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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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und Georg von Peuerbach. Seit dein Code jenes Jahrhunderts eroberte sich
der Humanismus auch hier einen fruchtbaren Wirkungskreis, nachdem Kaiser
Maximilian hervorragende deutsche Vertreter desselben, wie Konrad Celtes,
Cuspinian und Agricola, herangezogen hatte.

Das ausgehende Mittelalter war für die österreichische" Alpenländer leine
glückliche Zeit. Unausgesetzte Erbstrcitigkeiten im Hause der Habsburger und
die Unbotmäßigkeit des Adels und dessen Fehden mit den Landesfürsten und
Städten schädigten deren Blüte schwer, und dazu kam das Vordringen der Türken,
gegen welche Ungarn, durch Parteiung zerklüftet und geschwächt, keinen Schutz
gewährte und der schwerfällig arbeitende Organismus des deutschen Reiches
lange Zeit keinen genügenden Beistand leistete, und welche infolgedessen besonders
die innerösterreichischen Provinzen Steiermark, Kärnthen und Kram in grenelvoller
Weise heimsuchten und verwüsteten. Schlimmer aber war für das Deutschtum
in Osterreich, daß ihm zu Anfang der neuen Zeit das Habsburgische Herrscher¬
haus für mehr als drei Jahrhunderte entfremdet wurde, indem ihm die bur¬
gundische und die spanische Erbschaft zufielen und der Erwerb Böhmens und
Ungarns vorbereitet wurde. Maximilians Nachfolger war zwar römisch-deutscher
Kaiser, aber mit dem Tone auf römisch. Er war ein kosmopolitischer Herrscher
und viel mehr Burgunder und Spanier als Deutscher. Sogar die deutsche Sprache
war ihm fremd, und noch weniger konnte er die mächtige norddeutsche Bewegung
verstehen, welche sich in Gestalt der Reformation gegen Roms Wesen und Macht
erhob und bald auch die österreichischen Lande ergriff. Rasch bahnte sich dieselbe,
durch einzelne Geistliche und Gelehrte, durch Studenten, die von deutschen Hoch¬
schulen zurückkamen, und durch Kaufleute verbreitet, ihre Wege, aber nur in den
rein deutschen Gegenden. Ein großer Teil des Klerus, fast der gesamte Adel,
die meisten Städte, desgleichen das Landvolk nahmen die neue Lehre an. In
Wien, Graz und Klagenfurt erhielt kein Katholik das Bürgerrecht mehr, öffentliche
Prozessionen der Römischen wurden nicht mehr gestattet, überall entstanden
protestantische Schulen und Druckereien. Ferdinand I. vermochte nicht viel da¬
gegen zu thun, doch berief er zur Bekämpfung des Zustandes, den er faktisch
dulden mußte, 1551 die Jesuiten nach Wien. Erst sein jüngerer Sohn, Erz¬
herzog Karl von Jnnerösterreich, schritt zu planmäßiger Restauration in seinen
Landen, in Steiermark, Kärnthen und Krain. Er übergab die neugegründete
Universität in Graz den Jesuiten, vertrieb die Prediger und verbrannte die
Bücher der Lutheraner, und schaffte den evangelischen Gottesdienst in den
Städten und Marktflecken ab, wie lebhaft auch die Staude dagegen Protestiren
mochten. Noch energischer faßte sein Nachfolger, der Erzherzog Ferdinand, die
Sache an, nachdem er in Loretto gelobt hatte, die Ketzerei mit Stumpf und Stil
auszurotten. Umsonst wendeten sich die Stände an den spanisch erzogenen
Kaiser Rudolf II. Derselbe ließ die Gegenreformation auch in Nieder- und
Oberösterreich gewähren. Die Schlacht am weißen Berge wirkte später wie auf


und Georg von Peuerbach. Seit dein Code jenes Jahrhunderts eroberte sich
der Humanismus auch hier einen fruchtbaren Wirkungskreis, nachdem Kaiser
Maximilian hervorragende deutsche Vertreter desselben, wie Konrad Celtes,
Cuspinian und Agricola, herangezogen hatte.

Das ausgehende Mittelalter war für die österreichische» Alpenländer leine
glückliche Zeit. Unausgesetzte Erbstrcitigkeiten im Hause der Habsburger und
die Unbotmäßigkeit des Adels und dessen Fehden mit den Landesfürsten und
Städten schädigten deren Blüte schwer, und dazu kam das Vordringen der Türken,
gegen welche Ungarn, durch Parteiung zerklüftet und geschwächt, keinen Schutz
gewährte und der schwerfällig arbeitende Organismus des deutschen Reiches
lange Zeit keinen genügenden Beistand leistete, und welche infolgedessen besonders
die innerösterreichischen Provinzen Steiermark, Kärnthen und Kram in grenelvoller
Weise heimsuchten und verwüsteten. Schlimmer aber war für das Deutschtum
in Osterreich, daß ihm zu Anfang der neuen Zeit das Habsburgische Herrscher¬
haus für mehr als drei Jahrhunderte entfremdet wurde, indem ihm die bur¬
gundische und die spanische Erbschaft zufielen und der Erwerb Böhmens und
Ungarns vorbereitet wurde. Maximilians Nachfolger war zwar römisch-deutscher
Kaiser, aber mit dem Tone auf römisch. Er war ein kosmopolitischer Herrscher
und viel mehr Burgunder und Spanier als Deutscher. Sogar die deutsche Sprache
war ihm fremd, und noch weniger konnte er die mächtige norddeutsche Bewegung
verstehen, welche sich in Gestalt der Reformation gegen Roms Wesen und Macht
erhob und bald auch die österreichischen Lande ergriff. Rasch bahnte sich dieselbe,
durch einzelne Geistliche und Gelehrte, durch Studenten, die von deutschen Hoch¬
schulen zurückkamen, und durch Kaufleute verbreitet, ihre Wege, aber nur in den
rein deutschen Gegenden. Ein großer Teil des Klerus, fast der gesamte Adel,
die meisten Städte, desgleichen das Landvolk nahmen die neue Lehre an. In
Wien, Graz und Klagenfurt erhielt kein Katholik das Bürgerrecht mehr, öffentliche
Prozessionen der Römischen wurden nicht mehr gestattet, überall entstanden
protestantische Schulen und Druckereien. Ferdinand I. vermochte nicht viel da¬
gegen zu thun, doch berief er zur Bekämpfung des Zustandes, den er faktisch
dulden mußte, 1551 die Jesuiten nach Wien. Erst sein jüngerer Sohn, Erz¬
herzog Karl von Jnnerösterreich, schritt zu planmäßiger Restauration in seinen
Landen, in Steiermark, Kärnthen und Krain. Er übergab die neugegründete
Universität in Graz den Jesuiten, vertrieb die Prediger und verbrannte die
Bücher der Lutheraner, und schaffte den evangelischen Gottesdienst in den
Städten und Marktflecken ab, wie lebhaft auch die Staude dagegen Protestiren
mochten. Noch energischer faßte sein Nachfolger, der Erzherzog Ferdinand, die
Sache an, nachdem er in Loretto gelobt hatte, die Ketzerei mit Stumpf und Stil
auszurotten. Umsonst wendeten sich die Stände an den spanisch erzogenen
Kaiser Rudolf II. Derselbe ließ die Gegenreformation auch in Nieder- und
Oberösterreich gewähren. Die Schlacht am weißen Berge wirkte später wie auf


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[0367] und Georg von Peuerbach. Seit dein Code jenes Jahrhunderts eroberte sich der Humanismus auch hier einen fruchtbaren Wirkungskreis, nachdem Kaiser Maximilian hervorragende deutsche Vertreter desselben, wie Konrad Celtes, Cuspinian und Agricola, herangezogen hatte. Das ausgehende Mittelalter war für die österreichische» Alpenländer leine glückliche Zeit. Unausgesetzte Erbstrcitigkeiten im Hause der Habsburger und die Unbotmäßigkeit des Adels und dessen Fehden mit den Landesfürsten und Städten schädigten deren Blüte schwer, und dazu kam das Vordringen der Türken, gegen welche Ungarn, durch Parteiung zerklüftet und geschwächt, keinen Schutz gewährte und der schwerfällig arbeitende Organismus des deutschen Reiches lange Zeit keinen genügenden Beistand leistete, und welche infolgedessen besonders die innerösterreichischen Provinzen Steiermark, Kärnthen und Kram in grenelvoller Weise heimsuchten und verwüsteten. Schlimmer aber war für das Deutschtum in Osterreich, daß ihm zu Anfang der neuen Zeit das Habsburgische Herrscher¬ haus für mehr als drei Jahrhunderte entfremdet wurde, indem ihm die bur¬ gundische und die spanische Erbschaft zufielen und der Erwerb Böhmens und Ungarns vorbereitet wurde. Maximilians Nachfolger war zwar römisch-deutscher Kaiser, aber mit dem Tone auf römisch. Er war ein kosmopolitischer Herrscher und viel mehr Burgunder und Spanier als Deutscher. Sogar die deutsche Sprache war ihm fremd, und noch weniger konnte er die mächtige norddeutsche Bewegung verstehen, welche sich in Gestalt der Reformation gegen Roms Wesen und Macht erhob und bald auch die österreichischen Lande ergriff. Rasch bahnte sich dieselbe, durch einzelne Geistliche und Gelehrte, durch Studenten, die von deutschen Hoch¬ schulen zurückkamen, und durch Kaufleute verbreitet, ihre Wege, aber nur in den rein deutschen Gegenden. Ein großer Teil des Klerus, fast der gesamte Adel, die meisten Städte, desgleichen das Landvolk nahmen die neue Lehre an. In Wien, Graz und Klagenfurt erhielt kein Katholik das Bürgerrecht mehr, öffentliche Prozessionen der Römischen wurden nicht mehr gestattet, überall entstanden protestantische Schulen und Druckereien. Ferdinand I. vermochte nicht viel da¬ gegen zu thun, doch berief er zur Bekämpfung des Zustandes, den er faktisch dulden mußte, 1551 die Jesuiten nach Wien. Erst sein jüngerer Sohn, Erz¬ herzog Karl von Jnnerösterreich, schritt zu planmäßiger Restauration in seinen Landen, in Steiermark, Kärnthen und Krain. Er übergab die neugegründete Universität in Graz den Jesuiten, vertrieb die Prediger und verbrannte die Bücher der Lutheraner, und schaffte den evangelischen Gottesdienst in den Städten und Marktflecken ab, wie lebhaft auch die Staude dagegen Protestiren mochten. Noch energischer faßte sein Nachfolger, der Erzherzog Ferdinand, die Sache an, nachdem er in Loretto gelobt hatte, die Ketzerei mit Stumpf und Stil auszurotten. Umsonst wendeten sich die Stände an den spanisch erzogenen Kaiser Rudolf II. Derselbe ließ die Gegenreformation auch in Nieder- und Oberösterreich gewähren. Die Schlacht am weißen Berge wirkte später wie auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/367>, abgerufen am 06.06.2024.