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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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samen Spaziergüngcn; aber mit der Gegenrede sieht es meistens bedenklich
aus, und ich hoffe daher, daß die wenigen Worte, die ich jetzt an Sie richten
will, Ihnen willkommen sein werden, am willkommensten den Herren von der
Majorität, denen ich diesmal nur Angenehmes zu sagen habe,

Wohl schien eS, als ob das Jahr unter recht niederschlagenden Eindrücken
zu Ende gehen wolle. Da war die maßlose Verschwendung, die Summe von
2700 Mark, sage! neunhundert Thalern, an Beamte des Chiffrirdcpartemcnts
zu vergeben! Mehr giebt schwerlich der Kollege Löwe seinem ersten Buchhalter
als Ncujahrsgratifikation, Wie soll aber das deutsche Reich solche Unsummen
aufbringen? Dann mußte die Veröffentlichung der afrikanischen Korrespondenz
jeden Biedermann schwer betrüben. Die Engländer wußten doch, daß das
deutsche Volk -- oder, was dasselbe sagen will: der Abgeordnete Bamberger --
kein Spielverderber werden mochte; sie durften auf die Wiederkehr der schönen
Zeit rechnen, in welcher wir uns nicht erlaubten zu niesen, falls dies Lord
Palmerston unlieb gewesen wäre; sie hätten uns vielleicht großmütig verziehen,
daß gegen ihr ausdrückliches Verbot die Elbherzogtümer befreit worden sind,
und daß niemand sich an des Grafen Derby emphatisches Knock tun äovn!
gekehrt hat. War er doch selbst schon so gütig, die Ungehorsamen nicht dvwn-
zukuockcu. Nun aber die Rücksichtslosigkeit gegen die Engländer und den Ab¬
geordneten Vamberger! Wenn die Engländer nicht einmal mehr auf Herrn
Bamberger vertrauen können, und wenn nicht einmal mehr die Engländer auf
Herrn Bamberger vertrauen können -- was soll aus der Welt uoch werden?
So erwerben wir uns keine Freunde,

Und nun vollends die offene Empörung gegen den Abgeordneten Richter,
die Zweifel an feiner Unfehlbarkeit! Man wirft ihm vor, er mische sich in alles
und am liebsten in Dinge, von welchen er nichts verstehe. Ja meine Herren,
wenn er nnr über das reden dürfte, was er versteht, wie selten würden wir das
Vergnügen haben, ihn reden zu hören, wie wenig unterhaltend würden die
Sitzungen, und wie kurz würden sie sein! Auf jedes unverdorbene Gemüt macht
ja eben die naive Zuversicht einen herzerhebenden Eindruck, wie wenn der kleine
Knirps, welcher in seiner Fibel bis zum Gvckclhahn gekommen ist, trocken sagt:
Jetzt weiß ich alles!

Von welcher Bedeutung das Urteil des gemeinen Mannes sein kann, hat
ja gerade wieder der hochverehrte Abgeordnete Ludwig Löwe gezeigt: "Ist die
eine Abteilung überlastet, so muß die andre ihr etwas abnehmen." Wie da
wieder einmal der Verstand der Verständigen durch die schlichte Einfalt be¬
schämt wurde! Die Sache ist jn in der That so einfach. Wenn der Markt¬
helfer eine Kiste allein nicht heben kann, so schickt der Prinzipal den Lehrling
ins Magazin; dafür muß der Markthelfer, falls er eine leserliche Hand schreibt,
bei Gelegenheit wieder dein Lehrling helfen. Es geht alles, wenn man nnr
will. Und Ihnen allen wird sich gewiß, wie mi>-, in jenem unvergeßlichen Mv-


Grmzlwtm I. lW, 6

samen Spaziergüngcn; aber mit der Gegenrede sieht es meistens bedenklich
aus, und ich hoffe daher, daß die wenigen Worte, die ich jetzt an Sie richten
will, Ihnen willkommen sein werden, am willkommensten den Herren von der
Majorität, denen ich diesmal nur Angenehmes zu sagen habe,

Wohl schien eS, als ob das Jahr unter recht niederschlagenden Eindrücken
zu Ende gehen wolle. Da war die maßlose Verschwendung, die Summe von
2700 Mark, sage! neunhundert Thalern, an Beamte des Chiffrirdcpartemcnts
zu vergeben! Mehr giebt schwerlich der Kollege Löwe seinem ersten Buchhalter
als Ncujahrsgratifikation, Wie soll aber das deutsche Reich solche Unsummen
aufbringen? Dann mußte die Veröffentlichung der afrikanischen Korrespondenz
jeden Biedermann schwer betrüben. Die Engländer wußten doch, daß das
deutsche Volk — oder, was dasselbe sagen will: der Abgeordnete Bamberger —
kein Spielverderber werden mochte; sie durften auf die Wiederkehr der schönen
Zeit rechnen, in welcher wir uns nicht erlaubten zu niesen, falls dies Lord
Palmerston unlieb gewesen wäre; sie hätten uns vielleicht großmütig verziehen,
daß gegen ihr ausdrückliches Verbot die Elbherzogtümer befreit worden sind,
und daß niemand sich an des Grafen Derby emphatisches Knock tun äovn!
gekehrt hat. War er doch selbst schon so gütig, die Ungehorsamen nicht dvwn-
zukuockcu. Nun aber die Rücksichtslosigkeit gegen die Engländer und den Ab¬
geordneten Vamberger! Wenn die Engländer nicht einmal mehr auf Herrn
Bamberger vertrauen können, und wenn nicht einmal mehr die Engländer auf
Herrn Bamberger vertrauen können — was soll aus der Welt uoch werden?
So erwerben wir uns keine Freunde,

Und nun vollends die offene Empörung gegen den Abgeordneten Richter,
die Zweifel an feiner Unfehlbarkeit! Man wirft ihm vor, er mische sich in alles
und am liebsten in Dinge, von welchen er nichts verstehe. Ja meine Herren,
wenn er nnr über das reden dürfte, was er versteht, wie selten würden wir das
Vergnügen haben, ihn reden zu hören, wie wenig unterhaltend würden die
Sitzungen, und wie kurz würden sie sein! Auf jedes unverdorbene Gemüt macht
ja eben die naive Zuversicht einen herzerhebenden Eindruck, wie wenn der kleine
Knirps, welcher in seiner Fibel bis zum Gvckclhahn gekommen ist, trocken sagt:
Jetzt weiß ich alles!

Von welcher Bedeutung das Urteil des gemeinen Mannes sein kann, hat
ja gerade wieder der hochverehrte Abgeordnete Ludwig Löwe gezeigt: „Ist die
eine Abteilung überlastet, so muß die andre ihr etwas abnehmen." Wie da
wieder einmal der Verstand der Verständigen durch die schlichte Einfalt be¬
schämt wurde! Die Sache ist jn in der That so einfach. Wenn der Markt¬
helfer eine Kiste allein nicht heben kann, so schickt der Prinzipal den Lehrling
ins Magazin; dafür muß der Markthelfer, falls er eine leserliche Hand schreibt,
bei Gelegenheit wieder dein Lehrling helfen. Es geht alles, wenn man nnr
will. Und Ihnen allen wird sich gewiß, wie mi>-, in jenem unvergeßlichen Mv-


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[0053] samen Spaziergüngcn; aber mit der Gegenrede sieht es meistens bedenklich aus, und ich hoffe daher, daß die wenigen Worte, die ich jetzt an Sie richten will, Ihnen willkommen sein werden, am willkommensten den Herren von der Majorität, denen ich diesmal nur Angenehmes zu sagen habe, Wohl schien eS, als ob das Jahr unter recht niederschlagenden Eindrücken zu Ende gehen wolle. Da war die maßlose Verschwendung, die Summe von 2700 Mark, sage! neunhundert Thalern, an Beamte des Chiffrirdcpartemcnts zu vergeben! Mehr giebt schwerlich der Kollege Löwe seinem ersten Buchhalter als Ncujahrsgratifikation, Wie soll aber das deutsche Reich solche Unsummen aufbringen? Dann mußte die Veröffentlichung der afrikanischen Korrespondenz jeden Biedermann schwer betrüben. Die Engländer wußten doch, daß das deutsche Volk — oder, was dasselbe sagen will: der Abgeordnete Bamberger — kein Spielverderber werden mochte; sie durften auf die Wiederkehr der schönen Zeit rechnen, in welcher wir uns nicht erlaubten zu niesen, falls dies Lord Palmerston unlieb gewesen wäre; sie hätten uns vielleicht großmütig verziehen, daß gegen ihr ausdrückliches Verbot die Elbherzogtümer befreit worden sind, und daß niemand sich an des Grafen Derby emphatisches Knock tun äovn! gekehrt hat. War er doch selbst schon so gütig, die Ungehorsamen nicht dvwn- zukuockcu. Nun aber die Rücksichtslosigkeit gegen die Engländer und den Ab¬ geordneten Vamberger! Wenn die Engländer nicht einmal mehr auf Herrn Bamberger vertrauen können, und wenn nicht einmal mehr die Engländer auf Herrn Bamberger vertrauen können — was soll aus der Welt uoch werden? So erwerben wir uns keine Freunde, Und nun vollends die offene Empörung gegen den Abgeordneten Richter, die Zweifel an feiner Unfehlbarkeit! Man wirft ihm vor, er mische sich in alles und am liebsten in Dinge, von welchen er nichts verstehe. Ja meine Herren, wenn er nnr über das reden dürfte, was er versteht, wie selten würden wir das Vergnügen haben, ihn reden zu hören, wie wenig unterhaltend würden die Sitzungen, und wie kurz würden sie sein! Auf jedes unverdorbene Gemüt macht ja eben die naive Zuversicht einen herzerhebenden Eindruck, wie wenn der kleine Knirps, welcher in seiner Fibel bis zum Gvckclhahn gekommen ist, trocken sagt: Jetzt weiß ich alles! Von welcher Bedeutung das Urteil des gemeinen Mannes sein kann, hat ja gerade wieder der hochverehrte Abgeordnete Ludwig Löwe gezeigt: „Ist die eine Abteilung überlastet, so muß die andre ihr etwas abnehmen." Wie da wieder einmal der Verstand der Verständigen durch die schlichte Einfalt be¬ schämt wurde! Die Sache ist jn in der That so einfach. Wenn der Markt¬ helfer eine Kiste allein nicht heben kann, so schickt der Prinzipal den Lehrling ins Magazin; dafür muß der Markthelfer, falls er eine leserliche Hand schreibt, bei Gelegenheit wieder dein Lehrling helfen. Es geht alles, wenn man nnr will. Und Ihnen allen wird sich gewiß, wie mi>-, in jenem unvergeßlichen Mv- Grmzlwtm I. lW, 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/53>, abgerufen am 21.05.2024.