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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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bietet. Ich spreche nur von Deutschland, und anch da nur von den allgemeinen
Ergebnissen, und führe einzelne Zahlen nur zur Andeutung als Beispiele an.
Die Zunahme der Einlagen ist stetig und allgemein, sie beträgt z. B. im König¬
reich Sachsen jährlich 6 bis 7 Millionen Mark, dagegen nahmen die Rück¬
zahlungen ab, sie betrugen in Sachsen 1883 93 Prozent der Einzahlungen,
aber 1885 nur 38 Prozent, Das Gesamtguthaben der sächsischen Einleger
war 1884 rund 408 Millionen und hatte seit 1881 um 58 Millionen zuge¬
nommen. Von je hundert Einwohnern jeden Alters und Geschlechtes waren
38 (37,5) als Einleger bei den Sparkassen beteiligt, und auf jeden Einwohner
Sachsens berechneten sich 1884 137 Mark Guthaben bei den Sparkassen.

Ähnlich, wenn auch nicht überall so glänzend, steht das Ersparniswesen
in allen übrigen deutschen Staaten. Ich will nur noch anführen, daß Preußen
allein 1883 1880 Millionen in seinen Sparkassen liegen hatte, und daß die
ältesten Sparkassen nicht über das Jahr 1820 zurückreichen (Dresden 1821).

Doch sehen wir uns weiter um, wieder das Königreich Sachsen als Bei¬
spiel nehmend, da mir dessen Statistik am bequemsten zur Hand ist.

Das Einkommen aus Grundbesitz, Renten, Gehalten und Löhnen, aus
Handel und Gewerben betrug 1885 rund 1288 Millionen, 1880 rund 1071
Millionen, hat also in fünf Jahren um 217 Millionen zugenommen; auf den
Kopf der Bevölkerung gerechnet, beträgt diese Zunahme 45 Mark.

Wenden wir uns von den Sparkassen zur Börse, zu diesem Markte, auf
dem alle erzeugten Werte, die nicht verbraucht werden, als Erübrigungen unter
dem Namen Kapitalien zusammenfließen, um nutzbringende Verwendung zu
suchen. Hier sehen wir das Angebot die Nachfrage fast in riesenhaften und
täglich wachsendem Maße übersteigen. Der Zinsfuß ist für dauernde Anlage
beinahe auf 3^ Prozent, für vorübergehende Anlage anf weniger als 2 Prozent
gesunken. Alle Börsen- und Bankberichte melden von der bedenklichsten An¬
häufung des baren Geldes -- kurz, die Erübrigungen sind so groß, daß eine
einigermaßen befriedigende Verwendung schon teilweise im Auslande und bei
ungenügender Sicherheit gesucht werden muß. Fast könnte man sagen: wir
ersticken im eignen Fett.

Nun wende man nicht ein, daß an den Börsen nur das Geld der reichen
Leute zum Vorschein komme. Dies wäre ein großer Jrrtuw- Denn die Börse
ist nur der große Behälter, wo die kleinen wie die großen Ersparnisse zusammen¬
fließen, wie sich die feinsten Wasseradern zu Bächen vereinigen, um sich als
Flüsse und Ströme gemeinsam ins Meer zu ergießen. Die Sparpfennige des
kleinsten Mannes werden durch die Sparkassen an die Börse gebracht, um dort
in Schuldscheinen des Staates, der Gemeinden, in Prioritäten der Industrie
oder in Pfandbriefen und Hypotheken angelegt zu werden. Die sächsischen
Sparkassen allein hatten 1883 rund 85^ Millionen in börscnmäßigen Papieren
und über 295 Millionen in Hypotheken angelegt. Die baierischen Hypotheken-


bietet. Ich spreche nur von Deutschland, und anch da nur von den allgemeinen
Ergebnissen, und führe einzelne Zahlen nur zur Andeutung als Beispiele an.
Die Zunahme der Einlagen ist stetig und allgemein, sie beträgt z. B. im König¬
reich Sachsen jährlich 6 bis 7 Millionen Mark, dagegen nahmen die Rück¬
zahlungen ab, sie betrugen in Sachsen 1883 93 Prozent der Einzahlungen,
aber 1885 nur 38 Prozent, Das Gesamtguthaben der sächsischen Einleger
war 1884 rund 408 Millionen und hatte seit 1881 um 58 Millionen zuge¬
nommen. Von je hundert Einwohnern jeden Alters und Geschlechtes waren
38 (37,5) als Einleger bei den Sparkassen beteiligt, und auf jeden Einwohner
Sachsens berechneten sich 1884 137 Mark Guthaben bei den Sparkassen.

Ähnlich, wenn auch nicht überall so glänzend, steht das Ersparniswesen
in allen übrigen deutschen Staaten. Ich will nur noch anführen, daß Preußen
allein 1883 1880 Millionen in seinen Sparkassen liegen hatte, und daß die
ältesten Sparkassen nicht über das Jahr 1820 zurückreichen (Dresden 1821).

Doch sehen wir uns weiter um, wieder das Königreich Sachsen als Bei¬
spiel nehmend, da mir dessen Statistik am bequemsten zur Hand ist.

Das Einkommen aus Grundbesitz, Renten, Gehalten und Löhnen, aus
Handel und Gewerben betrug 1885 rund 1288 Millionen, 1880 rund 1071
Millionen, hat also in fünf Jahren um 217 Millionen zugenommen; auf den
Kopf der Bevölkerung gerechnet, beträgt diese Zunahme 45 Mark.

Wenden wir uns von den Sparkassen zur Börse, zu diesem Markte, auf
dem alle erzeugten Werte, die nicht verbraucht werden, als Erübrigungen unter
dem Namen Kapitalien zusammenfließen, um nutzbringende Verwendung zu
suchen. Hier sehen wir das Angebot die Nachfrage fast in riesenhaften und
täglich wachsendem Maße übersteigen. Der Zinsfuß ist für dauernde Anlage
beinahe auf 3^ Prozent, für vorübergehende Anlage anf weniger als 2 Prozent
gesunken. Alle Börsen- und Bankberichte melden von der bedenklichsten An¬
häufung des baren Geldes — kurz, die Erübrigungen sind so groß, daß eine
einigermaßen befriedigende Verwendung schon teilweise im Auslande und bei
ungenügender Sicherheit gesucht werden muß. Fast könnte man sagen: wir
ersticken im eignen Fett.

Nun wende man nicht ein, daß an den Börsen nur das Geld der reichen
Leute zum Vorschein komme. Dies wäre ein großer Jrrtuw- Denn die Börse
ist nur der große Behälter, wo die kleinen wie die großen Ersparnisse zusammen¬
fließen, wie sich die feinsten Wasseradern zu Bächen vereinigen, um sich als
Flüsse und Ströme gemeinsam ins Meer zu ergießen. Die Sparpfennige des
kleinsten Mannes werden durch die Sparkassen an die Börse gebracht, um dort
in Schuldscheinen des Staates, der Gemeinden, in Prioritäten der Industrie
oder in Pfandbriefen und Hypotheken angelegt zu werden. Die sächsischen
Sparkassen allein hatten 1883 rund 85^ Millionen in börscnmäßigen Papieren
und über 295 Millionen in Hypotheken angelegt. Die baierischen Hypotheken-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/15>, abgerufen am 14.05.2024.