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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine perle,

sei, bestätigte; laßt ihn mich Heimgeleiten, Signore! Wer weiß, was ihm mit
seinen Taschen voll klingenden Goldes zustößt!

Was du Schurke mit mir im Sinne hast, das weiß dein Herr sogut wie
ich, jammerte Ephraim; nehmt ihn mit Euch, hoher Herr. Ich verlange keine
Zahlung für den Ring, mag er noch so kostbar gewesen sein. Nur laßt den
Burschen mir nicht nachschleichen. Er wäre die längste Zeit Euer Gelegenheits-
macher gewesen, wenn Ihr ihn heute aus den Augen ließet, denn ich fühle seine
Kralle schon im Nacken: er ist die rechte Sorte, die, um selbst den Herrn spielen
zu können, ehrlichen Leuten im Dunkeln den Garaus macht.

Beppo wollte sich an dem Schmähenden vergreifen, aber Giuseppe Gon-
zaga faßte deu Trunkenen beim Kragen und nötigte ihn mit einem derben
Rippenstöße, seiner Dienerpflichten eingedenk zu sein, also zunächst aus dem
Versteck eines Thorwegs die für den Heimweg in Bereitschaft gehaltene bren¬
nende Laterne hervorzuholen und mit dieser dann seinem Herrn, wenn auch
schwankenden Schrittes, vorcmszuleuchtcn.

Wie von der Erde verschlungen verschwand währenddessen der alte Hebräer.
Er hatte oft schon schwerere Kisten und Säcke getragen als den ledernen Koffer,
die Perlcnkassette und die Taschen voll Dukaten, und wenn er vovhin sich ge¬
stellt hatte, als könne er nicht ohne Giuseppe Gonzagas Hilfe seine Schätze
fortbringen, so war es nnr in der Hoffnung geschehen, unter dem Schutze
desselben heimzukommen.

In einer der nächsten Straßen, durch welche der Diener lallend und in
Schlangenwindungen, mehr stolpernd als gehend, seinem Herrn mit der hell-
leuchtenden Laterne vorausschritt, sprudelte ein munter gurgelnder Qucllbrnnnen.

Setze nieder, befahl Giuseppe dem Berauschten, und da dieser nicht verstand,
von was oder von wem die Rede war, nahm Giuseppe ihm die Laterne ans
der Hand und wies ihn an, sich unter der Brunnendvuche womöglich wieder
zu einiger Ernüchterung zu verhelfen.

Aber das Mittel wollte nicht sogleich verschlagen, und so faßte Giuseppe
einstweilen auf dem Sitze des niederen Brunnenrandes Posto, indem er Beppo
zu verstehen gab, er möge von Zeit zu Zeit das Experiment wiederholen, denn
es sei noch Wichtiges zu besprechen, und es solle Beppos Schaden nicht sein,
wenn er vor MWiZg. molto wieder zu dem vollen Gebrauch seiner fünf Sinne
gelange.

Inzwischen hüllte sich der von einem wüsten Durcheinander bunter Bilder
Erfüllte fest in seinen Mantel und stützte, indem er zum sternenbesäten Nacht¬
himmel emporblickte, seinen Kops in die Hand.

Es war lanliche Luft, und Orangendüfte von der Terrasse irgend eines
hochgelegenen Gartens mischten sich in den Duft der Kletterrosen, welche zwischen
zwei hinter dein Brunnen stehenden ehrwürdigen Zypressen in üppigem Geranke
sich hin- und herwicgten.


Um eine perle,

sei, bestätigte; laßt ihn mich Heimgeleiten, Signore! Wer weiß, was ihm mit
seinen Taschen voll klingenden Goldes zustößt!

Was du Schurke mit mir im Sinne hast, das weiß dein Herr sogut wie
ich, jammerte Ephraim; nehmt ihn mit Euch, hoher Herr. Ich verlange keine
Zahlung für den Ring, mag er noch so kostbar gewesen sein. Nur laßt den
Burschen mir nicht nachschleichen. Er wäre die längste Zeit Euer Gelegenheits-
macher gewesen, wenn Ihr ihn heute aus den Augen ließet, denn ich fühle seine
Kralle schon im Nacken: er ist die rechte Sorte, die, um selbst den Herrn spielen
zu können, ehrlichen Leuten im Dunkeln den Garaus macht.

Beppo wollte sich an dem Schmähenden vergreifen, aber Giuseppe Gon-
zaga faßte deu Trunkenen beim Kragen und nötigte ihn mit einem derben
Rippenstöße, seiner Dienerpflichten eingedenk zu sein, also zunächst aus dem
Versteck eines Thorwegs die für den Heimweg in Bereitschaft gehaltene bren¬
nende Laterne hervorzuholen und mit dieser dann seinem Herrn, wenn auch
schwankenden Schrittes, vorcmszuleuchtcn.

Wie von der Erde verschlungen verschwand währenddessen der alte Hebräer.
Er hatte oft schon schwerere Kisten und Säcke getragen als den ledernen Koffer,
die Perlcnkassette und die Taschen voll Dukaten, und wenn er vovhin sich ge¬
stellt hatte, als könne er nicht ohne Giuseppe Gonzagas Hilfe seine Schätze
fortbringen, so war es nnr in der Hoffnung geschehen, unter dem Schutze
desselben heimzukommen.

In einer der nächsten Straßen, durch welche der Diener lallend und in
Schlangenwindungen, mehr stolpernd als gehend, seinem Herrn mit der hell-
leuchtenden Laterne vorausschritt, sprudelte ein munter gurgelnder Qucllbrnnnen.

Setze nieder, befahl Giuseppe dem Berauschten, und da dieser nicht verstand,
von was oder von wem die Rede war, nahm Giuseppe ihm die Laterne ans
der Hand und wies ihn an, sich unter der Brunnendvuche womöglich wieder
zu einiger Ernüchterung zu verhelfen.

Aber das Mittel wollte nicht sogleich verschlagen, und so faßte Giuseppe
einstweilen auf dem Sitze des niederen Brunnenrandes Posto, indem er Beppo
zu verstehen gab, er möge von Zeit zu Zeit das Experiment wiederholen, denn
es sei noch Wichtiges zu besprechen, und es solle Beppos Schaden nicht sein,
wenn er vor MWiZg. molto wieder zu dem vollen Gebrauch seiner fünf Sinne
gelange.

Inzwischen hüllte sich der von einem wüsten Durcheinander bunter Bilder
Erfüllte fest in seinen Mantel und stützte, indem er zum sternenbesäten Nacht¬
himmel emporblickte, seinen Kops in die Hand.

Es war lanliche Luft, und Orangendüfte von der Terrasse irgend eines
hochgelegenen Gartens mischten sich in den Duft der Kletterrosen, welche zwischen
zwei hinter dein Brunnen stehenden ehrwürdigen Zypressen in üppigem Geranke
sich hin- und herwicgten.


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[0590] Um eine perle, sei, bestätigte; laßt ihn mich Heimgeleiten, Signore! Wer weiß, was ihm mit seinen Taschen voll klingenden Goldes zustößt! Was du Schurke mit mir im Sinne hast, das weiß dein Herr sogut wie ich, jammerte Ephraim; nehmt ihn mit Euch, hoher Herr. Ich verlange keine Zahlung für den Ring, mag er noch so kostbar gewesen sein. Nur laßt den Burschen mir nicht nachschleichen. Er wäre die längste Zeit Euer Gelegenheits- macher gewesen, wenn Ihr ihn heute aus den Augen ließet, denn ich fühle seine Kralle schon im Nacken: er ist die rechte Sorte, die, um selbst den Herrn spielen zu können, ehrlichen Leuten im Dunkeln den Garaus macht. Beppo wollte sich an dem Schmähenden vergreifen, aber Giuseppe Gon- zaga faßte deu Trunkenen beim Kragen und nötigte ihn mit einem derben Rippenstöße, seiner Dienerpflichten eingedenk zu sein, also zunächst aus dem Versteck eines Thorwegs die für den Heimweg in Bereitschaft gehaltene bren¬ nende Laterne hervorzuholen und mit dieser dann seinem Herrn, wenn auch schwankenden Schrittes, vorcmszuleuchtcn. Wie von der Erde verschlungen verschwand währenddessen der alte Hebräer. Er hatte oft schon schwerere Kisten und Säcke getragen als den ledernen Koffer, die Perlcnkassette und die Taschen voll Dukaten, und wenn er vovhin sich ge¬ stellt hatte, als könne er nicht ohne Giuseppe Gonzagas Hilfe seine Schätze fortbringen, so war es nnr in der Hoffnung geschehen, unter dem Schutze desselben heimzukommen. In einer der nächsten Straßen, durch welche der Diener lallend und in Schlangenwindungen, mehr stolpernd als gehend, seinem Herrn mit der hell- leuchtenden Laterne vorausschritt, sprudelte ein munter gurgelnder Qucllbrnnnen. Setze nieder, befahl Giuseppe dem Berauschten, und da dieser nicht verstand, von was oder von wem die Rede war, nahm Giuseppe ihm die Laterne ans der Hand und wies ihn an, sich unter der Brunnendvuche womöglich wieder zu einiger Ernüchterung zu verhelfen. Aber das Mittel wollte nicht sogleich verschlagen, und so faßte Giuseppe einstweilen auf dem Sitze des niederen Brunnenrandes Posto, indem er Beppo zu verstehen gab, er möge von Zeit zu Zeit das Experiment wiederholen, denn es sei noch Wichtiges zu besprechen, und es solle Beppos Schaden nicht sein, wenn er vor MWiZg. molto wieder zu dem vollen Gebrauch seiner fünf Sinne gelange. Inzwischen hüllte sich der von einem wüsten Durcheinander bunter Bilder Erfüllte fest in seinen Mantel und stützte, indem er zum sternenbesäten Nacht¬ himmel emporblickte, seinen Kops in die Hand. Es war lanliche Luft, und Orangendüfte von der Terrasse irgend eines hochgelegenen Gartens mischten sich in den Duft der Kletterrosen, welche zwischen zwei hinter dein Brunnen stehenden ehrwürdigen Zypressen in üppigem Geranke sich hin- und herwicgten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/590>, abgerufen am 21.05.2024.