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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

gegen die Oberlandesgerichtspräsidenten und die richterlichen Kreise im all¬
gemeinen, ein Ton angeschlagen wurde, der mindestens als unangemessen bezeichnet
werden mußte und es notwendig den in dieser Weise angegriffenen erschweren
muß, ihr sachliches Urteil nicht durch die Folgen einer gewissen Gereiztheit zu
Ungunsten der Anwälte trüben zu lassen. Oder soll man es ohne Unwillen
lesen, wenn z. B. die indische Anwaltskammer behauptet, daß die vorgeschlagene
Ermäßigung das Bestehen eines großen Teiles der Anwälte geradezu gefährde
und ein Anwaltsproletariat unvermeidlich mache, und dann hinzufügt: "Wenn
der Entwurf dieses beabsichtigt, so hat die Reichsregierung den richtigen Weg
eingeschlagen"? Oder soll man es als passend bezeichnen, wenn dieselbe Kammer
erklärt, die Motive des Entwurfs seien "einfach unverständlich" und bewiesen,
"daß man von der Bedeutung der Schlußverhandlung in den betreffenden
Regierungskreisen kaum eine Ahnung habe." Auch wenn der von der Delegirten-
versammlung der deutschen Anwaltskammervorstäude gewählte Ausschuß in seiner
an den Reichstag gerichteten Petition erklärt: "Man darf Wohl sagen, daß die
Begründung des Entwurfes im Punkte der Auslagen wenigstens von großen
Gesichtspunkten, die doch den Gesetzgeber nie verlassen sollten, sich völlig frei
hält," so ist dieser höhnische Ton einfach ungehörig.

Diesem Tone entspricht es denn auch völlig, wenn die Delegirtenversammlung
"einstimmig den Entwurf als den Grundsätzen der Einführung dieser Gesetze
widersprechend und als an sich grundsatzlos, verfrüht, ungerecht gegenüber dem
Anwaltsstande und ebenso gefährlich wie demütigend" erklärte. Gerade auf
die "Demütigung," welche angeblich der Anwaltsstand dnrch Beschneidung seiner
Gebühren erfahre, wird wiederholt großer Nachdruck gelegt und ebenso oft
betont, daß ,,der Anwaltsstand den Gerichten ebenbürtig gegenüberstehe." Es
wird deshalb behauptet, daß der Entwurf die Anwälte in ihrem Vermögen
und in ihrer Ehre (!) treffe, und die Erwartung ausgesprochen, daß "der von
der Begründung deutlich angezeigte Weg, die Axt an die Freiheit der Anwalt¬
schaft zu legen, die Billigung des Reichstages nicht finden werde." Niemals
werde "der Stand zugestehen, daß für sein Wohl und Wehe die Überzeugung
einzelner Gerichtsbehörden oder der Gerichte überhaupt, denen er vollkommen
ebenbürtig gegenüberstehe, die alleinige Entscheidungsquelle bilde." Das "will¬
kürliche Ermessen des Gerichts sei nach Möglichkeit auszuschließen" und "die
durch die Begründung in der Presse und im Publikum wachgerufenen Strömungen
gegen deu Anwaltstand zur Wahrung des ihm zukommenden Ansehens weit von
sich zu weisen."

Es ist offenbar etwas krankhaft Gereiztes, dieses Ehrgefühl, mit welchem
so gepoltert wird. Was hat denn die ganze Vorlage mit dem Ehrgefühl, was
hat die Höhe der Gebühren mit der Ehre des Anwaltstandes zu thun? Aber
ebenso wie dann, wenn es sich um höchst materielle Interessen der Geistlichen
handelt, sofort die Kirche in Gefahr ist, so wird auch bei dieser einfachen Ein-


Grmzlwten III. 1887. 40
Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

gegen die Oberlandesgerichtspräsidenten und die richterlichen Kreise im all¬
gemeinen, ein Ton angeschlagen wurde, der mindestens als unangemessen bezeichnet
werden mußte und es notwendig den in dieser Weise angegriffenen erschweren
muß, ihr sachliches Urteil nicht durch die Folgen einer gewissen Gereiztheit zu
Ungunsten der Anwälte trüben zu lassen. Oder soll man es ohne Unwillen
lesen, wenn z. B. die indische Anwaltskammer behauptet, daß die vorgeschlagene
Ermäßigung das Bestehen eines großen Teiles der Anwälte geradezu gefährde
und ein Anwaltsproletariat unvermeidlich mache, und dann hinzufügt: „Wenn
der Entwurf dieses beabsichtigt, so hat die Reichsregierung den richtigen Weg
eingeschlagen"? Oder soll man es als passend bezeichnen, wenn dieselbe Kammer
erklärt, die Motive des Entwurfs seien „einfach unverständlich" und bewiesen,
„daß man von der Bedeutung der Schlußverhandlung in den betreffenden
Regierungskreisen kaum eine Ahnung habe." Auch wenn der von der Delegirten-
versammlung der deutschen Anwaltskammervorstäude gewählte Ausschuß in seiner
an den Reichstag gerichteten Petition erklärt: „Man darf Wohl sagen, daß die
Begründung des Entwurfes im Punkte der Auslagen wenigstens von großen
Gesichtspunkten, die doch den Gesetzgeber nie verlassen sollten, sich völlig frei
hält," so ist dieser höhnische Ton einfach ungehörig.

Diesem Tone entspricht es denn auch völlig, wenn die Delegirtenversammlung
„einstimmig den Entwurf als den Grundsätzen der Einführung dieser Gesetze
widersprechend und als an sich grundsatzlos, verfrüht, ungerecht gegenüber dem
Anwaltsstande und ebenso gefährlich wie demütigend" erklärte. Gerade auf
die „Demütigung," welche angeblich der Anwaltsstand dnrch Beschneidung seiner
Gebühren erfahre, wird wiederholt großer Nachdruck gelegt und ebenso oft
betont, daß ,,der Anwaltsstand den Gerichten ebenbürtig gegenüberstehe." Es
wird deshalb behauptet, daß der Entwurf die Anwälte in ihrem Vermögen
und in ihrer Ehre (!) treffe, und die Erwartung ausgesprochen, daß „der von
der Begründung deutlich angezeigte Weg, die Axt an die Freiheit der Anwalt¬
schaft zu legen, die Billigung des Reichstages nicht finden werde." Niemals
werde „der Stand zugestehen, daß für sein Wohl und Wehe die Überzeugung
einzelner Gerichtsbehörden oder der Gerichte überhaupt, denen er vollkommen
ebenbürtig gegenüberstehe, die alleinige Entscheidungsquelle bilde." Das „will¬
kürliche Ermessen des Gerichts sei nach Möglichkeit auszuschließen" und „die
durch die Begründung in der Presse und im Publikum wachgerufenen Strömungen
gegen deu Anwaltstand zur Wahrung des ihm zukommenden Ansehens weit von
sich zu weisen."

Es ist offenbar etwas krankhaft Gereiztes, dieses Ehrgefühl, mit welchem
so gepoltert wird. Was hat denn die ganze Vorlage mit dem Ehrgefühl, was
hat die Höhe der Gebühren mit der Ehre des Anwaltstandes zu thun? Aber
ebenso wie dann, wenn es sich um höchst materielle Interessen der Geistlichen
handelt, sofort die Kirche in Gefahr ist, so wird auch bei dieser einfachen Ein-


Grmzlwten III. 1887. 40
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[0321] Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren. gegen die Oberlandesgerichtspräsidenten und die richterlichen Kreise im all¬ gemeinen, ein Ton angeschlagen wurde, der mindestens als unangemessen bezeichnet werden mußte und es notwendig den in dieser Weise angegriffenen erschweren muß, ihr sachliches Urteil nicht durch die Folgen einer gewissen Gereiztheit zu Ungunsten der Anwälte trüben zu lassen. Oder soll man es ohne Unwillen lesen, wenn z. B. die indische Anwaltskammer behauptet, daß die vorgeschlagene Ermäßigung das Bestehen eines großen Teiles der Anwälte geradezu gefährde und ein Anwaltsproletariat unvermeidlich mache, und dann hinzufügt: „Wenn der Entwurf dieses beabsichtigt, so hat die Reichsregierung den richtigen Weg eingeschlagen"? Oder soll man es als passend bezeichnen, wenn dieselbe Kammer erklärt, die Motive des Entwurfs seien „einfach unverständlich" und bewiesen, „daß man von der Bedeutung der Schlußverhandlung in den betreffenden Regierungskreisen kaum eine Ahnung habe." Auch wenn der von der Delegirten- versammlung der deutschen Anwaltskammervorstäude gewählte Ausschuß in seiner an den Reichstag gerichteten Petition erklärt: „Man darf Wohl sagen, daß die Begründung des Entwurfes im Punkte der Auslagen wenigstens von großen Gesichtspunkten, die doch den Gesetzgeber nie verlassen sollten, sich völlig frei hält," so ist dieser höhnische Ton einfach ungehörig. Diesem Tone entspricht es denn auch völlig, wenn die Delegirtenversammlung „einstimmig den Entwurf als den Grundsätzen der Einführung dieser Gesetze widersprechend und als an sich grundsatzlos, verfrüht, ungerecht gegenüber dem Anwaltsstande und ebenso gefährlich wie demütigend" erklärte. Gerade auf die „Demütigung," welche angeblich der Anwaltsstand dnrch Beschneidung seiner Gebühren erfahre, wird wiederholt großer Nachdruck gelegt und ebenso oft betont, daß ,,der Anwaltsstand den Gerichten ebenbürtig gegenüberstehe." Es wird deshalb behauptet, daß der Entwurf die Anwälte in ihrem Vermögen und in ihrer Ehre (!) treffe, und die Erwartung ausgesprochen, daß „der von der Begründung deutlich angezeigte Weg, die Axt an die Freiheit der Anwalt¬ schaft zu legen, die Billigung des Reichstages nicht finden werde." Niemals werde „der Stand zugestehen, daß für sein Wohl und Wehe die Überzeugung einzelner Gerichtsbehörden oder der Gerichte überhaupt, denen er vollkommen ebenbürtig gegenüberstehe, die alleinige Entscheidungsquelle bilde." Das „will¬ kürliche Ermessen des Gerichts sei nach Möglichkeit auszuschließen" und „die durch die Begründung in der Presse und im Publikum wachgerufenen Strömungen gegen deu Anwaltstand zur Wahrung des ihm zukommenden Ansehens weit von sich zu weisen." Es ist offenbar etwas krankhaft Gereiztes, dieses Ehrgefühl, mit welchem so gepoltert wird. Was hat denn die ganze Vorlage mit dem Ehrgefühl, was hat die Höhe der Gebühren mit der Ehre des Anwaltstandes zu thun? Aber ebenso wie dann, wenn es sich um höchst materielle Interessen der Geistlichen handelt, sofort die Kirche in Gefahr ist, so wird auch bei dieser einfachen Ein- Grmzlwten III. 1887. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/321>, abgerufen am 13.05.2024.