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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Ungehaltene Reden eines Nichtgcivählten.

mente das Bild einer lachenden Zukunft vor die Unger gestellt haben. Wenn
jetzt abermals die Parole ausgegeben wird: "Fort mit Bismarck!" so darf nicht
mehr höhnisch gefragt werden: "Wen wollt ihr denn an seine Stelle setzen?"
Darüber kann kein Zweifel, kein Streit mehr bestehen, der Mann ist gefunden,
welcher die auswärtige Politik nach kaufmännischen Grundsätzen leiten wird.
Früher dachte mau wohl an den Abgeordneten Virchow, aber dieser wird, dessen
dürfen wir uns zu seinem Patriotismus versehen, wohl kein Bedenken tragen,
unter seinem politischen und unpolitischen Freunde Löwe die Stellung eines
Disponenten für die politische Brauche anzunehmen, während für die handels¬
politische selbstverständlich Herr Vambergcr Proknra erhalten müßte. Wenn
dann noch das Portefeuille des Krieges an Herr" Richter (natürlich mit Herrn
Windthorst als Generalstabschef) gelangte, der ja längst und unlängst seine Er¬
folge auf dem Schlachtfelde der Leipziger Straße selbst anerkannt hat, so Ware
ein Kabinet zustande gebracht, um welches Deutschland sogar in Porte-an-Prince
und San Domingo beneidet werden dürfte.

Von andrer Seite ist vorgeschlagen worden, den würdigen Abgeordneten
für Frankfurt und Sachsenhauser durch Übertragung des Präsidiums für feine
klassische Jungfernrede am Tage uach der großen Schlacht zu belohnen. Ich
will nicht bestreikn, daß Herr Sabor seine Sache ebensogut macheu würde wie
Herr Löwe; vor allem hat er seine Fähigkeit dargethan, die Gemiitcr zu ver¬
söhnen, denn in der Huldigung für ihn fanden sich alle einträchtiglich zusammen,
die eben noch von der Wut des Kampfes geglüht hatten. Aber er ist unver¬
kennbar für etwas höheres geboren, als das Staatsschiff zu lenken. Nicht um¬
sonst erinnert sein Name trotz der Eliminirung des Buchstabens in an das früher
durch den falschen Demetrius und später durch seine Rhabarberknltur bekannt
gewordene Städtchen im Lande Galizien, welches der Welt so viele Taschenspieler
und andre Künstler geschenkt hat. Wie er sozusagen mit einem Bocksprung
über den Kopf seines verblüfften zwiefachen Lmidsmauues Herrn Sonncmanu
hinweg in das Parlament seinen Einzug hielt, und gleich die erste Pause be¬
nutzte, um mit erschütterndem, feierlichem Ernste seinen Gallimathias vorzutragen,
wurden wir sofort inne: da ist mehr als Helmcrding und Thomas! Wie lustig
müssen die Stunden gewesen sein, als er noch hoffnungsvolle Jünglinge in die
Mhstericn des Talmud einweihte! Welchen unerhörten Erfolg er davontrug,
das ist Ihnen allen gewiß unvergeßlich. Sein unnachahmliches: "Wenn Sie
noch einmal lachen, dann . . .!" kursirt bereits als geflügeltes Wort, wie vor
kurzem das "Schwamm drüber." Fern sei es, die Talente der Herren Richter,
Windthorst, Braun >-- ach, daß ich Träger nicht mehr nennen darf! -- ver¬
kleinern zu wollen. Doch ist in ihrer Komik immer etwas berechnetes, sie er¬
zwingen die "Heiterkeit," kündigen gewissermaßen an: "Du sollst und mußt
lachen!" Snbor hingegen ist der geborene Komiker, er macht den Eindruck,
garnicht zu wisse", wie drollig alles an ihm ist, Wort, Ton, Geberde, und


Ungehaltene Reden eines Nichtgcivählten.

mente das Bild einer lachenden Zukunft vor die Unger gestellt haben. Wenn
jetzt abermals die Parole ausgegeben wird: „Fort mit Bismarck!" so darf nicht
mehr höhnisch gefragt werden: „Wen wollt ihr denn an seine Stelle setzen?"
Darüber kann kein Zweifel, kein Streit mehr bestehen, der Mann ist gefunden,
welcher die auswärtige Politik nach kaufmännischen Grundsätzen leiten wird.
Früher dachte mau wohl an den Abgeordneten Virchow, aber dieser wird, dessen
dürfen wir uns zu seinem Patriotismus versehen, wohl kein Bedenken tragen,
unter seinem politischen und unpolitischen Freunde Löwe die Stellung eines
Disponenten für die politische Brauche anzunehmen, während für die handels¬
politische selbstverständlich Herr Vambergcr Proknra erhalten müßte. Wenn
dann noch das Portefeuille des Krieges an Herr» Richter (natürlich mit Herrn
Windthorst als Generalstabschef) gelangte, der ja längst und unlängst seine Er¬
folge auf dem Schlachtfelde der Leipziger Straße selbst anerkannt hat, so Ware
ein Kabinet zustande gebracht, um welches Deutschland sogar in Porte-an-Prince
und San Domingo beneidet werden dürfte.

Von andrer Seite ist vorgeschlagen worden, den würdigen Abgeordneten
für Frankfurt und Sachsenhauser durch Übertragung des Präsidiums für feine
klassische Jungfernrede am Tage uach der großen Schlacht zu belohnen. Ich
will nicht bestreikn, daß Herr Sabor seine Sache ebensogut macheu würde wie
Herr Löwe; vor allem hat er seine Fähigkeit dargethan, die Gemiitcr zu ver¬
söhnen, denn in der Huldigung für ihn fanden sich alle einträchtiglich zusammen,
die eben noch von der Wut des Kampfes geglüht hatten. Aber er ist unver¬
kennbar für etwas höheres geboren, als das Staatsschiff zu lenken. Nicht um¬
sonst erinnert sein Name trotz der Eliminirung des Buchstabens in an das früher
durch den falschen Demetrius und später durch seine Rhabarberknltur bekannt
gewordene Städtchen im Lande Galizien, welches der Welt so viele Taschenspieler
und andre Künstler geschenkt hat. Wie er sozusagen mit einem Bocksprung
über den Kopf seines verblüfften zwiefachen Lmidsmauues Herrn Sonncmanu
hinweg in das Parlament seinen Einzug hielt, und gleich die erste Pause be¬
nutzte, um mit erschütterndem, feierlichem Ernste seinen Gallimathias vorzutragen,
wurden wir sofort inne: da ist mehr als Helmcrding und Thomas! Wie lustig
müssen die Stunden gewesen sein, als er noch hoffnungsvolle Jünglinge in die
Mhstericn des Talmud einweihte! Welchen unerhörten Erfolg er davontrug,
das ist Ihnen allen gewiß unvergeßlich. Sein unnachahmliches: „Wenn Sie
noch einmal lachen, dann . . .!" kursirt bereits als geflügeltes Wort, wie vor
kurzem das „Schwamm drüber." Fern sei es, die Talente der Herren Richter,
Windthorst, Braun >— ach, daß ich Träger nicht mehr nennen darf! — ver¬
kleinern zu wollen. Doch ist in ihrer Komik immer etwas berechnetes, sie er¬
zwingen die „Heiterkeit," kündigen gewissermaßen an: „Du sollst und mußt
lachen!" Snbor hingegen ist der geborene Komiker, er macht den Eindruck,
garnicht zu wisse», wie drollig alles an ihm ist, Wort, Ton, Geberde, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/54>, abgerufen am 14.06.2024.