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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Der Wucher auf dem Lande.

auf seinem Besitz stehen, die einen privilegirten Rang haben für den Fall
späterer Zwangsvollstreckung. Mittlerweile hat der Wucherer 1000 Mark ver¬
dient. So sind auch Geldbedürfnisse für die Militärzeit dem Wucherer will¬
kommen, er giebt Vorschüsse auf das Erbteil des jungen Mannes, das ihm
dann nach und nach zu Teil wird, manchmal treibt er auch die andern Erben
dem Verderben entgegen. Doch es würde zu weit führen, die einzelnen Formen
des Wuchers genauer zu beschreiben. Wenden wir uns lieber den Mitteln zu,
die die Berichterstatter zur Abhilfe gegen den Wucher empfehlen.

Es lag dabei nahe, weiter auszuholen und die ganze Lage der Landwirt¬
schaft in Erwägung zu ziehen. So wird die Wechselfähigkeit der Bauern be-
sprochen, es wird von der Notwendigkeit eines Heimstättengesetzes gehandelt,
durch welches ein gewisser Besitz mäßigen Umfanges dem Verschütteten unter
allen Umständen verbleiben muß, und auch andre weitgreifende Reformen werden
von einzelnen Berichterstattern angedeutet. Aber auch in dem engen Rahmen
des Wuchers selbst finden sich Maßregeln praktischer Art zur Genüge in den
Gutachten entwickelt.

Die Hauptsache wird immer bleiben, die Hilfe des Wucherers entbehrlich
zu machen durch Kassen öffentlicher Art, die kleinen Leuten zu helfen verpflichtet
sind und keine Erwerbsanstalten sein dürfen. Diese Kassen müssen in der Art
billigen Kredit gewähren, daß sie zugleich zwangsweise die Schuld amortisiren;
schon um nicht den Schein auf sich zu laden, als wollten sie vor allem das
Kreditwesen erleichtern. Diese Kassen müssen insbesondre auch die Steigerungs¬
protokolle zu mäßigem Abschlag übernehmen, um die Wucherer fernzuhalten. Es
sind ganz gefahrlose Geschäfte, bei denen Verluste kaum vorkommen (S. 140 ff.).
Mehrere Berichterstatter heben freilich einen Nachteil hervor, den diese Kassen
im Vergleich mit dem aus Eigennutz verschwiegenen Handelsmann haben- Der
Bauer will eben seine mißliche Lage vor der Öffentlichkeit, auch vor einer
öffentlichen Kasse verbergen. Nun haben etliche vorgeschlagen, man solle das
dadurch ausgleichen, daß auch der Handelsmann, wie er es ja eigentlich muß,
eine öffentlich kontrolirbare Buchführung innehatte. Aber dieser Gedanke läßt
sich nur sür einzelne Formen der Prozeßführung durchführen, im ganzen ist er
unpraktisch.

Wichtiger ist die Einwirkung, die solche gut eingerichtete Kassen durch
ländliche Vertrauenspersonen (Agenten) auf die kleinen Grundbesitzer üben können.
Durch diese Leute wird das Mißtrauen gegen die Darlchnsbank und ihre Art
zu handeln leichter gehoben und in Vertrauen verwandelt. Durch die Be¬
sprechung aller ökonomischen Verhältnisse wird die äußerst mangelhafte Schul¬
bildung auf diesem Punkte wesentlich ergänzt, die Notwendigkeit ordentlichen
Anschreibens erkannt, und es ist sehr wohl zu hoffen, daß für ganze Bezirke
die Bank bei uns denselben wohlthätigen Einfluß üben werde, wie die kleinen
Banken in Schottland ihn geübt haben und noch üben. In den ersten zehn


Der Wucher auf dem Lande.

auf seinem Besitz stehen, die einen privilegirten Rang haben für den Fall
späterer Zwangsvollstreckung. Mittlerweile hat der Wucherer 1000 Mark ver¬
dient. So sind auch Geldbedürfnisse für die Militärzeit dem Wucherer will¬
kommen, er giebt Vorschüsse auf das Erbteil des jungen Mannes, das ihm
dann nach und nach zu Teil wird, manchmal treibt er auch die andern Erben
dem Verderben entgegen. Doch es würde zu weit führen, die einzelnen Formen
des Wuchers genauer zu beschreiben. Wenden wir uns lieber den Mitteln zu,
die die Berichterstatter zur Abhilfe gegen den Wucher empfehlen.

Es lag dabei nahe, weiter auszuholen und die ganze Lage der Landwirt¬
schaft in Erwägung zu ziehen. So wird die Wechselfähigkeit der Bauern be-
sprochen, es wird von der Notwendigkeit eines Heimstättengesetzes gehandelt,
durch welches ein gewisser Besitz mäßigen Umfanges dem Verschütteten unter
allen Umständen verbleiben muß, und auch andre weitgreifende Reformen werden
von einzelnen Berichterstattern angedeutet. Aber auch in dem engen Rahmen
des Wuchers selbst finden sich Maßregeln praktischer Art zur Genüge in den
Gutachten entwickelt.

Die Hauptsache wird immer bleiben, die Hilfe des Wucherers entbehrlich
zu machen durch Kassen öffentlicher Art, die kleinen Leuten zu helfen verpflichtet
sind und keine Erwerbsanstalten sein dürfen. Diese Kassen müssen in der Art
billigen Kredit gewähren, daß sie zugleich zwangsweise die Schuld amortisiren;
schon um nicht den Schein auf sich zu laden, als wollten sie vor allem das
Kreditwesen erleichtern. Diese Kassen müssen insbesondre auch die Steigerungs¬
protokolle zu mäßigem Abschlag übernehmen, um die Wucherer fernzuhalten. Es
sind ganz gefahrlose Geschäfte, bei denen Verluste kaum vorkommen (S. 140 ff.).
Mehrere Berichterstatter heben freilich einen Nachteil hervor, den diese Kassen
im Vergleich mit dem aus Eigennutz verschwiegenen Handelsmann haben- Der
Bauer will eben seine mißliche Lage vor der Öffentlichkeit, auch vor einer
öffentlichen Kasse verbergen. Nun haben etliche vorgeschlagen, man solle das
dadurch ausgleichen, daß auch der Handelsmann, wie er es ja eigentlich muß,
eine öffentlich kontrolirbare Buchführung innehatte. Aber dieser Gedanke läßt
sich nur sür einzelne Formen der Prozeßführung durchführen, im ganzen ist er
unpraktisch.

Wichtiger ist die Einwirkung, die solche gut eingerichtete Kassen durch
ländliche Vertrauenspersonen (Agenten) auf die kleinen Grundbesitzer üben können.
Durch diese Leute wird das Mißtrauen gegen die Darlchnsbank und ihre Art
zu handeln leichter gehoben und in Vertrauen verwandelt. Durch die Be¬
sprechung aller ökonomischen Verhältnisse wird die äußerst mangelhafte Schul¬
bildung auf diesem Punkte wesentlich ergänzt, die Notwendigkeit ordentlichen
Anschreibens erkannt, und es ist sehr wohl zu hoffen, daß für ganze Bezirke
die Bank bei uns denselben wohlthätigen Einfluß üben werde, wie die kleinen
Banken in Schottland ihn geübt haben und noch üben. In den ersten zehn


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[0264] Der Wucher auf dem Lande. auf seinem Besitz stehen, die einen privilegirten Rang haben für den Fall späterer Zwangsvollstreckung. Mittlerweile hat der Wucherer 1000 Mark ver¬ dient. So sind auch Geldbedürfnisse für die Militärzeit dem Wucherer will¬ kommen, er giebt Vorschüsse auf das Erbteil des jungen Mannes, das ihm dann nach und nach zu Teil wird, manchmal treibt er auch die andern Erben dem Verderben entgegen. Doch es würde zu weit führen, die einzelnen Formen des Wuchers genauer zu beschreiben. Wenden wir uns lieber den Mitteln zu, die die Berichterstatter zur Abhilfe gegen den Wucher empfehlen. Es lag dabei nahe, weiter auszuholen und die ganze Lage der Landwirt¬ schaft in Erwägung zu ziehen. So wird die Wechselfähigkeit der Bauern be- sprochen, es wird von der Notwendigkeit eines Heimstättengesetzes gehandelt, durch welches ein gewisser Besitz mäßigen Umfanges dem Verschütteten unter allen Umständen verbleiben muß, und auch andre weitgreifende Reformen werden von einzelnen Berichterstattern angedeutet. Aber auch in dem engen Rahmen des Wuchers selbst finden sich Maßregeln praktischer Art zur Genüge in den Gutachten entwickelt. Die Hauptsache wird immer bleiben, die Hilfe des Wucherers entbehrlich zu machen durch Kassen öffentlicher Art, die kleinen Leuten zu helfen verpflichtet sind und keine Erwerbsanstalten sein dürfen. Diese Kassen müssen in der Art billigen Kredit gewähren, daß sie zugleich zwangsweise die Schuld amortisiren; schon um nicht den Schein auf sich zu laden, als wollten sie vor allem das Kreditwesen erleichtern. Diese Kassen müssen insbesondre auch die Steigerungs¬ protokolle zu mäßigem Abschlag übernehmen, um die Wucherer fernzuhalten. Es sind ganz gefahrlose Geschäfte, bei denen Verluste kaum vorkommen (S. 140 ff.). Mehrere Berichterstatter heben freilich einen Nachteil hervor, den diese Kassen im Vergleich mit dem aus Eigennutz verschwiegenen Handelsmann haben- Der Bauer will eben seine mißliche Lage vor der Öffentlichkeit, auch vor einer öffentlichen Kasse verbergen. Nun haben etliche vorgeschlagen, man solle das dadurch ausgleichen, daß auch der Handelsmann, wie er es ja eigentlich muß, eine öffentlich kontrolirbare Buchführung innehatte. Aber dieser Gedanke läßt sich nur sür einzelne Formen der Prozeßführung durchführen, im ganzen ist er unpraktisch. Wichtiger ist die Einwirkung, die solche gut eingerichtete Kassen durch ländliche Vertrauenspersonen (Agenten) auf die kleinen Grundbesitzer üben können. Durch diese Leute wird das Mißtrauen gegen die Darlchnsbank und ihre Art zu handeln leichter gehoben und in Vertrauen verwandelt. Durch die Be¬ sprechung aller ökonomischen Verhältnisse wird die äußerst mangelhafte Schul¬ bildung auf diesem Punkte wesentlich ergänzt, die Notwendigkeit ordentlichen Anschreibens erkannt, und es ist sehr wohl zu hoffen, daß für ganze Bezirke die Bank bei uns denselben wohlthätigen Einfluß üben werde, wie die kleinen Banken in Schottland ihn geübt haben und noch üben. In den ersten zehn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/264>, abgerufen am 31.05.2024.