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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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volapük.

Reisender in Berührung treten Kinn, jene Weltsprache verstehen. Nach wie vor
wird man bei der Absicht längeren Aufenthaltes die Landessprache studiren
müssen, ohne deren Kenntnis ein wesentlicher Teil des Volkscharakters sich der
Beobachtung entzieht. Für den gewöhnlichen leichten Verkehr wäre der Gebrauch
einer Weltsprache gewiß ein großer Gewinn, aber nur ungenügende Vertraut¬
heit mit den Verhältnissen oder Selbsttäuschung kann zu der wunderlichen An¬
nahme gelangen, daß z. V. der Khedive dem haltlosen Volapük vor einer der
sestbegründeten abendländischen Kultursprachen deu Vorzug geben werde, wenn
es sich in Ägypten einmal um Beförderung einer weiter verständlichen Sprache
handelte. Oder meint man, der Sultan von Sansibar, der Emir von Afgha¬
nistan und der König der Sandwichinseln wurden sich einmal bewogen fühlen,
zur Förderung des Verkehrs in ihren Landen nicht etwa das Englische oder
das Russische oder eine andre wichtige europäische Sprache zu empfehlen, souderu
Volapük? vrizäiit ^uclMus ^.xslls,!

Bis zu welchem Grade der Blindheit und Mißachtung aller thatsächlichen
Verhältnisse die Volapükschwärmerei trotzdem gediehen ist, mag der Umstand
zeigen, daß vor kurzem die Lausauuer Revue ihre Spalten dem Vorschlage
öffnete, die Schweizer Bundesbehörden möchten ihre Erlasse und Verfügungen
künftig nicht mehr deutsch, französisch, italienisch kundgeben, sondern in Volapük!
Armes Schweizcrvolk, das für drei durchgeistigte Sprachen das Danaergeschenk
der dilettantischen Volapükgleichmacherei erhalten soll! Wäre die Auslassung
nicht so verteufelt ernst gehalten, man möchte sie für einen schlechten Hunds-
tagsferienspaß halten.

Was bleibt nun aber nach Wegnahme der erwähnten Gebiete für Volapük
als Wirkungskreis eigentlich noch übrig? Einzig und allein der zwischenstaat¬
liche Briefwechsel. Aber auch dieser kommt nur zum Teil i" Berücksichtigung,
denn die Diplomatie hat ihre eignen Verkehrsgruudsätze gebildet, welche sie zum
Besten von Volapük schwerlich aufgeben wird, der Familicnbriefwechsel über
Land und Meer bewegt sich in der gemeinsamen Muttersprache, bedarf daher
eines Weltvrgaucs nicht, und der Gedankenaustausch zwischen Gelehrten ver-
schiedner Länder kann aus den früher entwickelten Gründen einer gemachten
Sprache nicht anheimfallen. So bleibt als Angriffsvbjekt für Volapük in der
Hauptsache der große internationale Geschäfts- und Handelsverkehr bestehen,
und es scheint in der That, als ob in den Kreisen des Kaufmaunsstandes, der
Wohl auch unsichre Gewinnanssichten nicht zurückweist, die Teilnahme für
Schlehers Erfindung am größten sei, die Lohe der Begeisterung am glühendsten
emporzüngele. Man empfindet dort angesichts des wachsenden Weltverkehrs,
dem sich jetzt Mittelafrika, Sibirien, China, Japan und andre Länder über¬
raschend schnell erschließen, das Bedürfnis eines allgemeinen Verständiguugs-
mittels wohl am stärksten, sieht die Vorteile eines solchen am deutlichsten und
wirft sich deshalb, ohne sich der Schattenseiten und Nachteile bewußt zu werden,


volapük.

Reisender in Berührung treten Kinn, jene Weltsprache verstehen. Nach wie vor
wird man bei der Absicht längeren Aufenthaltes die Landessprache studiren
müssen, ohne deren Kenntnis ein wesentlicher Teil des Volkscharakters sich der
Beobachtung entzieht. Für den gewöhnlichen leichten Verkehr wäre der Gebrauch
einer Weltsprache gewiß ein großer Gewinn, aber nur ungenügende Vertraut¬
heit mit den Verhältnissen oder Selbsttäuschung kann zu der wunderlichen An¬
nahme gelangen, daß z. V. der Khedive dem haltlosen Volapük vor einer der
sestbegründeten abendländischen Kultursprachen deu Vorzug geben werde, wenn
es sich in Ägypten einmal um Beförderung einer weiter verständlichen Sprache
handelte. Oder meint man, der Sultan von Sansibar, der Emir von Afgha¬
nistan und der König der Sandwichinseln wurden sich einmal bewogen fühlen,
zur Förderung des Verkehrs in ihren Landen nicht etwa das Englische oder
das Russische oder eine andre wichtige europäische Sprache zu empfehlen, souderu
Volapük? vrizäiit ^uclMus ^.xslls,!

Bis zu welchem Grade der Blindheit und Mißachtung aller thatsächlichen
Verhältnisse die Volapükschwärmerei trotzdem gediehen ist, mag der Umstand
zeigen, daß vor kurzem die Lausauuer Revue ihre Spalten dem Vorschlage
öffnete, die Schweizer Bundesbehörden möchten ihre Erlasse und Verfügungen
künftig nicht mehr deutsch, französisch, italienisch kundgeben, sondern in Volapük!
Armes Schweizcrvolk, das für drei durchgeistigte Sprachen das Danaergeschenk
der dilettantischen Volapükgleichmacherei erhalten soll! Wäre die Auslassung
nicht so verteufelt ernst gehalten, man möchte sie für einen schlechten Hunds-
tagsferienspaß halten.

Was bleibt nun aber nach Wegnahme der erwähnten Gebiete für Volapük
als Wirkungskreis eigentlich noch übrig? Einzig und allein der zwischenstaat¬
liche Briefwechsel. Aber auch dieser kommt nur zum Teil i» Berücksichtigung,
denn die Diplomatie hat ihre eignen Verkehrsgruudsätze gebildet, welche sie zum
Besten von Volapük schwerlich aufgeben wird, der Familicnbriefwechsel über
Land und Meer bewegt sich in der gemeinsamen Muttersprache, bedarf daher
eines Weltvrgaucs nicht, und der Gedankenaustausch zwischen Gelehrten ver-
schiedner Länder kann aus den früher entwickelten Gründen einer gemachten
Sprache nicht anheimfallen. So bleibt als Angriffsvbjekt für Volapük in der
Hauptsache der große internationale Geschäfts- und Handelsverkehr bestehen,
und es scheint in der That, als ob in den Kreisen des Kaufmaunsstandes, der
Wohl auch unsichre Gewinnanssichten nicht zurückweist, die Teilnahme für
Schlehers Erfindung am größten sei, die Lohe der Begeisterung am glühendsten
emporzüngele. Man empfindet dort angesichts des wachsenden Weltverkehrs,
dem sich jetzt Mittelafrika, Sibirien, China, Japan und andre Länder über¬
raschend schnell erschließen, das Bedürfnis eines allgemeinen Verständiguugs-
mittels wohl am stärksten, sieht die Vorteile eines solchen am deutlichsten und
wirft sich deshalb, ohne sich der Schattenseiten und Nachteile bewußt zu werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/223>, abgerufen am 30.05.2024.