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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Parlamentarisches ans "Österreich.

und die ultramoutan-feudalistisch-föderalistische Zeitung brüderlich die Hände, um
Bismarck als Tyrannen und Friedensstörer zu verdächtigen und dessen Wider¬
sacher zu verherrlichen. Die Hauptquelle, aus welcher die "Informationen"
über deutsche Angelegenheiten geschöpft werden, ist unverkennbar das phantasie¬
reiche "Berliner Tageblatt," und es ist daher begreiflich, daß der echte und
gerechte Zeitungsleser sich vortrefflich unterrichtet zeigt. Besondern Abscheu
erregen die Natioucilliberaleu, welche gewissenlos genng sind, sich mit den Konser¬
vativen zu verbünden; und in diesem Falle wirkt nicht allein die tugendhafte
Entrüstung über das Zusammengehen mit Parteien, von welchen sie übrigens
mancherlei trennt (eine Entrüstung, welche natürlich schweigt, wenn es sich um
oppositionelle Parteien handelt), sondern auch die Sorge, daß das böse Beispiel
anstecken könnte. Wenn z. B. alle, die das Deutschtum in Österreich erhalten
wissen wollen, sich auf diesem Boden zusammenfanden und vorläufig alle
Meinungsverschiedenheiten in religiösen, wirtschaftlichen, administrativen u. s. w.
Fragen ruhen ließen, so würde das eine Gruppirung ergeben, welche den erb¬
gesessenen "Führern" schwerlich behagen möchte.

Sie haben ohnehin ihr Krenz mit den "Deutschuationalen," welche sich
ganz unstatthafte Äußerungen erlauben. Einer von den Entschiedensten dieser
Partei, der Abgeordnete Steinwendcr, setzte unlängst in einer Versammlung
auseinander, weshalb der "Deutsche Klub" nicht mit den "Deutschösterreichischeu"
durch Dick und Dünn gehen könne. Dabei erklärte er unter lebhafter Zustimmung
der Zuhörer, die Volksvertretung habe die Meinungen der Bevölkerung zum
Ausdruck zu bringen, nicht aber zu herrschen, das sei Sache der Krone und der
Regierung. Er und seine Gesinnungsgenossen wollten nicht eine "Parlaments-
regiererei," wie die Opposition in Deutschland sie anstrebe, aber hoffentlich nie
erreichen werde. Natürlich haben die Zeitungen sich wohl gehütet, von solchen
Ketzereien Notiz zu nehmen. Aber gesagt und gehört worden sind sie doch, und
von dem Redner darf man sich deren Wiederholung auch an andrer Stelle
versehen. Daher ist er auch gründlich verhaßt, und auf ihn war augenscheinlich
der unglaubliche Artikel der "Neuen Presse" gemünzt, welcher den Wählern
beweglich zuredete, doch keine Mittelschulprvfessvren zu wählen, da diese von
Politik nichts verstünden. Steinwender ist nämlich Gymnasialprofessor.

Ebensowenig verstehen (nach der Versicherung unsrer gelesensten Blätter) die
Mitglieder des "Deutschen Klubs" von dem Zeitungswesen. Dieselben haben
sich nämlich beikommen lassen, Anträge einzudringen, dnrch welche allerlei Be¬
schränkungen der Journalistik (Jnseratenstempel, Verbot der Kolportage, admini¬
strative Beschlagnahme) beseitigt, aber zugleich die Verantwortlichkeit der Redaktion
ausgedehnt werden soll. Es mag sein, daß dieser Gesetzentwurf des Abgeordneten
Foregger manche Mängel hat, daß manche von ihm vorgeschlagene Bestimmung
nicht ausführbar ist oder ihren Zweck nicht erfüllen würde. Aber die Absicht,
der Korruption Einhalt zu thun, die Privatehre zu schützen, den tiefgesuukenen


Parlamentarisches ans «Österreich.

und die ultramoutan-feudalistisch-föderalistische Zeitung brüderlich die Hände, um
Bismarck als Tyrannen und Friedensstörer zu verdächtigen und dessen Wider¬
sacher zu verherrlichen. Die Hauptquelle, aus welcher die „Informationen"
über deutsche Angelegenheiten geschöpft werden, ist unverkennbar das phantasie¬
reiche „Berliner Tageblatt," und es ist daher begreiflich, daß der echte und
gerechte Zeitungsleser sich vortrefflich unterrichtet zeigt. Besondern Abscheu
erregen die Natioucilliberaleu, welche gewissenlos genng sind, sich mit den Konser¬
vativen zu verbünden; und in diesem Falle wirkt nicht allein die tugendhafte
Entrüstung über das Zusammengehen mit Parteien, von welchen sie übrigens
mancherlei trennt (eine Entrüstung, welche natürlich schweigt, wenn es sich um
oppositionelle Parteien handelt), sondern auch die Sorge, daß das böse Beispiel
anstecken könnte. Wenn z. B. alle, die das Deutschtum in Österreich erhalten
wissen wollen, sich auf diesem Boden zusammenfanden und vorläufig alle
Meinungsverschiedenheiten in religiösen, wirtschaftlichen, administrativen u. s. w.
Fragen ruhen ließen, so würde das eine Gruppirung ergeben, welche den erb¬
gesessenen „Führern" schwerlich behagen möchte.

Sie haben ohnehin ihr Krenz mit den „Deutschuationalen," welche sich
ganz unstatthafte Äußerungen erlauben. Einer von den Entschiedensten dieser
Partei, der Abgeordnete Steinwendcr, setzte unlängst in einer Versammlung
auseinander, weshalb der „Deutsche Klub" nicht mit den „Deutschösterreichischeu"
durch Dick und Dünn gehen könne. Dabei erklärte er unter lebhafter Zustimmung
der Zuhörer, die Volksvertretung habe die Meinungen der Bevölkerung zum
Ausdruck zu bringen, nicht aber zu herrschen, das sei Sache der Krone und der
Regierung. Er und seine Gesinnungsgenossen wollten nicht eine „Parlaments-
regiererei," wie die Opposition in Deutschland sie anstrebe, aber hoffentlich nie
erreichen werde. Natürlich haben die Zeitungen sich wohl gehütet, von solchen
Ketzereien Notiz zu nehmen. Aber gesagt und gehört worden sind sie doch, und
von dem Redner darf man sich deren Wiederholung auch an andrer Stelle
versehen. Daher ist er auch gründlich verhaßt, und auf ihn war augenscheinlich
der unglaubliche Artikel der „Neuen Presse" gemünzt, welcher den Wählern
beweglich zuredete, doch keine Mittelschulprvfessvren zu wählen, da diese von
Politik nichts verstünden. Steinwender ist nämlich Gymnasialprofessor.

Ebensowenig verstehen (nach der Versicherung unsrer gelesensten Blätter) die
Mitglieder des „Deutschen Klubs" von dem Zeitungswesen. Dieselben haben
sich nämlich beikommen lassen, Anträge einzudringen, dnrch welche allerlei Be¬
schränkungen der Journalistik (Jnseratenstempel, Verbot der Kolportage, admini¬
strative Beschlagnahme) beseitigt, aber zugleich die Verantwortlichkeit der Redaktion
ausgedehnt werden soll. Es mag sein, daß dieser Gesetzentwurf des Abgeordneten
Foregger manche Mängel hat, daß manche von ihm vorgeschlagene Bestimmung
nicht ausführbar ist oder ihren Zweck nicht erfüllen würde. Aber die Absicht,
der Korruption Einhalt zu thun, die Privatehre zu schützen, den tiefgesuukenen


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[0391] Parlamentarisches ans «Österreich. und die ultramoutan-feudalistisch-föderalistische Zeitung brüderlich die Hände, um Bismarck als Tyrannen und Friedensstörer zu verdächtigen und dessen Wider¬ sacher zu verherrlichen. Die Hauptquelle, aus welcher die „Informationen" über deutsche Angelegenheiten geschöpft werden, ist unverkennbar das phantasie¬ reiche „Berliner Tageblatt," und es ist daher begreiflich, daß der echte und gerechte Zeitungsleser sich vortrefflich unterrichtet zeigt. Besondern Abscheu erregen die Natioucilliberaleu, welche gewissenlos genng sind, sich mit den Konser¬ vativen zu verbünden; und in diesem Falle wirkt nicht allein die tugendhafte Entrüstung über das Zusammengehen mit Parteien, von welchen sie übrigens mancherlei trennt (eine Entrüstung, welche natürlich schweigt, wenn es sich um oppositionelle Parteien handelt), sondern auch die Sorge, daß das böse Beispiel anstecken könnte. Wenn z. B. alle, die das Deutschtum in Österreich erhalten wissen wollen, sich auf diesem Boden zusammenfanden und vorläufig alle Meinungsverschiedenheiten in religiösen, wirtschaftlichen, administrativen u. s. w. Fragen ruhen ließen, so würde das eine Gruppirung ergeben, welche den erb¬ gesessenen „Führern" schwerlich behagen möchte. Sie haben ohnehin ihr Krenz mit den „Deutschuationalen," welche sich ganz unstatthafte Äußerungen erlauben. Einer von den Entschiedensten dieser Partei, der Abgeordnete Steinwendcr, setzte unlängst in einer Versammlung auseinander, weshalb der „Deutsche Klub" nicht mit den „Deutschösterreichischeu" durch Dick und Dünn gehen könne. Dabei erklärte er unter lebhafter Zustimmung der Zuhörer, die Volksvertretung habe die Meinungen der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen, nicht aber zu herrschen, das sei Sache der Krone und der Regierung. Er und seine Gesinnungsgenossen wollten nicht eine „Parlaments- regiererei," wie die Opposition in Deutschland sie anstrebe, aber hoffentlich nie erreichen werde. Natürlich haben die Zeitungen sich wohl gehütet, von solchen Ketzereien Notiz zu nehmen. Aber gesagt und gehört worden sind sie doch, und von dem Redner darf man sich deren Wiederholung auch an andrer Stelle versehen. Daher ist er auch gründlich verhaßt, und auf ihn war augenscheinlich der unglaubliche Artikel der „Neuen Presse" gemünzt, welcher den Wählern beweglich zuredete, doch keine Mittelschulprvfessvren zu wählen, da diese von Politik nichts verstünden. Steinwender ist nämlich Gymnasialprofessor. Ebensowenig verstehen (nach der Versicherung unsrer gelesensten Blätter) die Mitglieder des „Deutschen Klubs" von dem Zeitungswesen. Dieselben haben sich nämlich beikommen lassen, Anträge einzudringen, dnrch welche allerlei Be¬ schränkungen der Journalistik (Jnseratenstempel, Verbot der Kolportage, admini¬ strative Beschlagnahme) beseitigt, aber zugleich die Verantwortlichkeit der Redaktion ausgedehnt werden soll. Es mag sein, daß dieser Gesetzentwurf des Abgeordneten Foregger manche Mängel hat, daß manche von ihm vorgeschlagene Bestimmung nicht ausführbar ist oder ihren Zweck nicht erfüllen würde. Aber die Absicht, der Korruption Einhalt zu thun, die Privatehre zu schützen, den tiefgesuukenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/391>, abgerufen am 27.05.2024.