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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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volapiik.

dem als Erlöser angepriesenen Volapiik in die liebevoll geöffneten Arme.
Man muß jedoch abwarten, ob dieser Zustand von Dauer sein wird, auch nach¬
dem der erste Rausch verflogen ist. Das Feuer aufflammender Begeisterung
schlägt zwar turmhoch empor, aber wer mag beweisen, daß es kein Strohfeuer
ist, und wer für dessen dauernde Unterhaltung sorgen, wenn sich nach etlichen
Jahren herausstellt, daß man sich in Wesen und Fähigkeiten des Volapiik geirrt
hat, und daß man auch noch uicht sobald v0ig,Mi<i8We durch die ganze
Welt hin werde schreiben oder gar reisen können? Da könnte der Rückschlag
sich empfindlich bemerkbar machen, indem man Volapiik Volapiik sein läßt und
die weggelegten Grammatiker der modernen Kulturspracheu wieder aus der Ecke
hervorholt, um in deren Studium Vergessenheit zu suchen für deu Zeitverlust,
den die abenteuerliche Fahrt im Volapükkarren verursacht hat. Gelingt es der
Schleyerschen Sprache nicht, sich dauernd auf dem Gebiete des Welthandels
festzusetzen und auszubreiten, so ist der Volapükwagcn auf der einzigen fahr¬
baren Strecke als verunglückt zu betrachten. Dann kommen vielleicht wie einst
nach Phaethvns Untergang mitleidige Nymphen und setzen dem Gestürzten einen
Denkstein mit der Inschrift:


HIV > LirvL - MI - V0I^?Me - LZWNV - Wvx . MLIIVir^in -
IU?iWIIIU - IMIir . - VIWVN - ZMIVII' - ^11818 -

Wir müssen nach dem bisher Erörterten zu dem Schlüsse kommen, daß
dem Volapükmechanismus diejenige Festigkeit, Leistungskraft und Entwicklungs-
fähigkeit abgeht, welche zur Durchführung der Rolle eines wirklichen Wcltver-
ständignngsmittels nötig ist. Jeder andern künstlich verfertigten Sprache wird
das gleiche Schicksal beschieden sein. Wenn nun, wie nicht zu leugnen ist, das
Bedürfnis nach einer Weltsprache in jenem eingeschränkten Sinne besteht, aber
durch einen künstlichen Mechanismus nicht befriedigt werden kann, sollte da
keiner von den vorhandenen Sprachorganismen imstande sein, rettend einzu¬
springe"? Und giebt die Natur uns ein passendes Werkzeug in die Hand,
wozu bedarf es da überhaupt der Erfindungsarbeit? Ist es nicht der ver¬
nunftgemäßere Weg, zunächst unter den vorhandenen Mitteln Umschau zu halten
und erst dann die Kunst eintreten zu lassen, wenn die Natur versagt? Käme
es bei einer Weltsprache bloß auf leichte Erlernbarkeit und Regelmäßigkeit an,
so könnte man unbedenklich die Eskimosprache oder das Malaiische ans den
Thron setzen. Die ungeheure Lächerlichkeit des bloßen Gedankens, die Sprache
der Eskimos als Weltsprache einführen zu wollen, muß es aber auch einem Kurz¬
sichtigen klar machen, daß noch andre wichtige Erfordernisse Berücksichtigung
verlangen. Neben der Leichtigkeit des Erlernens steht zunächst widerstands¬
fähige Abgeschliffenheit und Mundgerechtheit. Sodann muß eine Bewerberin
um die Wcltsprachenwürde sich darüber schon ausgewiesen haben, daß sie voll¬
ständig ausgebildet und fähig ist, alle menschlichen Gedanken in Wissenschaft,
Kunst, Industrie, Handel u. s. w. zuverlässig und deutlich wiederzugeben. Ferner


volapiik.

dem als Erlöser angepriesenen Volapiik in die liebevoll geöffneten Arme.
Man muß jedoch abwarten, ob dieser Zustand von Dauer sein wird, auch nach¬
dem der erste Rausch verflogen ist. Das Feuer aufflammender Begeisterung
schlägt zwar turmhoch empor, aber wer mag beweisen, daß es kein Strohfeuer
ist, und wer für dessen dauernde Unterhaltung sorgen, wenn sich nach etlichen
Jahren herausstellt, daß man sich in Wesen und Fähigkeiten des Volapiik geirrt
hat, und daß man auch noch uicht sobald v0ig,Mi<i8We durch die ganze
Welt hin werde schreiben oder gar reisen können? Da könnte der Rückschlag
sich empfindlich bemerkbar machen, indem man Volapiik Volapiik sein läßt und
die weggelegten Grammatiker der modernen Kulturspracheu wieder aus der Ecke
hervorholt, um in deren Studium Vergessenheit zu suchen für deu Zeitverlust,
den die abenteuerliche Fahrt im Volapükkarren verursacht hat. Gelingt es der
Schleyerschen Sprache nicht, sich dauernd auf dem Gebiete des Welthandels
festzusetzen und auszubreiten, so ist der Volapükwagcn auf der einzigen fahr¬
baren Strecke als verunglückt zu betrachten. Dann kommen vielleicht wie einst
nach Phaethvns Untergang mitleidige Nymphen und setzen dem Gestürzten einen
Denkstein mit der Inschrift:


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Wir müssen nach dem bisher Erörterten zu dem Schlüsse kommen, daß
dem Volapükmechanismus diejenige Festigkeit, Leistungskraft und Entwicklungs-
fähigkeit abgeht, welche zur Durchführung der Rolle eines wirklichen Wcltver-
ständignngsmittels nötig ist. Jeder andern künstlich verfertigten Sprache wird
das gleiche Schicksal beschieden sein. Wenn nun, wie nicht zu leugnen ist, das
Bedürfnis nach einer Weltsprache in jenem eingeschränkten Sinne besteht, aber
durch einen künstlichen Mechanismus nicht befriedigt werden kann, sollte da
keiner von den vorhandenen Sprachorganismen imstande sein, rettend einzu¬
springe»? Und giebt die Natur uns ein passendes Werkzeug in die Hand,
wozu bedarf es da überhaupt der Erfindungsarbeit? Ist es nicht der ver¬
nunftgemäßere Weg, zunächst unter den vorhandenen Mitteln Umschau zu halten
und erst dann die Kunst eintreten zu lassen, wenn die Natur versagt? Käme
es bei einer Weltsprache bloß auf leichte Erlernbarkeit und Regelmäßigkeit an,
so könnte man unbedenklich die Eskimosprache oder das Malaiische ans den
Thron setzen. Die ungeheure Lächerlichkeit des bloßen Gedankens, die Sprache
der Eskimos als Weltsprache einführen zu wollen, muß es aber auch einem Kurz¬
sichtigen klar machen, daß noch andre wichtige Erfordernisse Berücksichtigung
verlangen. Neben der Leichtigkeit des Erlernens steht zunächst widerstands¬
fähige Abgeschliffenheit und Mundgerechtheit. Sodann muß eine Bewerberin
um die Wcltsprachenwürde sich darüber schon ausgewiesen haben, daß sie voll¬
ständig ausgebildet und fähig ist, alle menschlichen Gedanken in Wissenschaft,
Kunst, Industrie, Handel u. s. w. zuverlässig und deutlich wiederzugeben. Ferner


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[0224] volapiik. dem als Erlöser angepriesenen Volapiik in die liebevoll geöffneten Arme. Man muß jedoch abwarten, ob dieser Zustand von Dauer sein wird, auch nach¬ dem der erste Rausch verflogen ist. Das Feuer aufflammender Begeisterung schlägt zwar turmhoch empor, aber wer mag beweisen, daß es kein Strohfeuer ist, und wer für dessen dauernde Unterhaltung sorgen, wenn sich nach etlichen Jahren herausstellt, daß man sich in Wesen und Fähigkeiten des Volapiik geirrt hat, und daß man auch noch uicht sobald v0ig,Mi<i8We durch die ganze Welt hin werde schreiben oder gar reisen können? Da könnte der Rückschlag sich empfindlich bemerkbar machen, indem man Volapiik Volapiik sein läßt und die weggelegten Grammatiker der modernen Kulturspracheu wieder aus der Ecke hervorholt, um in deren Studium Vergessenheit zu suchen für deu Zeitverlust, den die abenteuerliche Fahrt im Volapükkarren verursacht hat. Gelingt es der Schleyerschen Sprache nicht, sich dauernd auf dem Gebiete des Welthandels festzusetzen und auszubreiten, so ist der Volapükwagcn auf der einzigen fahr¬ baren Strecke als verunglückt zu betrachten. Dann kommen vielleicht wie einst nach Phaethvns Untergang mitleidige Nymphen und setzen dem Gestürzten einen Denkstein mit der Inschrift: HIV > LirvL - MI - V0I^?Me - LZWNV - Wvx . MLIIVir^in - IU?iWIIIU - IMIir . - VIWVN - ZMIVII' - ^11818 - Wir müssen nach dem bisher Erörterten zu dem Schlüsse kommen, daß dem Volapükmechanismus diejenige Festigkeit, Leistungskraft und Entwicklungs- fähigkeit abgeht, welche zur Durchführung der Rolle eines wirklichen Wcltver- ständignngsmittels nötig ist. Jeder andern künstlich verfertigten Sprache wird das gleiche Schicksal beschieden sein. Wenn nun, wie nicht zu leugnen ist, das Bedürfnis nach einer Weltsprache in jenem eingeschränkten Sinne besteht, aber durch einen künstlichen Mechanismus nicht befriedigt werden kann, sollte da keiner von den vorhandenen Sprachorganismen imstande sein, rettend einzu¬ springe»? Und giebt die Natur uns ein passendes Werkzeug in die Hand, wozu bedarf es da überhaupt der Erfindungsarbeit? Ist es nicht der ver¬ nunftgemäßere Weg, zunächst unter den vorhandenen Mitteln Umschau zu halten und erst dann die Kunst eintreten zu lassen, wenn die Natur versagt? Käme es bei einer Weltsprache bloß auf leichte Erlernbarkeit und Regelmäßigkeit an, so könnte man unbedenklich die Eskimosprache oder das Malaiische ans den Thron setzen. Die ungeheure Lächerlichkeit des bloßen Gedankens, die Sprache der Eskimos als Weltsprache einführen zu wollen, muß es aber auch einem Kurz¬ sichtigen klar machen, daß noch andre wichtige Erfordernisse Berücksichtigung verlangen. Neben der Leichtigkeit des Erlernens steht zunächst widerstands¬ fähige Abgeschliffenheit und Mundgerechtheit. Sodann muß eine Bewerberin um die Wcltsprachenwürde sich darüber schon ausgewiesen haben, daß sie voll¬ ständig ausgebildet und fähig ist, alle menschlichen Gedanken in Wissenschaft, Kunst, Industrie, Handel u. s. w. zuverlässig und deutlich wiederzugeben. Ferner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/224>, abgerufen am 29.05.2024.