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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Aber Giuseppe war es, als umspiele ihn der Atem des lieblichen Wesens,
dessen Ringlein er am Finger trug.

Der Brunnen plätscherte melodisch, Heimchen zirpten traulich bald hier,
bald dort, Nachtigallen lockten von weitem in langgezogenen Tönen.

Aber Giuseppe hörte im Geiste nur noch immer, und nicht ohne Beschä¬
mung, die einzigen Worte, die über die Lippen Florida Buonaeolsis gekommen
waren, ihr stockend erschrockenes: Ein Gonzaga! Und dann ihr tonlos heraus-
gestoßenes: Nicht, nicht! als er ihr abwehrendes Kopfschiitteln mit überlistenden
Mißverstehen als ein stummes Beantworten der Frage nach dem Gemache, wo
sie ihn erwarten werde, gedeutet hatte.

Also auf der andern Seite, das waren die Worte gewesen, mit denen er
wiederum ihrem: Nicht, nicht! die abweisende Bedeutung genommen hatte, um
weiter zu dem Ringwechsel und zu dem Scheine ihres Einverständnisses in be¬
treff der Boten zu gelangen, die zwischen ihr und ihrem Verschwornen im Ge¬
heimen hin- und herzureiscn haben würden, und er hatte ihr nicht Zeit gelassen,
zu widersprechen, sich von ihrer Bestürzung zu erholen, ihre freie Entschließung
zu wahren, den dünnen Goldreif zurückzufordern, das Schlänglein mit den fun¬
kelnden Nnbinäugelchen weit von sich zu weisen.

Was zwischen ihm und ihr vorgegangen, in dieser Weise zog es an seinem
innern Auge vorüber. Halb zürnte er sich, halb war er berauscht von der
Lieblichkeit Floridas, wenn nicht gar schon von dem Vorgenusse der Wonnen,
um deren Preis er sich zu dem kecken Wagnis erniedrigt hatte.

Erniedrigt? Nein, rief er, so ängstlich moralisirt nur eine Memme. Wenn
ich ihre Liebe erst gewann, würde sie da noch fragen, was ich, um dieses Zieles
willen, in die Schanze geschlagen habe? Aus Leidenschaft zu ihr! Wird sie
mir da noch nachtragen, daß ich zur Kriegslist meine Zuflucht genommen hatte,
einer Festung gegenüber, für deren Besitz mir kein Preis zu hoch sein durfte?

Komm her, Beppo! befahl er, ich habe nicht Zeit, bis zum Lerchentriller
hier die Sterne zu zählen.

Der Herbeigerufene trat unsichern Schrittes vor seinen Herrn.

Heb die Laterne in die Höhe.

Beppo gehorchte.

Wie eine gebadete Maus! sagte Giuseppe ärgerlich? alles schwimmt an dem
Nichtsnutz, sogar noch immer seine Augen! Einerlei, ich werde erwartet. Zeit
ist nicht zu verlieren. Getraust du dich, mich ohne Aufsehen in den ersten
Stock des Albergo Scmmichele zu schaffen?

In das Albergo --

Scmmichele.

Scmmichele, bestätigte der erst halb Ernüchterte, zum Beispiel? Dssmxi-
N'Wen?

Es ist nichts mit ihm anzufangen, brummte Giuseppe; eine nochmalige


Aber Giuseppe war es, als umspiele ihn der Atem des lieblichen Wesens,
dessen Ringlein er am Finger trug.

Der Brunnen plätscherte melodisch, Heimchen zirpten traulich bald hier,
bald dort, Nachtigallen lockten von weitem in langgezogenen Tönen.

Aber Giuseppe hörte im Geiste nur noch immer, und nicht ohne Beschä¬
mung, die einzigen Worte, die über die Lippen Florida Buonaeolsis gekommen
waren, ihr stockend erschrockenes: Ein Gonzaga! Und dann ihr tonlos heraus-
gestoßenes: Nicht, nicht! als er ihr abwehrendes Kopfschiitteln mit überlistenden
Mißverstehen als ein stummes Beantworten der Frage nach dem Gemache, wo
sie ihn erwarten werde, gedeutet hatte.

Also auf der andern Seite, das waren die Worte gewesen, mit denen er
wiederum ihrem: Nicht, nicht! die abweisende Bedeutung genommen hatte, um
weiter zu dem Ringwechsel und zu dem Scheine ihres Einverständnisses in be¬
treff der Boten zu gelangen, die zwischen ihr und ihrem Verschwornen im Ge¬
heimen hin- und herzureiscn haben würden, und er hatte ihr nicht Zeit gelassen,
zu widersprechen, sich von ihrer Bestürzung zu erholen, ihre freie Entschließung
zu wahren, den dünnen Goldreif zurückzufordern, das Schlänglein mit den fun¬
kelnden Nnbinäugelchen weit von sich zu weisen.

Was zwischen ihm und ihr vorgegangen, in dieser Weise zog es an seinem
innern Auge vorüber. Halb zürnte er sich, halb war er berauscht von der
Lieblichkeit Floridas, wenn nicht gar schon von dem Vorgenusse der Wonnen,
um deren Preis er sich zu dem kecken Wagnis erniedrigt hatte.

Erniedrigt? Nein, rief er, so ängstlich moralisirt nur eine Memme. Wenn
ich ihre Liebe erst gewann, würde sie da noch fragen, was ich, um dieses Zieles
willen, in die Schanze geschlagen habe? Aus Leidenschaft zu ihr! Wird sie
mir da noch nachtragen, daß ich zur Kriegslist meine Zuflucht genommen hatte,
einer Festung gegenüber, für deren Besitz mir kein Preis zu hoch sein durfte?

Komm her, Beppo! befahl er, ich habe nicht Zeit, bis zum Lerchentriller
hier die Sterne zu zählen.

Der Herbeigerufene trat unsichern Schrittes vor seinen Herrn.

Heb die Laterne in die Höhe.

Beppo gehorchte.

Wie eine gebadete Maus! sagte Giuseppe ärgerlich? alles schwimmt an dem
Nichtsnutz, sogar noch immer seine Augen! Einerlei, ich werde erwartet. Zeit
ist nicht zu verlieren. Getraust du dich, mich ohne Aufsehen in den ersten
Stock des Albergo Scmmichele zu schaffen?

In das Albergo —

Scmmichele.

Scmmichele, bestätigte der erst halb Ernüchterte, zum Beispiel? Dssmxi-
N'Wen?

Es ist nichts mit ihm anzufangen, brummte Giuseppe; eine nochmalige


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[0591] Aber Giuseppe war es, als umspiele ihn der Atem des lieblichen Wesens, dessen Ringlein er am Finger trug. Der Brunnen plätscherte melodisch, Heimchen zirpten traulich bald hier, bald dort, Nachtigallen lockten von weitem in langgezogenen Tönen. Aber Giuseppe hörte im Geiste nur noch immer, und nicht ohne Beschä¬ mung, die einzigen Worte, die über die Lippen Florida Buonaeolsis gekommen waren, ihr stockend erschrockenes: Ein Gonzaga! Und dann ihr tonlos heraus- gestoßenes: Nicht, nicht! als er ihr abwehrendes Kopfschiitteln mit überlistenden Mißverstehen als ein stummes Beantworten der Frage nach dem Gemache, wo sie ihn erwarten werde, gedeutet hatte. Also auf der andern Seite, das waren die Worte gewesen, mit denen er wiederum ihrem: Nicht, nicht! die abweisende Bedeutung genommen hatte, um weiter zu dem Ringwechsel und zu dem Scheine ihres Einverständnisses in be¬ treff der Boten zu gelangen, die zwischen ihr und ihrem Verschwornen im Ge¬ heimen hin- und herzureiscn haben würden, und er hatte ihr nicht Zeit gelassen, zu widersprechen, sich von ihrer Bestürzung zu erholen, ihre freie Entschließung zu wahren, den dünnen Goldreif zurückzufordern, das Schlänglein mit den fun¬ kelnden Nnbinäugelchen weit von sich zu weisen. Was zwischen ihm und ihr vorgegangen, in dieser Weise zog es an seinem innern Auge vorüber. Halb zürnte er sich, halb war er berauscht von der Lieblichkeit Floridas, wenn nicht gar schon von dem Vorgenusse der Wonnen, um deren Preis er sich zu dem kecken Wagnis erniedrigt hatte. Erniedrigt? Nein, rief er, so ängstlich moralisirt nur eine Memme. Wenn ich ihre Liebe erst gewann, würde sie da noch fragen, was ich, um dieses Zieles willen, in die Schanze geschlagen habe? Aus Leidenschaft zu ihr! Wird sie mir da noch nachtragen, daß ich zur Kriegslist meine Zuflucht genommen hatte, einer Festung gegenüber, für deren Besitz mir kein Preis zu hoch sein durfte? Komm her, Beppo! befahl er, ich habe nicht Zeit, bis zum Lerchentriller hier die Sterne zu zählen. Der Herbeigerufene trat unsichern Schrittes vor seinen Herrn. Heb die Laterne in die Höhe. Beppo gehorchte. Wie eine gebadete Maus! sagte Giuseppe ärgerlich? alles schwimmt an dem Nichtsnutz, sogar noch immer seine Augen! Einerlei, ich werde erwartet. Zeit ist nicht zu verlieren. Getraust du dich, mich ohne Aufsehen in den ersten Stock des Albergo Scmmichele zu schaffen? In das Albergo — Scmmichele. Scmmichele, bestätigte der erst halb Ernüchterte, zum Beispiel? Dssmxi- N'Wen? Es ist nichts mit ihm anzufangen, brummte Giuseppe; eine nochmalige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/591>, abgerufen am 14.06.2024.