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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Land und Leute in Bulgarien.

roten Streifen, die Kavallerie eine stahlgraue Ulanka mit karmoisinrotem Kragen
und gleichfalls blaue Beinkleider. Die Kopfbedeckung besteht bei der ganzen
Armee in dem landesüblichen Kalpak aus schwarzem Lammfell mit rotem Deckel
und einem messingnen griechischen (dreifachen) Kreuze. In Bezug auf Ausbildung
und Dienstbctrieb folgte die Armee bisher in allen wesentlichen Stücken den
russischen Vorschriften, deren Reglements man schon mit Rücksicht auf die Zu¬
sammensetzung der Truppen übernommen hatte. Jede Druschine hatte anfangs
an Russen: 1 kommandirenden Offizier (Major), 4 Hauptleute, 1 Adjutanten,
5 Unteroffiziere und 70 Gemeine, jede Schwadron: 1 Rittmeister, 1 Unteroffizier
und 10 Soldaten, jede Batterie: 1 Kapitän. 1 Unteroffizier und 45 Gemeine,
die Sappeurkompagnie 1 Hauptmann, 1 Unteroffizier und 49 Gemeine. Unter
der provisorischen Verwaltung der Russen bezogen die Offiziere, welche sie an¬
stellten, unverhältnismäßig hohe Gagen; der Major einer Druschine z. B. erhielt
jährlich 16 680 Leva, fast so viel wie ein österreichischer Feldzeugmeister. Später
bemühte sich der Fürst Alexander, um sich dem russischen Einflüsse zu entziehen,
um die Besetzung der Offiziersstellen mit Bulgaren, und seit der Zar seine Offi¬
ziere abberufen hat, sind die meisten Chefs der Druschinen und Sotnjen, sowie
alle Leutnants Angehörige des Landes, die ihre Ausbildung größtenteils auf
der Kriegsschule in Sofia erhalten haben, während die übrigen auf russischen
Anstalten der Art studirten.

Die Wehrkraft Ostrumelicns gliederte sich nach dem Organischen Statut
in die Miliz ersten und zweiten Aufgebots nud die Reserve. Alle tauglichen
Eingebornen der Provinz waren von ihrem zwanzigsten bis zu ihrem zweinnd-
drcißigsten Lebensjahre wehrpflichtig. Das Land war in zwölf Ergänzungs¬
bezirke geteilt, deren jeder ein Bataillon ersten und ein solches zweiten Auf¬
gebots zu stellen hatte. Von jedem Bataillon der ersteren Kategorie bestand
im Frieden nur der Stab und eine Kompagnie von fünfzig Mann. Der Rest
der Retrutirten wurde beurlaubt und gruppenweise auf zwei Monate einberufen,
um bei jener Kompagnie ausgebildet zu werden. Neben den zwölf Kompagnien
für die Infanterie bestanden eine Schwadron und eine Batterie, jene um Ka¬
valleristen, diese um Artilleristen für den Dienst einzuüben. Bei allgemeiner
Mobilisiruug sollten aus den Bataillonen der beiden Aufgebote Brigaden und
Divisionen gebildet werden. Eine Mobilisirung war aber nur auszuführen,
wenn man von auswärts Leute erhielt, welche die Truppen zu befehligen im¬
stande waren. Das Offizierkorps Ostrumeliens bestand nämlich nur aus
fünfzig Majorem und Kapitänen, die aus der russischen Armee ausgetreten
waren, einigen Leutnants, Zöglingen der Militärschule in Sofia, einigen andern
fremden Subalteruoffizieren und dem vom Sultan ernannten Generale der
Miliz. Der Gesamtkriegsstand der letzteren sollte sich auf 25000 Mann In¬
fanterie, 150 Reiter und 4 Geschütze beziffern. Die Bewaffnung der Infanterie
war anfangs keine einheitliche, neben dem Krutagewehr hatte man Martini-


Land und Leute in Bulgarien.

roten Streifen, die Kavallerie eine stahlgraue Ulanka mit karmoisinrotem Kragen
und gleichfalls blaue Beinkleider. Die Kopfbedeckung besteht bei der ganzen
Armee in dem landesüblichen Kalpak aus schwarzem Lammfell mit rotem Deckel
und einem messingnen griechischen (dreifachen) Kreuze. In Bezug auf Ausbildung
und Dienstbctrieb folgte die Armee bisher in allen wesentlichen Stücken den
russischen Vorschriften, deren Reglements man schon mit Rücksicht auf die Zu¬
sammensetzung der Truppen übernommen hatte. Jede Druschine hatte anfangs
an Russen: 1 kommandirenden Offizier (Major), 4 Hauptleute, 1 Adjutanten,
5 Unteroffiziere und 70 Gemeine, jede Schwadron: 1 Rittmeister, 1 Unteroffizier
und 10 Soldaten, jede Batterie: 1 Kapitän. 1 Unteroffizier und 45 Gemeine,
die Sappeurkompagnie 1 Hauptmann, 1 Unteroffizier und 49 Gemeine. Unter
der provisorischen Verwaltung der Russen bezogen die Offiziere, welche sie an¬
stellten, unverhältnismäßig hohe Gagen; der Major einer Druschine z. B. erhielt
jährlich 16 680 Leva, fast so viel wie ein österreichischer Feldzeugmeister. Später
bemühte sich der Fürst Alexander, um sich dem russischen Einflüsse zu entziehen,
um die Besetzung der Offiziersstellen mit Bulgaren, und seit der Zar seine Offi¬
ziere abberufen hat, sind die meisten Chefs der Druschinen und Sotnjen, sowie
alle Leutnants Angehörige des Landes, die ihre Ausbildung größtenteils auf
der Kriegsschule in Sofia erhalten haben, während die übrigen auf russischen
Anstalten der Art studirten.

Die Wehrkraft Ostrumelicns gliederte sich nach dem Organischen Statut
in die Miliz ersten und zweiten Aufgebots nud die Reserve. Alle tauglichen
Eingebornen der Provinz waren von ihrem zwanzigsten bis zu ihrem zweinnd-
drcißigsten Lebensjahre wehrpflichtig. Das Land war in zwölf Ergänzungs¬
bezirke geteilt, deren jeder ein Bataillon ersten und ein solches zweiten Auf¬
gebots zu stellen hatte. Von jedem Bataillon der ersteren Kategorie bestand
im Frieden nur der Stab und eine Kompagnie von fünfzig Mann. Der Rest
der Retrutirten wurde beurlaubt und gruppenweise auf zwei Monate einberufen,
um bei jener Kompagnie ausgebildet zu werden. Neben den zwölf Kompagnien
für die Infanterie bestanden eine Schwadron und eine Batterie, jene um Ka¬
valleristen, diese um Artilleristen für den Dienst einzuüben. Bei allgemeiner
Mobilisiruug sollten aus den Bataillonen der beiden Aufgebote Brigaden und
Divisionen gebildet werden. Eine Mobilisirung war aber nur auszuführen,
wenn man von auswärts Leute erhielt, welche die Truppen zu befehligen im¬
stande waren. Das Offizierkorps Ostrumeliens bestand nämlich nur aus
fünfzig Majorem und Kapitänen, die aus der russischen Armee ausgetreten
waren, einigen Leutnants, Zöglingen der Militärschule in Sofia, einigen andern
fremden Subalteruoffizieren und dem vom Sultan ernannten Generale der
Miliz. Der Gesamtkriegsstand der letzteren sollte sich auf 25000 Mann In¬
fanterie, 150 Reiter und 4 Geschütze beziffern. Die Bewaffnung der Infanterie
war anfangs keine einheitliche, neben dem Krutagewehr hatte man Martini-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/220>, abgerufen am 16.05.2024.