie im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts verfügbar waren, in erster Linie die unerschöpfliche Phantasie und Arbeitskraft eines Rubens, unter dessen Lei¬ tung ein Heer von Malern und plastischen Künstlern aller Art thätig war. Die Ehrenpforten wurden von oben bis unten mit mythologischen und allegorischen Figuren und Darstellungen überladen, die uns zum Teil noch in den Origi¬ nalen, zum Teil in Skizzen erhalten sind. Die Bedeutung derselben konnte niemand ohne Erläuterung verstehen, und deshalb hatte, wie Max Rooses in seiner „Geschichte der Mnlerschule Antwerpens" erzählt, der gelehrte Stadt¬ schreiber und Humanist Gevaerts alles nach der damaligen Sitte mit lateinischen Aufschriften erklärt und verherrlicht oder auch verdunkelt. „So viel Distichen und geschraubte Verse, so viel bombastische und pedantische Gelehrsamkeit, womit hier auf allen Ehrenpforten durch Schulmeisterpoesie und langatmige Prosa Rubens' Schöpfungen ausgelegt wurden, sind vielleicht bei keiner ähnlichen Ge¬ legenheit aufgestapelt wordeu. Der ganze Olymp aber, die ganze Sammlung von griechischen und lateinischen Dichtern und Prosaikern, die Münzen und Me¬ daillen des Altertums und was der gelehrte Sekretarius aus älteren und neueren Büchern auftreiben konnte, das wurde zu Häuser gebracht in dem die Beschreibung von Ferdinands Einzug bildenden Werke." In der That hatte hier die aus den humanistischen Studien der Nieder¬ länder erwachsene Lust an allegorischen Schangeprängen und symbolischen Rätsel- Versen insofern ihren Höhepunkt erreicht, als zum letzten male die schöpferische Kunst mit der Symbolik eine lebensvolle Verbindung einging. Von da ab verlor die Phantasie, welche allegorische Begriffe lebendig gemacht hatte, mehr und mehr ihre zeugende Kraft, und die allegorische Kunst förderte nur noch Monstrositäten zu tage, welche dieses ganze Genre in Mißkredit gebracht haben. Als Jan Brueghel auf dein Höhepunkte seines Schaffens stand, sah die allegorische Malerei ihre besten Tage, und Brueghel selbst verstand es meister- Wir erinnern hier beiläufig an das bekannte Gemälde von Makart, welcher, seiner Neigung folgend, die klare Überlieferung dahin umwandelte, daß er nackte Mädchen Vor Karl dem Fünften einherschreiten läßt. Grenzboten I. 138S, 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/309>, abgerufen am 17.06.2024.