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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Gstproußische Skizzen.

gemeine, durchgreifende Meliorationen etwas würde ändern lassen. In diesem
unendlich seenreichen Lande (von Styrlack, der ersten Station hinter Nastenburg,
bis Lyck, zehn Meilen weit, ist man immer nur sekundenlang ohne den Blick
auf wenigstens einen See, und der größte Landsee Deutschlands, der Spirding,
liegt hier im Kreise unzähliger großen und kleinen Genossen) ist auch der
Boden in außerordentlichem Maße mit Wasser durchtränkt, sodaß an manchen
Stellen die wasserführende Schicht uicht einen Meter unter der Oberfläche
liegt; darum ist es dort so schwer, Bäume -- namentlich Obstbäume -- groß
zu ziehen, und auch der landwirtschaftliche Anbau leidet unter diesen Umständen
sehr Not. Die Meinungen darüber, ob und wie hier geholfen werden könne,
sind geteilt, aber sicher ist, daß in diesen Landstrichen der Bodenwert überaus
niedrig ist. Am niedrigsten ist er in der Gegend des Städtchens Wittenberg
im Süden des Ortelsbnrger Kreises, wo zu dieser Beschaffenheit des Unter¬
grundes eine hie und da aus reinem Flugsand bestehende Oberfläche tritt; hier
sinkt er bis auf drei Mark für den Morgen. Andre sandige Striche lassen
nichts weiter als dürftigen Waldwnchs zu. Wieder andre Gegenden bestehen
recht eigentlich aus Sumpfwald oder aus künftigem Torfmars; ersteres gilt
von dem seines Elchstandes wegen berühmten Jbenhorster Forst am kurischen
Haff, letzteres von dem nur zu Kartoffelbnu nutzbar zu machenden "großen
Mars" im Kreise Labiau. Zahlreich find die Striche, deren Boden wenn auch
nicht gerade schlecht, so doch dürftig oder gering ist, und mich dies trifft nicht
nur im großen, sondern auch im kleinen, mitten in sonst trefflichen Besitzungen
zu. Fast überall finden sich endlich die "Hutwciden," schlechte, oder infolge
langer Vernachlässigung mit Moos überwachsene Wiesen, auf denen die guten
Gräser uicht mehr emporzukommen vermögen. Zuletzt ist auch des Klimas in
der Richtung ans die Ertragsfähigkeit des Bodens Erwähnung zu thun. Es ist
dasselbe, wie schon angedeutet, nicht so schlimm, wie es im übrigen Deutschland
verschrieen ist, und bemerkenswerterweise hat es den Anschein, als ob sich seit
einer kurzen Reihe von Jahren die klimatischen Verhältnisse entschieden gebessert
hätten. Im größten Teile des Landes kommen alle unsre Feldfrüchte noch gut
fort, wenn auch die Vegetationsperiode eine kürzere ist als schon in den benach¬
barten Provinzen, und infolgedessen alle landwirtschaftlichen Arbeiten mehr
zusammengedrängt werden müssen, auch gewisse Nachpflanzungcn (wie Stoppel¬
rüben) für gewöhnlich nicht mehr wohl ausführbar sind. Feines Obst kann im
ganzen Nordwesten recht gut gezogen werden. an Spalieren auch Aprikosen und
Pfirsichen, sowie Trauben; und wenn man sich auch kaum vorzustellen vermag,
daß der ostpreußische Weinbau zur Ordenszeit ein bedeutender war, so lassen
sich doch leicht Punkte auffinden, an denen sich auch heute noch ein ebenso
befriedigender Wein wie der Grüneberger ziehen lassen dürfte. Weiter gegen
Süden, Osten und Norden verschlechtern sich diese Verhältnisse jedoch bedeutend.
Das Land wird von dem sogenannten "ostpreußischen Landrücken" durchzogen,


Gstproußische Skizzen.

gemeine, durchgreifende Meliorationen etwas würde ändern lassen. In diesem
unendlich seenreichen Lande (von Styrlack, der ersten Station hinter Nastenburg,
bis Lyck, zehn Meilen weit, ist man immer nur sekundenlang ohne den Blick
auf wenigstens einen See, und der größte Landsee Deutschlands, der Spirding,
liegt hier im Kreise unzähliger großen und kleinen Genossen) ist auch der
Boden in außerordentlichem Maße mit Wasser durchtränkt, sodaß an manchen
Stellen die wasserführende Schicht uicht einen Meter unter der Oberfläche
liegt; darum ist es dort so schwer, Bäume — namentlich Obstbäume — groß
zu ziehen, und auch der landwirtschaftliche Anbau leidet unter diesen Umständen
sehr Not. Die Meinungen darüber, ob und wie hier geholfen werden könne,
sind geteilt, aber sicher ist, daß in diesen Landstrichen der Bodenwert überaus
niedrig ist. Am niedrigsten ist er in der Gegend des Städtchens Wittenberg
im Süden des Ortelsbnrger Kreises, wo zu dieser Beschaffenheit des Unter¬
grundes eine hie und da aus reinem Flugsand bestehende Oberfläche tritt; hier
sinkt er bis auf drei Mark für den Morgen. Andre sandige Striche lassen
nichts weiter als dürftigen Waldwnchs zu. Wieder andre Gegenden bestehen
recht eigentlich aus Sumpfwald oder aus künftigem Torfmars; ersteres gilt
von dem seines Elchstandes wegen berühmten Jbenhorster Forst am kurischen
Haff, letzteres von dem nur zu Kartoffelbnu nutzbar zu machenden „großen
Mars" im Kreise Labiau. Zahlreich find die Striche, deren Boden wenn auch
nicht gerade schlecht, so doch dürftig oder gering ist, und mich dies trifft nicht
nur im großen, sondern auch im kleinen, mitten in sonst trefflichen Besitzungen
zu. Fast überall finden sich endlich die „Hutwciden," schlechte, oder infolge
langer Vernachlässigung mit Moos überwachsene Wiesen, auf denen die guten
Gräser uicht mehr emporzukommen vermögen. Zuletzt ist auch des Klimas in
der Richtung ans die Ertragsfähigkeit des Bodens Erwähnung zu thun. Es ist
dasselbe, wie schon angedeutet, nicht so schlimm, wie es im übrigen Deutschland
verschrieen ist, und bemerkenswerterweise hat es den Anschein, als ob sich seit
einer kurzen Reihe von Jahren die klimatischen Verhältnisse entschieden gebessert
hätten. Im größten Teile des Landes kommen alle unsre Feldfrüchte noch gut
fort, wenn auch die Vegetationsperiode eine kürzere ist als schon in den benach¬
barten Provinzen, und infolgedessen alle landwirtschaftlichen Arbeiten mehr
zusammengedrängt werden müssen, auch gewisse Nachpflanzungcn (wie Stoppel¬
rüben) für gewöhnlich nicht mehr wohl ausführbar sind. Feines Obst kann im
ganzen Nordwesten recht gut gezogen werden. an Spalieren auch Aprikosen und
Pfirsichen, sowie Trauben; und wenn man sich auch kaum vorzustellen vermag,
daß der ostpreußische Weinbau zur Ordenszeit ein bedeutender war, so lassen
sich doch leicht Punkte auffinden, an denen sich auch heute noch ein ebenso
befriedigender Wein wie der Grüneberger ziehen lassen dürfte. Weiter gegen
Süden, Osten und Norden verschlechtern sich diese Verhältnisse jedoch bedeutend.
Das Land wird von dem sogenannten „ostpreußischen Landrücken" durchzogen,


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[0081] Gstproußische Skizzen. gemeine, durchgreifende Meliorationen etwas würde ändern lassen. In diesem unendlich seenreichen Lande (von Styrlack, der ersten Station hinter Nastenburg, bis Lyck, zehn Meilen weit, ist man immer nur sekundenlang ohne den Blick auf wenigstens einen See, und der größte Landsee Deutschlands, der Spirding, liegt hier im Kreise unzähliger großen und kleinen Genossen) ist auch der Boden in außerordentlichem Maße mit Wasser durchtränkt, sodaß an manchen Stellen die wasserführende Schicht uicht einen Meter unter der Oberfläche liegt; darum ist es dort so schwer, Bäume — namentlich Obstbäume — groß zu ziehen, und auch der landwirtschaftliche Anbau leidet unter diesen Umständen sehr Not. Die Meinungen darüber, ob und wie hier geholfen werden könne, sind geteilt, aber sicher ist, daß in diesen Landstrichen der Bodenwert überaus niedrig ist. Am niedrigsten ist er in der Gegend des Städtchens Wittenberg im Süden des Ortelsbnrger Kreises, wo zu dieser Beschaffenheit des Unter¬ grundes eine hie und da aus reinem Flugsand bestehende Oberfläche tritt; hier sinkt er bis auf drei Mark für den Morgen. Andre sandige Striche lassen nichts weiter als dürftigen Waldwnchs zu. Wieder andre Gegenden bestehen recht eigentlich aus Sumpfwald oder aus künftigem Torfmars; ersteres gilt von dem seines Elchstandes wegen berühmten Jbenhorster Forst am kurischen Haff, letzteres von dem nur zu Kartoffelbnu nutzbar zu machenden „großen Mars" im Kreise Labiau. Zahlreich find die Striche, deren Boden wenn auch nicht gerade schlecht, so doch dürftig oder gering ist, und mich dies trifft nicht nur im großen, sondern auch im kleinen, mitten in sonst trefflichen Besitzungen zu. Fast überall finden sich endlich die „Hutwciden," schlechte, oder infolge langer Vernachlässigung mit Moos überwachsene Wiesen, auf denen die guten Gräser uicht mehr emporzukommen vermögen. Zuletzt ist auch des Klimas in der Richtung ans die Ertragsfähigkeit des Bodens Erwähnung zu thun. Es ist dasselbe, wie schon angedeutet, nicht so schlimm, wie es im übrigen Deutschland verschrieen ist, und bemerkenswerterweise hat es den Anschein, als ob sich seit einer kurzen Reihe von Jahren die klimatischen Verhältnisse entschieden gebessert hätten. Im größten Teile des Landes kommen alle unsre Feldfrüchte noch gut fort, wenn auch die Vegetationsperiode eine kürzere ist als schon in den benach¬ barten Provinzen, und infolgedessen alle landwirtschaftlichen Arbeiten mehr zusammengedrängt werden müssen, auch gewisse Nachpflanzungcn (wie Stoppel¬ rüben) für gewöhnlich nicht mehr wohl ausführbar sind. Feines Obst kann im ganzen Nordwesten recht gut gezogen werden. an Spalieren auch Aprikosen und Pfirsichen, sowie Trauben; und wenn man sich auch kaum vorzustellen vermag, daß der ostpreußische Weinbau zur Ordenszeit ein bedeutender war, so lassen sich doch leicht Punkte auffinden, an denen sich auch heute noch ein ebenso befriedigender Wein wie der Grüneberger ziehen lassen dürfte. Weiter gegen Süden, Osten und Norden verschlechtern sich diese Verhältnisse jedoch bedeutend. Das Land wird von dem sogenannten „ostpreußischen Landrücken" durchzogen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/81>, abgerufen am 14.06.2024.