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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Stadt Banausos.

Wenn nicht auf diesem Gebiete ein nngründliches Halbwissen Platz greifen soll,
welches weder der Wissenschaft noch dem Leben frommen und dem deutschen
Namen keine Ehre machen kann,"

Wir lassen dahingestellt, ob diesem Übel durch den in der anfangs er¬
wähnten ersten Abhandlung des "Archivs" gemachten Vorschlag (S, 688) ab¬
geholfen werden kann, den Abiturienten der höheren Schulen mit neunjährigen
Kursus, gleichviel ob Gymnasium oder Realschule, den Eintritt für alle Fakul¬
täten zu gestatten. Der Verfasser jener Abhandlung ist überzeugt davon; "denn,
sagt er, der Einzelne wird schon dafür sorgen, daß er lernt, was ihm etwa
noch fehlt (sie!). Der Arbeitssinn und der sittliche Ernst auf der Universität
können dabei nur gewinnen."

Nun wäre es ja immerhin möglich, daß von Herrn Dr. Hilmer auf eine
andre Stelle der Kirchhoffschen Rede (S. 16) Bezug genommen wäre, in welcher
es heißt: "Die Erfahrung lehrt, daß heutzutage eine große Anzahl, wenn
nicht die Mehrzahl, der jungen Philologen, welche sich später dem Lehramt
zu widmen beabsichtigen, ihre Studien auf der Universität damit beginnt, daß
sie sich ein gedrucktes Exemplar der Prüfungsordnung für die Kandidaten des
höheren Schulamtes beschafft und zur Richtschnur ihrer Studieuorduuug nimmt."
Wenn ein derartiges Gebühren weiterhin als "banausisch" bezeichnet wird, so
ist ja ganz klar, daß durch die Erfüllung der Postulate des Herrn Dr. Hilmer
diesem Mangel an Idealismus abgeholfen werden würde. Denn derselbe hat
(S. 612) "darauf hingewiesen, wie die neuerliche Umgestaltung unsrer staatlichen
und gesellschaftlichen Verhältnisse dahin dränge, denjenigen, welche in die lei¬
tenden Kreise der Gesellschaft eintreten, schon in der Schule ein Verständnis
der neuzeitlichen Verhältnisse zu vermitteln."

In diesem Sinne ist Kirchhofs allerdings ein Bundesgenosse des Feindes
der Einwohner von Banausos und wird sich gewiß mit uns der am Schlüsse
des Berichtes über den Hilmerschen Aufsatz (S. 615) geäußerten Hoffnung an¬
schließen: "Es steht zu erwarten, daß, wenn der Verein fortfährt, in ebenso
sachgemäßer Weise ohne Animosität einfach die Thatsachen zu registriren und
deren Kenntnisnahme möglichst zu erleichtern und zu verallgemeinern, in nicht
allzu ferner Zeit seinem unentwegter Ringen die Palme des Erfolges zuteil
werden wird."




Die Stadt Banausos.

Wenn nicht auf diesem Gebiete ein nngründliches Halbwissen Platz greifen soll,
welches weder der Wissenschaft noch dem Leben frommen und dem deutschen
Namen keine Ehre machen kann,"

Wir lassen dahingestellt, ob diesem Übel durch den in der anfangs er¬
wähnten ersten Abhandlung des „Archivs" gemachten Vorschlag (S, 688) ab¬
geholfen werden kann, den Abiturienten der höheren Schulen mit neunjährigen
Kursus, gleichviel ob Gymnasium oder Realschule, den Eintritt für alle Fakul¬
täten zu gestatten. Der Verfasser jener Abhandlung ist überzeugt davon; „denn,
sagt er, der Einzelne wird schon dafür sorgen, daß er lernt, was ihm etwa
noch fehlt (sie!). Der Arbeitssinn und der sittliche Ernst auf der Universität
können dabei nur gewinnen."

Nun wäre es ja immerhin möglich, daß von Herrn Dr. Hilmer auf eine
andre Stelle der Kirchhoffschen Rede (S. 16) Bezug genommen wäre, in welcher
es heißt: „Die Erfahrung lehrt, daß heutzutage eine große Anzahl, wenn
nicht die Mehrzahl, der jungen Philologen, welche sich später dem Lehramt
zu widmen beabsichtigen, ihre Studien auf der Universität damit beginnt, daß
sie sich ein gedrucktes Exemplar der Prüfungsordnung für die Kandidaten des
höheren Schulamtes beschafft und zur Richtschnur ihrer Studieuorduuug nimmt."
Wenn ein derartiges Gebühren weiterhin als „banausisch" bezeichnet wird, so
ist ja ganz klar, daß durch die Erfüllung der Postulate des Herrn Dr. Hilmer
diesem Mangel an Idealismus abgeholfen werden würde. Denn derselbe hat
(S. 612) „darauf hingewiesen, wie die neuerliche Umgestaltung unsrer staatlichen
und gesellschaftlichen Verhältnisse dahin dränge, denjenigen, welche in die lei¬
tenden Kreise der Gesellschaft eintreten, schon in der Schule ein Verständnis
der neuzeitlichen Verhältnisse zu vermitteln."

In diesem Sinne ist Kirchhofs allerdings ein Bundesgenosse des Feindes
der Einwohner von Banausos und wird sich gewiß mit uns der am Schlüsse
des Berichtes über den Hilmerschen Aufsatz (S. 615) geäußerten Hoffnung an¬
schließen: „Es steht zu erwarten, daß, wenn der Verein fortfährt, in ebenso
sachgemäßer Weise ohne Animosität einfach die Thatsachen zu registriren und
deren Kenntnisnahme möglichst zu erleichtern und zu verallgemeinern, in nicht
allzu ferner Zeit seinem unentwegter Ringen die Palme des Erfolges zuteil
werden wird."




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[0095] Die Stadt Banausos. Wenn nicht auf diesem Gebiete ein nngründliches Halbwissen Platz greifen soll, welches weder der Wissenschaft noch dem Leben frommen und dem deutschen Namen keine Ehre machen kann," Wir lassen dahingestellt, ob diesem Übel durch den in der anfangs er¬ wähnten ersten Abhandlung des „Archivs" gemachten Vorschlag (S, 688) ab¬ geholfen werden kann, den Abiturienten der höheren Schulen mit neunjährigen Kursus, gleichviel ob Gymnasium oder Realschule, den Eintritt für alle Fakul¬ täten zu gestatten. Der Verfasser jener Abhandlung ist überzeugt davon; „denn, sagt er, der Einzelne wird schon dafür sorgen, daß er lernt, was ihm etwa noch fehlt (sie!). Der Arbeitssinn und der sittliche Ernst auf der Universität können dabei nur gewinnen." Nun wäre es ja immerhin möglich, daß von Herrn Dr. Hilmer auf eine andre Stelle der Kirchhoffschen Rede (S. 16) Bezug genommen wäre, in welcher es heißt: „Die Erfahrung lehrt, daß heutzutage eine große Anzahl, wenn nicht die Mehrzahl, der jungen Philologen, welche sich später dem Lehramt zu widmen beabsichtigen, ihre Studien auf der Universität damit beginnt, daß sie sich ein gedrucktes Exemplar der Prüfungsordnung für die Kandidaten des höheren Schulamtes beschafft und zur Richtschnur ihrer Studieuorduuug nimmt." Wenn ein derartiges Gebühren weiterhin als „banausisch" bezeichnet wird, so ist ja ganz klar, daß durch die Erfüllung der Postulate des Herrn Dr. Hilmer diesem Mangel an Idealismus abgeholfen werden würde. Denn derselbe hat (S. 612) „darauf hingewiesen, wie die neuerliche Umgestaltung unsrer staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dahin dränge, denjenigen, welche in die lei¬ tenden Kreise der Gesellschaft eintreten, schon in der Schule ein Verständnis der neuzeitlichen Verhältnisse zu vermitteln." In diesem Sinne ist Kirchhofs allerdings ein Bundesgenosse des Feindes der Einwohner von Banausos und wird sich gewiß mit uns der am Schlüsse des Berichtes über den Hilmerschen Aufsatz (S. 615) geäußerten Hoffnung an¬ schließen: „Es steht zu erwarten, daß, wenn der Verein fortfährt, in ebenso sachgemäßer Weise ohne Animosität einfach die Thatsachen zu registriren und deren Kenntnisnahme möglichst zu erleichtern und zu verallgemeinern, in nicht allzu ferner Zeit seinem unentwegter Ringen die Palme des Erfolges zuteil werden wird."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/95>, abgerufen am 22.05.2024.