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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

auseinandergezerrt zu werden, nur dadurch abwenden, daß ich Eure Herrlichkeit
der Verschwörung gegen Eure Herrlichkeit selber anklagte -- ich vermute, Al¬
tezza, ich würde es thun.

Trinkt! sagte der Herzog lachend und schenkte ein.

Mit verstohlenen: Blicke lauerte er auf die Miene Primaticcios, indem er
selbst nur zum Scheine das Glas an die Lippen setzte.

Aber der Anwalt that, als merke er nichts, leerte das Glas bis ans den
Grund, lobte die Köstlichkeit des Trankes mit einem beifälligen Schnalzen und
fuhr dann in seinem bis auf eine einzige Auslassung durchaus erschöpfend ge¬
nauen Vortrage ruhig fort.

Am Ende desselben kam er ans seine Bitte um die Begnadigung Mar-
eellos zurück.

Der Herzog blickte wieder finster. Ich brauche Euch nicht erst zu sagen,
versetzte er, daß Anhören und Glauben zwei verschiedne Dinge sind. Aber er¬
klärt mir doch eins. Ihr habt, um diese Bitte zu rechtfertigen -- so scheint
mir's --, etwas sehr Wichtiges zu erwähnen vergessen.

Und das wäre, Altezza?

Die Kenntnis Marccllos von dem -- wenn ich Euch glauben wollte --
schwarzen Anschlage meines Vetters. Der Alte erschlug in Giuseppe, wie ich
dann annehmen müßte, weniger den Verführer seiner Tochter, als denjenigen,
der Marcello Buonaevlsi selbst hatte verführen wollen; er erschlug in ihm nicht
den Gonzaga schlechtweg, sondern den entarteten Gonzaga, den Buben, der um
ein paar hübscher Augen willen den letzten Rest von Familienstolz und Ehr¬
gefühl unter die Füße trat, und für dessen schmähliches Ansinnen einer Waffen¬
brüderschaft der alte Marcello Bnonaeolsi -- denn nie habe ich an seiner
Ehrenhaftigkeit gezweifelt -- nur die eine Antwort hatte und haben konnte:
die Antwort mit dem Schwerte.

Andrea ließ sich einige Augenblicke Zeit, ehe er antwortete, und der Herzog
strich sich den Bart, indem er niederbückte, um den ihm Gegenübersitzenden
nicht erraten zu lassen, ob und welche Falle sich hinter der an ihn gerichteten
Frage verberge.

Ich hatte so wohlwollende Worte, entgegnete der Anwalt, aus Euerm
Munde, Altezza, nicht erwartet -- daher mein verlegnes Verstummen; wollet
es gnädig verzeihen. Die Wahrheit zu gestehen, es haben niedrigdenkendc
Menschen sich nur zu oft beflissen gezeigt, das hohe Herrscherhaus, welchem
Mantua Glück, Ruhm lind Gedeihen verdankt, als von Mißtrauen gegen die
Schattenexistenz der Buonaeolsis erfüllt darzustellen. Urteile darnach über den
Grad der Freude, die ich empfinde, nun Ihr selbst, Altezza, bekennt, nie an
Marccllos Ehrenhaftigkeit gezweifelt zu haben -- goldne Worte, Altezza, vor
allem, weil ein Mund sie sprach, welcher der Verstellung lind Lüge, wie ganz
Mantua weiß, unfähig ist.


Um eine Perle.

auseinandergezerrt zu werden, nur dadurch abwenden, daß ich Eure Herrlichkeit
der Verschwörung gegen Eure Herrlichkeit selber anklagte — ich vermute, Al¬
tezza, ich würde es thun.

Trinkt! sagte der Herzog lachend und schenkte ein.

Mit verstohlenen: Blicke lauerte er auf die Miene Primaticcios, indem er
selbst nur zum Scheine das Glas an die Lippen setzte.

Aber der Anwalt that, als merke er nichts, leerte das Glas bis ans den
Grund, lobte die Köstlichkeit des Trankes mit einem beifälligen Schnalzen und
fuhr dann in seinem bis auf eine einzige Auslassung durchaus erschöpfend ge¬
nauen Vortrage ruhig fort.

Am Ende desselben kam er ans seine Bitte um die Begnadigung Mar-
eellos zurück.

Der Herzog blickte wieder finster. Ich brauche Euch nicht erst zu sagen,
versetzte er, daß Anhören und Glauben zwei verschiedne Dinge sind. Aber er¬
klärt mir doch eins. Ihr habt, um diese Bitte zu rechtfertigen — so scheint
mir's —, etwas sehr Wichtiges zu erwähnen vergessen.

Und das wäre, Altezza?

Die Kenntnis Marccllos von dem — wenn ich Euch glauben wollte —
schwarzen Anschlage meines Vetters. Der Alte erschlug in Giuseppe, wie ich
dann annehmen müßte, weniger den Verführer seiner Tochter, als denjenigen,
der Marcello Buonaevlsi selbst hatte verführen wollen; er erschlug in ihm nicht
den Gonzaga schlechtweg, sondern den entarteten Gonzaga, den Buben, der um
ein paar hübscher Augen willen den letzten Rest von Familienstolz und Ehr¬
gefühl unter die Füße trat, und für dessen schmähliches Ansinnen einer Waffen¬
brüderschaft der alte Marcello Bnonaeolsi — denn nie habe ich an seiner
Ehrenhaftigkeit gezweifelt — nur die eine Antwort hatte und haben konnte:
die Antwort mit dem Schwerte.

Andrea ließ sich einige Augenblicke Zeit, ehe er antwortete, und der Herzog
strich sich den Bart, indem er niederbückte, um den ihm Gegenübersitzenden
nicht erraten zu lassen, ob und welche Falle sich hinter der an ihn gerichteten
Frage verberge.

Ich hatte so wohlwollende Worte, entgegnete der Anwalt, aus Euerm
Munde, Altezza, nicht erwartet — daher mein verlegnes Verstummen; wollet
es gnädig verzeihen. Die Wahrheit zu gestehen, es haben niedrigdenkendc
Menschen sich nur zu oft beflissen gezeigt, das hohe Herrscherhaus, welchem
Mantua Glück, Ruhm lind Gedeihen verdankt, als von Mißtrauen gegen die
Schattenexistenz der Buonaeolsis erfüllt darzustellen. Urteile darnach über den
Grad der Freude, die ich empfinde, nun Ihr selbst, Altezza, bekennt, nie an
Marccllos Ehrenhaftigkeit gezweifelt zu haben — goldne Worte, Altezza, vor
allem, weil ein Mund sie sprach, welcher der Verstellung lind Lüge, wie ganz
Mantua weiß, unfähig ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/643>, abgerufen am 21.05.2024.