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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Fischzölle,

Eine Erklärung für diese großen Mißstände giebt schon der oberflächlichste
Vergleich des Fischereibetriebes in Deutschland mit dem der genannten Fischerei-
ftaaten: bei uus ist die Seefischerei, mit Ausnahme einer einzigen größern
Gesellschaft (Emden), überwiegend Kleinbetrieb, Einzelunternehmer der Fischer,
und zwar sowohl an der Ostsee wie an den Nordseeküsten, im Auslande ruht
sie auf der breiten Grundlage des binnenländischen Großkapitals und der Arbeits¬
teilung, liegt in deu Hunden großer Gesellschaften und ist im wahren Sinne des
Wortes eine Mceresindustrie.

England, Schottland und Irland beschäftigten im Jahre 1382 33356 Fischer¬
fahrzeuge mit einem Tonnengehalt von 348 625 Tonnen und einer Bemannung
von 134 319 Köpfen, Der Wert der Erträge, welche Großbritannien mit diesem
Arbeitsmaterial gewinnt, schwankt zwischen 220 bis 250 Millionen Mark jährlich.
Frankreich beschäftigt in seiner Höchste- und Küstenfischerei etwa 23000 Schiffe
und Boote mit einem Tonnengehalt von etwa 157 000 Tonnen und ein
Menschenmaterial von etwa 90000 Köpfen, sodaß anch hier die Erträge diesem
großen Aufwande entspreche" und sich vielleicht auf 90 bis 94 Millionen Franks
jährlich bemessen lassen.

Die Norweger haben das wenigste Ackerland, weshalb sie jährlich für
36 bis 45 Millionen Nahrungs - und Haudelsmittet aus dem Meere zu
fischen gelernt haben. Von den 200 Fischarten ihrer Netze sind Hering, Kabliau
(Stockfisch) und Makrelen für die Ausfuhr am wichtigsten, Ihr Stocksischsang
um die Lvfodcninselu herum mit 4- bis 5000 Booten und 25--35000 Mann
Besatzung ist wohl die großartigste Industrie auf dem Meere. Die Däne"
kehren auch ohne deu Mxtrmus cwxlox von Schleswig-Holstein jährlich mit etwa
300 gesegneten Ladungen von Seefischen zurück. Hollands Fischerei schließt sich
dem Umfange nach an Frankreich an, und von den 30 bis 33 Millionen, mit
denen wir jährlich für unsern Bedarf an Heringen dein Auslande tributpflichtig
sind, fließt ein großer Teil in die Kassen der holländischen Heriugsgrvßhändler.
Das Sprichwort "Amsterdam ist aus Heriugsgräten aufgebaut" hat deshalb
seinen guten Sinn.

Die neueste" statistischen Erhebungen weisen für Deutschland eine See¬
fischereibevölkerung von 8728 Berufsfischeru neben 8883 Gehilfen und Ge-
legeuhcitsfischern nach. Von dieser Bevölkerung wird unsre Seefischerei also ganz
überwiegend als Handgewerbe, in der Form des Kleinunternehmens, betrieben,
wahrend sie nach dem Muster des Auslandes nur von einer einzigen Gesellschaft
in Deutschland, der Emdener Heringsfischerei-Aktiengesellschaft, gehandhabt wird.
Diese Emdener Gesellschaft arbeitet gemeinsam mit holländischen und englischen
Unternehmen auf den großen Fangplätzen der Nordsee, ohne sich jedoch bisher


kannt, daß holländische und englische Fischer ihre Fangplntze HNnfig bis dicht unter unsre eignen
Küsten ausdehnen.
Fischzölle,

Eine Erklärung für diese großen Mißstände giebt schon der oberflächlichste
Vergleich des Fischereibetriebes in Deutschland mit dem der genannten Fischerei-
ftaaten: bei uus ist die Seefischerei, mit Ausnahme einer einzigen größern
Gesellschaft (Emden), überwiegend Kleinbetrieb, Einzelunternehmer der Fischer,
und zwar sowohl an der Ostsee wie an den Nordseeküsten, im Auslande ruht
sie auf der breiten Grundlage des binnenländischen Großkapitals und der Arbeits¬
teilung, liegt in deu Hunden großer Gesellschaften und ist im wahren Sinne des
Wortes eine Mceresindustrie.

England, Schottland und Irland beschäftigten im Jahre 1382 33356 Fischer¬
fahrzeuge mit einem Tonnengehalt von 348 625 Tonnen und einer Bemannung
von 134 319 Köpfen, Der Wert der Erträge, welche Großbritannien mit diesem
Arbeitsmaterial gewinnt, schwankt zwischen 220 bis 250 Millionen Mark jährlich.
Frankreich beschäftigt in seiner Höchste- und Küstenfischerei etwa 23000 Schiffe
und Boote mit einem Tonnengehalt von etwa 157 000 Tonnen und ein
Menschenmaterial von etwa 90000 Köpfen, sodaß anch hier die Erträge diesem
großen Aufwande entspreche» und sich vielleicht auf 90 bis 94 Millionen Franks
jährlich bemessen lassen.

Die Norweger haben das wenigste Ackerland, weshalb sie jährlich für
36 bis 45 Millionen Nahrungs - und Haudelsmittet aus dem Meere zu
fischen gelernt haben. Von den 200 Fischarten ihrer Netze sind Hering, Kabliau
(Stockfisch) und Makrelen für die Ausfuhr am wichtigsten, Ihr Stocksischsang
um die Lvfodcninselu herum mit 4- bis 5000 Booten und 25—35000 Mann
Besatzung ist wohl die großartigste Industrie auf dem Meere. Die Däne»
kehren auch ohne deu Mxtrmus cwxlox von Schleswig-Holstein jährlich mit etwa
300 gesegneten Ladungen von Seefischen zurück. Hollands Fischerei schließt sich
dem Umfange nach an Frankreich an, und von den 30 bis 33 Millionen, mit
denen wir jährlich für unsern Bedarf an Heringen dein Auslande tributpflichtig
sind, fließt ein großer Teil in die Kassen der holländischen Heriugsgrvßhändler.
Das Sprichwort „Amsterdam ist aus Heriugsgräten aufgebaut" hat deshalb
seinen guten Sinn.

Die neueste» statistischen Erhebungen weisen für Deutschland eine See¬
fischereibevölkerung von 8728 Berufsfischeru neben 8883 Gehilfen und Ge-
legeuhcitsfischern nach. Von dieser Bevölkerung wird unsre Seefischerei also ganz
überwiegend als Handgewerbe, in der Form des Kleinunternehmens, betrieben,
wahrend sie nach dem Muster des Auslandes nur von einer einzigen Gesellschaft
in Deutschland, der Emdener Heringsfischerei-Aktiengesellschaft, gehandhabt wird.
Diese Emdener Gesellschaft arbeitet gemeinsam mit holländischen und englischen
Unternehmen auf den großen Fangplätzen der Nordsee, ohne sich jedoch bisher


kannt, daß holländische und englische Fischer ihre Fangplntze HNnfig bis dicht unter unsre eignen
Küsten ausdehnen.
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[0289] Fischzölle, Eine Erklärung für diese großen Mißstände giebt schon der oberflächlichste Vergleich des Fischereibetriebes in Deutschland mit dem der genannten Fischerei- ftaaten: bei uus ist die Seefischerei, mit Ausnahme einer einzigen größern Gesellschaft (Emden), überwiegend Kleinbetrieb, Einzelunternehmer der Fischer, und zwar sowohl an der Ostsee wie an den Nordseeküsten, im Auslande ruht sie auf der breiten Grundlage des binnenländischen Großkapitals und der Arbeits¬ teilung, liegt in deu Hunden großer Gesellschaften und ist im wahren Sinne des Wortes eine Mceresindustrie. England, Schottland und Irland beschäftigten im Jahre 1382 33356 Fischer¬ fahrzeuge mit einem Tonnengehalt von 348 625 Tonnen und einer Bemannung von 134 319 Köpfen, Der Wert der Erträge, welche Großbritannien mit diesem Arbeitsmaterial gewinnt, schwankt zwischen 220 bis 250 Millionen Mark jährlich. Frankreich beschäftigt in seiner Höchste- und Küstenfischerei etwa 23000 Schiffe und Boote mit einem Tonnengehalt von etwa 157 000 Tonnen und ein Menschenmaterial von etwa 90000 Köpfen, sodaß anch hier die Erträge diesem großen Aufwande entspreche» und sich vielleicht auf 90 bis 94 Millionen Franks jährlich bemessen lassen. Die Norweger haben das wenigste Ackerland, weshalb sie jährlich für 36 bis 45 Millionen Nahrungs - und Haudelsmittet aus dem Meere zu fischen gelernt haben. Von den 200 Fischarten ihrer Netze sind Hering, Kabliau (Stockfisch) und Makrelen für die Ausfuhr am wichtigsten, Ihr Stocksischsang um die Lvfodcninselu herum mit 4- bis 5000 Booten und 25—35000 Mann Besatzung ist wohl die großartigste Industrie auf dem Meere. Die Däne» kehren auch ohne deu Mxtrmus cwxlox von Schleswig-Holstein jährlich mit etwa 300 gesegneten Ladungen von Seefischen zurück. Hollands Fischerei schließt sich dem Umfange nach an Frankreich an, und von den 30 bis 33 Millionen, mit denen wir jährlich für unsern Bedarf an Heringen dein Auslande tributpflichtig sind, fließt ein großer Teil in die Kassen der holländischen Heriugsgrvßhändler. Das Sprichwort „Amsterdam ist aus Heriugsgräten aufgebaut" hat deshalb seinen guten Sinn. Die neueste» statistischen Erhebungen weisen für Deutschland eine See¬ fischereibevölkerung von 8728 Berufsfischeru neben 8883 Gehilfen und Ge- legeuhcitsfischern nach. Von dieser Bevölkerung wird unsre Seefischerei also ganz überwiegend als Handgewerbe, in der Form des Kleinunternehmens, betrieben, wahrend sie nach dem Muster des Auslandes nur von einer einzigen Gesellschaft in Deutschland, der Emdener Heringsfischerei-Aktiengesellschaft, gehandhabt wird. Diese Emdener Gesellschaft arbeitet gemeinsam mit holländischen und englischen Unternehmen auf den großen Fangplätzen der Nordsee, ohne sich jedoch bisher kannt, daß holländische und englische Fischer ihre Fangplntze HNnfig bis dicht unter unsre eignen Küsten ausdehnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/289>, abgerufen am 15.06.2024.